Es gab einmal Zeiten, da war das dritte Album einer Band der „Make-it-or-break-it“-Release. Heutzutage hat diese Formulierung allerdings kein allzu großes Gewicht mehr – wenn überhaupt noch. Denn seit gut einer Dekade befinden sich so viele Bands vom Start weg auf einem so hohen Niveau, dass teilweise bereits die Demos einschlagen wie eine Bombe (siehe Sulphur Aeon, Malakhim, etc.). Die Norweger KATECHON darf man ruhigen Gewissens zu dieser Gattung zählen, die, wenn auch von vielen unbemerkt, zu den Bands gehören, die seit ihrer Gründung 2011 mit zur schleichenden Verquickung der Stile aus Black und Death Metal beigetragen haben. Viele mögen ihre jeweilige musikalische Vorliebe ja so pur und roh wie möglich, aber der Großteil der Fans, die sich intensiv mit Musik auseinandersetzen, sehen das ebenso wie die meisten Musiker: Auf Dauer ist Eintönigkeit doch arg langweilig! Da kommt ein Album wie „Sanger fra Auschwitz“ gerade recht, das dritte dieser Band und erneut extrem spannend geraten.
Ein Punkt muss zu Beginn ganz besonders herausgestellt werden, bevor wir in die Musik selbst einsteigen: Nämlich das lyrische Konzept, dass diesem Release zu Grunde liegt. Auschwitz dient hier nicht nur als körperliche, sonder auch als meta-physische Manifestation alles Bösen auf dieser Welt. Es ist ein tiefes Eindringen in die dunkelsten Regionen kollektiver menschlicher Psyche und ein Schauen auf die Ereignisse des zweiten Weltkrieges und wie dieser die Menschen auf beiden Seiten betraf. Das Konzept ist anti-totalitär und zieht seine Einflüsse unter anderem aus den Werken von Paul Celan und T.S. Eliot. Ich gebe an dieser Stelle auch ganz ehrlich zu, dass mich gerade diese Mischung meines kulturellen Hintergrundes wegen extrem fasziniert und Auschwitz generell etwas ist, wovon ich väterlicherseits auch persönlich betroffen bin (ein Teil meiner Großeltern wurde dort ermordet). Somit liegen hier natürlich die besten Voraussetzungen vor, die ein Album nur haben kann.
Und diese enttäuschen auch in keinster Weise. Denn ab dem Opener „Fotspor“ ist klar, dass hier etwas verdammt spanndes und energetisches passiert. Der Track schafft mit seinem langsamen Tempo eine unheilvolle Atmosphäre, zumal er eher als ausgedehntes Intro fungiert, bevor das folgende „Eloi“ knüppelhart einsetzt. Pfeilschnelles Riffing und Drumming, das sofort auf den Punkt kommt und seine Anleihen aus der norwegischen und schwedischen Schule gleichermaßen zieht und auch vereinzelt Elemente aus der Occult-Richtung mit einbaut. Höhepunkt ist allerdings das zwar nur sehr kurze, aber ansprechende Solo, das ebensogut auf einem reinen Death Metal-Album hätte stehen können. Einziger Wehrmutstropfchen: Die Cymbals sind ein wenig zu dünn, da hätte es gerne etwas mehr Wucht sein dürfen. Gerade ein Track wie „Renselsen“, das in seinem Anfangspart viele Cymbalelemente eingebaut hat, hätte dadurch noch einen Tick mehr an Energie gewonnen. Macht aber nichts, denn trotzdem peitschen die vier Minuten gnadenlos nach vorne und es ist erneut das Solo, das aufhorchen lässt. Denn diesen musikalischen Ausdruck findet man bei genreähnlichen Bands eher selten, was für enorm viel Abwechslung sorgt. „Ankomst“ verortet sich da eher im traditionellen norwegischen Black Metal. Beeindruckend ist, dass gerade durch diese Vielfalt an Elementen im Gesamtsound nicht nur eine ordentliche Soundwand entsteht, sondern alles natürlich ineinanderfließt. Das Album entwickelt einen Spannungsbogen, der den Hörer bis zur letzten Note nicht mehr loslässt. Da passt das tiefere Riffing in „Mørkets hjerte“ zu Beginn perfekt, um eine weitere Facette hinzuzufügen. Einen der Höhepunkte auf „Sanger fra Auschwitz“ hat man sich für das letzte Drittel mit „Tre hoder“ aufgehoben. Denn das im straighten Midtempo angelegte Stück ist pure Dunkelheit. Man verzichtet auf jedes überflüssige Element und errichtet stattdessen einen Thron aus tiefster Schwärze, lässt den Hörer beinahe schon hypnotisch in diesen Strudel hineinwanken, aus dem er erst wieder hinausfindet, wenn das nicht einmal drei Minuten kurze „Davids skjold“ über ihn hinwegfegt. „Unheimlich“ ist nicht nur der Titel des Albumclosers, sondern auch die perfekte Umschreibung für die Atmosphäre, die man zum Abschluss verbreitet. Denn der zähe, doomige Einstieg bewirkt, dass man gebannt vor den Boxen sitzt und sich dem schon bald wieder hereinbrechenden Gewitter nicht entziehen kann, dass sich zum Ende hin in dissonantem Riffing entlädt und langsam ausfadet…
Eines steht fest: „Sanger fra Auschwitz“ ist ein Album, dass den Hörer fordert – musikalisch wie intellektuell. Denn der Band ist gelungen, woran viele andere scheitern, nämlich die Verbindung eines straighten und brutalen musikalischen Korsetts mit einem lyrischen, beinahe philosophischen Konzept, ohne dass das eine das andere irgendwie in seiner Relevanz behindert oder verweichlicht. KATECHON legen hier ein verdammt starkes Album vor, mit dem sich ausnahmslos JEDER beschäftigen sollte, der auch nur den Hauch von Interesse an sowohl brutalem als auch gedanklich interessantem Metal in der Schnittmenge aus Black und Death hat. DEFINITIVE KAUFEMPFEHLUNG!!! +++ 8,5 / 10 Punkten
Das Album ist sowohl als CD wie auch digital in den jeweiligen Bandcamp-Shops erhältlich und natürlich auch im Webshop des Labels zu erwerben.
KATECHON – Sanger fra Auschwitz
Black / Death Metal from Norway
Saturnal Records
Running time: 37:32 minutes
Release date: March, 1st, 2019
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Review © 2019 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation