Es ist schon kurios: Gerade hatte ich die ersten Durchläufe des neuen Silent Leges Inter Arma-Albums hinter mir, da schlug im Promo-Postfach das Debüt des deutschen Ein-Mann-Projekts FURIS IGNIS auf. Begeistern mich erstere durch ihren stiloffenen, aggressiven und durchaus nachdenklichen Ansatz, so bringt mich „Decapitate the aging world“ zur Raserei – im positiven Sinne (logisch, sonst gäbe es ja auch kein Review). Und obwohl ich Solo-Projekte immer etwas kritisch beäuge, so schlägt dieses Album hier eine der intensivsten Brücken zurück nach 1995, ohne dabei als blinde Kopie zu wirken. Retro: ja – anachronistisch: auf gar keinen Fall! Warum das so ist und warum ich trotz meiner Freude an zeitgemäßen Produktionen immer wieder erfreut bin über Old School-Ansätze, das klären wir im Folgenden.
Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Eine gute oder zumindest die Stimmung des jeweiligen Albums einfangende Produktion ist mir persönlich sehr wichtig und mit ein Kriterium dafür, ob mir das Dargebotene zusagt oder eher nicht. Ganz subjektiv finde ich, dass tolles Songwriting für die Katz‘ ist, wenn dieses schließlich einer miesen Produktion wegen seinen Reiz verliert. Und das gilt nicht nur für gewisse Spielarten im Black Metal, sondern ist eine ganz allgemein empfundene, von Genregedanken losgelöste Reaktion. Um nicht falsch verstanden zu werden: Mit „modern“ meine ich keinesfalls den übersteuerten, totgetriggerten und ohne jegliche Dynamik versehenen Sound vieler Mainstream-Produkte; ich assoziere „modern“ mit kräftig, druckvoll und dynamisch. Und genau diese Attribute sind es, die mich hinsichtlich der Produktion von „Decapitate the aging world“ völlig ausrasten lassen. Denn obwohl hier purster OSBM stattfindet, ballert das Album mit einer Wucht durch die Boxen, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Die Drums haben Power; der Gitarrensound ist keineswegs verwaschen, sondern stets nachvollziehbar; die eingestreuten Synths wirken wie von einem gerade erst marginal ausgeleierten Tape gezogen (sehr charmant!) und die Vocals stehen in ihrer Intensität gleichberechtigt mit dem Rest der Instrumentierung und sind nur mit minimal Hall versehen. Soundtechnisch könnte es also kaum idealer sein – und wie schaut es nun mit dem Songwriting aus?
Das reißt ab den ersten Takten des Openers „Witness the nightsky palpitating to the beat of premonition“ völlig mit: Ein entfesselter Einstieg, der rasch ins Midtempo umschlägt, dabei die Synths in den Vordergrund holt und dabei aufzeigt, dass die musikalischen Entwicklungen der letzten 25 Jahre anscheinend spurlos an dem Künstler vorbeigezogen sind. Und im Gegensatz zur Presse-Info, die Bands wie Desaster, Katharsis oder Moonblood als Inspiration heranzieht, sehe ich persönlich vielmehr auch noch eine Band wie Satyricon als wichtigen Ideengeber im Raum stehen – speziell deren Debüt. Das fängt bei den Riffs an, setzt sich über die Art und Weise der Tempiwechsel fort und mündet schließlich in einer allgegenwärtigen düsteren, aber auch erhabenen Atmosphäre. Also quasi ein Konglomerat aus dem besten beider länderspezifischen Versatzstücke. Besonders gut gefällt dabei, dass sich FURIS IGNIS nicht auf pure Raserei verlassen, sondern einen Großteil des Materials im straighten Midtempo vortragen. Das Tempo zieht man stets punktgenau an den Stellen an, wo es notwendig ist, um den Albumflow aufrechtzuerhalten. Der jedoch ist gar nicht einmal zwingend notwendig, denn jeder Track kann völlig für sich selbst stehen und funktioniert auch losgelöst vom Albumkontext. Besonders „Guarding the gate“ ist dafür ein exzellentes Bespiel, versprüht dieser Song während der ersten Hälfte eine geradezu morbide Atrmosphäre, schlägt um in eine kurze, chaotische Hetzjagd, taucht dann ab ins Downtempo und findet sein Finale schließlich in einem Satyricon-Zitat („Forhekset“ anyone?), das sofort Gänsepelle verursacht und wahrscheinlich jedem Hörer ein fettes Grinsen ins Gesicht zaubern wird. Auf jeden Fall herausheben muss man auch „C.B.M.G.3“: Wer jemals nach einer perfekten Definition des Begriffs Black ’n‘ Roll gesucht hat, wird mit diesem Track fündig! Ein aggressiveres, brutaleres, punkigeres und dreckigeres Stück Musik habe ich in diesem Metier noch nie vernommen! Das geilste daran ist, dass es keinen Bruch zum Rest des Albums darstellt, sondern sich auch noch harmonisch einfügt – Brain.exe just stopped working… Grandios! Der Abschlusstrack „Donner in den Bergen“ beendet die 39 Minuten Musik schließlich im Downtempo. Ein schöner Kontrast zum rotzigen Ausbruch Sekunden vorher und vor allen Dingen Zeichen davon, wie gut sich der Mann hinter dem Projekt darauf versteht, eindrucksvolle Musik zu erschaffen.
Ich bin zwar alles andere als ein nostalgischer Mensch, jedoch freue ich mich jedesmal wieder wie mein 16-jähriges Ich anno 1995, wenn es auch neue Bands / Projekte schaffen, den Spirit dieser Zeit ins Hier und Jetzt zu holen. Wenn das dann noch völlig ohne Anachronismus passiert, wie im Falle von „Decapitate the aging world“, dann geht mir regelrecht das Herz auf: Vergleiche mit älteren Bands sind im Grunde genommen Makulatur, denn Zitate oder Annhäherungen an diese geschehen so charmant und überzeugend, dass sie nicht stören, sondern sich wohlig im Songwriting einnisten. Dass dann auch noch die Produktion überzeugen kann und sowohl dem Underground-Fan als auch neugierigen Jungspunden zusagen dürfte, ist ein nicht zu unterschätzender Pluspunkt. Alles in allem haben FURIS IGNIS einen bemerkenswerten Einstand geschafft, der hoffentlich die ihm gebührende Aufmerksamkeit erhalten wird.
KAUFEMPFEHLUNG!!! +++ 8,5 / 10 Punkten
Erschienen ist „Decapitate the aging world“ am 14.01.2022 via Iron Bonehead Productions als CD sowie digital. Eine Veröffentlichung als 12″-LP ist ebenfalls in der Pipeline, die jedoch verzögert sich aus den bekannten Gründen (Überlastung der Presswerke etc.). Also Augen offen halten!
FURIS IGNIS – Decaptiate the aging world
Black Metal from Germany
Iron Bonehead Productions
Running time: 39:04 minutes
Release date: January 14h, 2022 (all formats)
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Review © 2022 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation