Ich sehe sie förmlich vor mir, die hämischen Gesichter derjenigen Raw Black Metal-Hörer, die mich alleine anhand der zahlreichen Epic Metal-Postings auf Facebook beurteilen. „Und ausgerechnet DU schreibst ein Review zum SARGERAS-Debüt?“ Ja genau, ICH! Wir wollen nämlich nicht vergessen, dass ich mein Maul nur aufreiße, wenn ich auch Ahnung von der jeweiligen Materie habe. Und nach fast 30 Jahren Black Metal denke ich schon, dass ich weiß, wovon ich da rede. Also, ihre lieben Kritiker, hört einfach auf, euch das Maul zu zerreißen und freut euch lieber darüber, dass es Rezensenten gibt, die ohne Scheuklappen durch die Gegend laufen und auch einem Subgenre etwas abgewinnen können, dass im Black Metal sonst nicht gerade zu den Favoriten zählt. Wie kommt es also, dass ich dem Debüt der Bremer so viel Aufmerksamkeit schenke? Ganz einfach: „Return of the dancing whores“ ist ein brutaler Schlag in die Fresse eines jeden Konformisten und kanalisiert seine Rohheit in ausgezeichnete Songs.
Bevor wir uns diesen jedoch widmen, noch kurz ein Wort zur Produktion. Diese hat letztlich auch den Ausschlag gegeben, dass sich das Album bei mir festsetzen konnte und somit Grundlage für dieses Review ist. Im Allgemeinen gilt meine Kritik hinsichtlich Raw Black Metal meistens einem Punkt: nämlich den verwaschenen Produktionen, deren Sound noch schlechter und unhörbarer tönt, als frühe Demos der Neunziger-Jahre-Protagonisten. Und das wird dann als „Trve-Evil-Kvlt-blabla-Black-Metal“ verkauft. Ich bekomme dabei regelmäßig das Kotzen, denn auch in der Benennung dieses Subgenres steckt immer noch ein essentielles Wörtchen: METAL! Und Raw Black Metal sollte dem Hörer das Gefühl vermitteln, das dem entgegensprühenden Hass in der Musik etwas zutiefst Primitives, ja Barbarisches zu Eigen ist, dem weder Schönheit noch Licht innewohnen, sondern schlichtweg die Negation all dessen darstellt, was wir Leben nennen. Und genau dieses Gefühl haben SARGERAS auf ihrem Debüt mit einem unglaublich brutalen und rohen Sound eingefangen, der mir wieder Hoffnung gegeben hat, dass es doch noch Bands gibt, die sich auf die wahre Stärke im Genre besinnen. Mix und Mastering wurden dabei von Marco Dahmen im Liquid Aether Audio vorgenommen, das sich langsam aber sicher zu einem kleinen Referenzstudio entwickelt (was diese Räume verlässt, hat grundsätzlich hohe Qualität; ich kenne keine schlechte Aufnahme).
Der gute Sound (das darf man so sagen) ist aber nur ein wichtiger Punkt für dieses zündende Album. Wichtiger sind da natürlich die Songs – und die können ebenfalls überzeugen. Und obwohl man an allen Ecken und Enden Darkthrone (zu Zeiten ihrer ersten drei Black Metal-Alben) oder frühe Throne of Katarsis heraushört, fällt es relativ leicht, sich die sechs Tracks unvoreingenommen durch die Lauschlappen jagen zu lassen. Die pure Rohheit des Openers „60.000“ lässt den Hörer sofort aufhorchen, obwohl man genregemäß natürlich nicht immer gleich erkennt, was Riff-technisch da gerade vor sich geht. Und dennoch drückt sich der Track mit unnachgiebiger Härte in die Magengrube, was die mit sinnigen Tempiwechseln gefüllten sechseinhalb Minuten wie im Flug vergehen lässt. Dem schließt sich das noch einen Tick längere „Salem“ ohne Weiteres an, das atmosphärisch jedoch etwas tiefer wirkt und somit einen perfekten Übergang zum sehr straighten „Sabbath“ darstellt, welches stellenweise schon an hartes Darkthrone-Worshippen herankommt. Das funktioniert in der Summe aber so gut, dass es den meisten Hörern wohl eher ein dickes Grinsen ins Gesicht zaubern wird. Mit nicht ganz sechs Minuten ist der Titeltrack „Return of the dancing whores“ etwas kürzer als die anderen Songs, was natürlich nichts an der Qualität ändert. Denn Musik zu schreiben, die trotz schon öfter erwähnter Rohheit auch über einen längeren Zeitraum spannend bleibt, muss man auch erst mal beherrschen. Und hier werden ja nicht einfach Riffs aneinandergereiht, sondern das Trio weiß wohl ganz genau, was es da macht und welche Wirkung es hervorrufen will. Und das gelingt vollauf! Wenn man „Satan’s terror“ zu Beginn ein etwas schleppenderes Tempo verpasst, dann ist das nicht nur songdienlich und kompositorisch schlau, sondern auch eine perfekte Überleitung in die gut neuneinhalb Minuten des Albumclosers „Pestilence (Revolt of the slaves of God)“. Der ist schließlich die Kulmination der letzten halben Stunde Musik: Ein unfassbar fieser Schlag ins Gesicht all jener Trendreiter, die wir auch heute noch leider allzu oft antreffen und denen meistens gar nicht bewusst ist, was diese Art von Musik wirklich bedeutet. Ich für meinen Teil bin dankbar, dieses Album zu besitzen – und sei es nur, um nicht zu vergessen, wo ich herkomme, was meine Werte und mein Denken entscheidend geprägt hat und dem ich mich auch musikalisch noch sehr verbunden fühle. Was für ein großartiges Album!
Zugegeben, rein objektiv betrachtet gibt es nichts Innovatives auf diesem Album. Wer allerdings auf diese Art und Weise an einen Release wie „Return of the dancing whores“ herangehen will, hat schon verloren. Denn „objektiv“ kann man sowieso nur in einem gewissen Rahmen sein (der niemals völlig frei von Subjektivität ist), der auch eher die große Mehrheit allgemein bedient, denn die eigentliche Zielgruppe. Und diese dürfte im Falle von SARGERAS sowieso nichts von der „Allgemeinheit“ halten. Jedoch muss man abseits dieser Definitionen eines feststellen: Das Album macht einfach tierisch Spaß! Sei es der tollen Produktion wegen, den Qualitäten im Songwriting oder der puren Bösartigkeit, die den Hörer in diesen 40 Minuten von der ersten Sekunde an festhält und bis zum letzten Ton nicht mehr loslässt – dieses Album sollte sich JEDER ernsthafte Schwarzmetaller ins Regal stellen, zumal es mit jedem weiteren Durchlauf immer ein Stückchen weiter wächst. Und das können sich wohl nur die allerwenigsten Bands im Raw Black Metal auf die Fahnen schreiben! KAUFEMPFEHLUNG!!! +++ 8,5 / 10 Punkten
Erschienen ist „Return of the dancing whores“ am 07. August 2020 via The Crawling Chaos Records und ist erhältlich als CD sowie digital, entweder über den Webshop oder Bandcamp.
SARGERAS – Return of the dancing whores
Black Metal from Germany
The Crawling Chaos Records
Running time: 40:04 minutes
Release date: August 7th, 2020 (all formats)
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Review © 2021 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation