Das seit einiger Zeit andauernde 90er-Jahre-Black-Metal-Revival, dessen stilistische Ausrichtung so mannigfaltig ist wie anno dazumal, hat seine Vor- und Nachteile. Zu den Nachteilen zählt der oftmals extrem drucklose und verwaschene Sound sowie das fast schon schmerzhafte Kopieren 25 Jahre alter Klischees beim Auftreten als Band oder Einzelkünstler. So wichtig ich persönlich auch eine gewisse Rückbesinnung auf diese Zeit finde und es sehr schätze, wenn sich in der heutigen Musik noch Spuren davon finden lassen, so sinnbefreit finde ich es auf der anderen Seite jedoch, wenn man sich auf Teufel komm raus auch soundmäßig und optisch daran orientiert. Wie man es richtig macht, stellten in der jüngeren Vergangenheit Nebran unter Beweis (das Review dazu findet ihr hier), die trotz einer mehr als deutlichen Rückbesinnung auf den alten Black Metal mit einem verflucht druckvollen Sound aufwarten konnten, was meinem Empfinden nach zeitgemäßer ist und wesentlich mehr mit dem zu tun hat, wofür Black Metal einst stand und heute noch stehen sollte. Exakt in diese Kerbe schlagen nun auch die Oberbayern SKARNTYDE (Gruß aus Rosenheim an dieser Stelle) mit ihrem im Dezember 2019 erschienenen ersten Demo „Spurvehauk“.
Dessen fünf Tracks atmen den Geist alter Darkthrone, der ersten Ulver-Alben oder auch des Satyricon-Debüts – rasender Black Metal, umweht von Naturmystik und einer gnadenlos nach vorne preschenden Urgewalt, wie man sie heute nur noch selten zu hören bekommt. Neben dem klassischen Black-Metal-Riffing sind es vor allen Dingen die sehr dominant böllernden und schön trocken produzierten Drums, die hier begeistern können. Und auch die Vocals wecken Erinnerungen an längst schon vergangene Zeiten: Statt sinnlos und unverständlich durch die Gegend zu kreischen, wird hier mehr oder weniger verständlich gekeift, so dass die (in norwegisch vorgetragenen) Lyrics immer nachzuvollziehen sind. Apropos Lyrics: Hier kommt der Ulver-Einfluss besonders prägend durch, geht es doch um das Jagdverhalten der Sperber. Ja, das hört sich komisch an, ist jedoch spannend in den fünf Tracks umgesetzt, die sich jeweils mit einem Aspekt des Jagdverhaltens auseinandersetzen: Den Hunger, die Suche nach Beute, die Jagd und das Fressen ebenjener sowie dem Frieden nach dem Stillen des Hungers. Diesem sich stets wiederholenden Zyklus wohnt ein innerer Friede inne, der im krassen Gegensatz zum gehetzten, vom Konsum getriebenen Verhalten unserer eigenen Spezies steht – und ist gedanklich somit näher an der den Black Metal prägenden Intention als viele andere aktuelle Epigonen, die auf platten Okkultismus setzen. Zugutehalten muss man dem Duo zudem, dass es sich musikalisch nicht verzettelt, sondern den eingangs erwähnten Stil kompromisslos durchzieht, wofür man ihm als Anhänger ebendieses Sounds nur dankbar sein kann.
Während ich das Review schreibe, ballert „Spurvehauk“ sicherlich zum zehnten Mal durch die Boxen, mindestens. Und nach wie vor bin ich extrem angetan von dem schlichten, sofort auf den Punkt kommenden Songwriting, ohne dass dieses simpel erscheint. Denn dass SKARNTYDE genau wissen, was sie machen, hört man aus jeder einzelnen Note heraus. Wer diesem Stil mit soviel Passion begegnet – ob nun als Fan oder Musiker, im Idealfall beides – und ihm gerade dadurch eine zeitgemäße Relevanz verpasst, hat definitiv verstanden, worum es im Black Metal geht. Wer also vom klassischen norwegischen Stil nicht genug haben kann, diesen jedoch im Hier und Jetzt angesiedelt haben möchte, bekommt mit dieser Demo genau dies. Ich für meinen Teil bin restlos begeistert und hoffe, dass man auf diesem Niveau weitermusiziert. KAUFEMPFEHLUNG!!! +++ 8,5 / 10 Punkten
Erhältlich ist die Demo ausschließlich digital via Bandcamp. Doch selbst, wenn man diesem Format eher skeptisch gegenübersteht (es geht schließlich nichts über einen physischen Release), sollte man hier die Ausnahme von der Regel gelten lassen; dafür sind die Songs einfach zu gut.
SKARNTYDE – Spurvehauk
Black Metal from Germany
Independent
Running time: 23:32 minutes
Release date: December 13th, 2019
Review © 2020 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation