Schon seit geraumer Zeit geistert wieder einmal ein neuer alter Begriff durch die Szene: Medieval Black Metal. Musik also, die in iher Intonation, ihren Riffs und ihrer generellen Atmosphäre die Erinnerung an alte, längst vergangene Zeiten beschwören will. Alte Desaster fallen einem da ein, oder alte Satyricon – gerade die ersten beiden Alben beider Bands würden sich ohne Umschweife so klassifizieren lassen. Aber wisst ihr was? Ich lehne das ab! Man muss doch nicht jedem Stilmittel gleich ein Subgenre unterordnen. Klar, das wurde auch in den Neunzigern schon so gemacht – doch selbst da war so etwas völlig überflüssig. Am Ende des Tages muss es sich immer noch um geile Musik handeln – egal, wie man das Genre nun nennt! Die Spanier CALYX sind nun ein weiteres Beispiel dafür, wie überflüssig eine Einordnung in so etwas wie Medieval Black Metal ist, wenn man in erster Linie eines zu bieten hat: nämlich schweinegeile Songs! Und die gibt es auf deren bald erscheinendem Debüt „Vientos arcaicos“ zuhauf.
Bereits das „Intro“ führt den Hörer in eine Zeit zurück, in der man sich über Klassifizierungen keine Gedanken machte, sondern schlichtweg das auf Platte bannte, was man selbst als dafür würdig erachtete. Das sehr an mittelalterliche Melodieführung angelehnte Stück ist zudem ein guter Kontrast zum furiosen Opener „La venganza de las brujas“, der einerseits klassicher Black Metal ist, andererseits auch die gerade von Desaster bekannte Gitarrenarbeit in den eigenen Stil adaptiert. Die zieht sich durchweg durch das gesamte Album, so dass auch das folgende „Asedio infernal“ eine wuchtige Ramme ist, die alles um sich herum einreißt. Die mit ordentlich Thrash-Flair versehenen etwas mehr als sechs Minuten bersten beinahe vor Energie, die man in das atmosphärisch komplette Gegenstück „La sima“ mit hinübernimmt. Die Reverenzen hin zum Satyricon-Debüt in Verbindung mit den allgegenwärtigen Koblenzern zu ihrer Anfangszeit mögen zwar frappierend sein – jedoch habe ich in all den Jahren keine so respektvolle und gleichzeitig eigenständige Verbeugung vor diesen Klassikern gesehen. Gerade die Tempiwechsel machen den Track zu einem großen Höhepunkt des Albums, so dass auch diese sechs Minuten viel zu schnell vorbei sind. Mit „Bajo el fimamento nocturno“ drückt man das Gaspedal anschließend ordentlich durch, was für Abwechslung sorgt und die Atmosphäre generell auflockert. Das ist auch bitter nötig, denn mit dem Titeltrack „Vientos arcaicos“ schiebt man die wahrscheinlich größte Reverenz in Richtung Desaster hinterher, die ich jemals gehört habe. Hier stimmt einfach alles, vom Songaufbau über die Tempiwechsel bis hin zur Produktion (die im übrigen für den Stil erstklassig ausfällt). Zudem begeht man nicht den Fehler und ruht sich auf der Klasse dieses Hochkaräter aus, sondern wechselt erneut in eher Black Metal-lastige Gefilde mit dem folgenden „Bosque muerto“. Und wem es bis jetzt noch nicht aufgefallen sein sollte: Ja, auch CALYX arbeiten mit diesen stilistischen Wechseln innerhalb eines Albums, wie das bei den offensichtlichen Vorbildern seit dem Debüt gang und gäbe ist. Und das ist auch gut so, da sich so keine Langeweile einstellen kann. „Loarre“ als Schlußtrack schließlich beginnt so, wie viele Deaster-Alben enden, mit einem nur von der Gitarre geleiteten Thema. Allerding geht dieses kurz darauf in einen regulären Song über und zeigt noch einmal, wie sehr die Spanier ihr Handwerk beherrschen und eine Veröffentlichung vorgelegt haben, die sich vor keinem Release der Vorbilder zu verstecken braucht, sondern ebenbürtig auf deren Stufe steht!
Zugegeben, als ich in der Promo die Vergleiche mit alten Satyricon und Desaster las, war ich zunächst sehr skeptisch. Nachdem „Vientos arcaicos“ dann das erste Mal durch meine Lauschlappen gerauscht war, saß ich allerdings völlig geplättet vor dem Schreibtisch und war fassungslos, wie gut die Spanier diese Einflüsse in ihrem Songwriting umgesetzt haben. Das hier ist kein billiger Abklatsch, sondern ein von purer Energie strotzendes Monster, dass jegliche Vorbehalte gnadenlos vom Tisch fegt. Wer der Meinung ist, diesen Stil Medieval Black Metal titulieren zu müssen, soll das gerne tun, auch wenn ich das ablehne. Denn für mich ist das Album eines: ein exzellenter Mix aus klassischem Black Metal mit einer gehörigen Portion Black/Thrash! Vor allem sollten die genannten Vergleiche auch diejenigen nicht abschrecken, die die genannten Bands und deren frühe Alben als Gralshüter einer besseren, wenn auch vergangenen Zeit behandeln. CALYX holen diese würdig zurück und transponieren sie in die heutige Zeit. Und das mit jeder Menge Aggression, Leidenschaft und songwriterischer Klasse! PFLICHTKAUF!!! +++ 9 / 10 Punkten
Ab dem Erscheinungstag könnt ihr „Vientos arcaicos“ über den Webshop sowie die Bandcamp-Seite des Labels beziehen. Alle Release-Infos gibt es dann natürlich auch wie gewohnt auf der Facebook-Page von Black Salvation.
CALYX – Vientos arcaicos
Black Metal from Spain
Iron Bonehead Productions
Running time: 44:38 minutes
Release date: May 17th, 2019 (all formats)
Iron Bonehead Productions Webshop
Iron Bonehead Productions Bandcamp
Calyx Bandcamp
Review © 2019 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation