Würde man mich ganz spontan fragen, welche heimischen Black-Metal-Bands mich in den letzten Jahren extremst begeistern konnten (und nach wie vor können), dann würde ich wahrscheinlich ebenso spontan antworten: Blyh, Dauthuz, Isgalder, Tongue, Stygian Temple und Kopf an Kopf mit letzteren: BELTEZ. War man auf den ersten beiden Releases vielleicht noch ein wenig unentschlossen, wo man musikalisch hinwollte (Stichwort DSBM), so veröffentlichte man 2017 mit „Exiled, punished…rejected“ ein wahnsinnig intensives Album, dessen messerscharfe Riffs, ungezügelte Energie und das kunstvolle Balancieren auf dem mittlerweile hauchfeinen Grat zwischen „echtem“ Black Metal und dem oft verpönten „Post“-Zusatz dazu führten, dass es trotz meines Abdriftens in Epic-Doom-Regionen und Denial-of-God-Worshippen nach wie vor zu den am häufigsten gespielten Longplayern der letzten Jahre in der heimischen Anlage zählt.
Zu der hohen Wertung im Review seinerzeit (9 Punkte) stehe ich nach wie vor, zumal sich das Album absolut nicht totläuft und ich auch die Aussage, „die Zukunft gehört definitiv Bands wie BELTEZ“ nach wie vor exakt so unterschreiben würde. Umso mehr, seit ich vor einigen Wochen die Promo zum am 06.11.2020 bei Avantgarde Music erscheinenden neuen Album „A grey chill and a whisper“ im Postfach hatte und es seitdem gute zwei Dutzend Male durch die Boxen geballert ist. Und obwohl ich nicht gerne schon an dieser Stelle auf das Fazit vorgreifen möchte (ihr sollt schließlich lesen!), so bleibt mir jedoch keine andere Wahl als zu sagen: Man hat sich selbst übertroffen! Punkt.
Alleine schon der erste Durchlauf zeigt, dass der angesprochene Hauch von „Post“ einem vielschichtigeren Grundsound gewichen ist, der dennoch saubrutal aus den Boxen quillt, sobald man Tempo und Aggression anzieht. Jedoch belässt man es nicht einfach bei Wechselspielchen aus Aggression und ruhigeren Passagen, sondern erschafft einen Fluss aus gleichberechtigten Songparts, deren fließendes Ineinandergehen förmlich dazu zwingt, sich ausführlich mit den Songs auseinanderzusetzen. Das wirkt jedoch zu keiner Sekunde aufgesetzt oder gar überambitioniert. Denn hier ist eine organisch gewachsene Band am Werk, die genau weiß, was sie tut und ohrenscheinlich extrem viel Zeit in ihr Songwriting investiert. Jede Note sitzt punktgenau an dem Platz, wo sie hingehört. Jedes Break, jeder Wechsel im Tempo funktioniert extrem gut, so dass der Anspruch an den Hörer zwar größer als in der Vergangenheit ist, diese Vielschichtigkeit allerdings auch mit den größten Reiz des Albums ausmacht.
Zeit also, ins Detail zu gehen:
Das Intro „In apathy and slumber“ mag zwar im Kern ein sehr typisches düsteres und repetitives Klavier-Intro sein (gespielt von Dzö-Nga’s Alex Newton), funktioniert als Vorbereitung für den massiven Opener „The city lies in utter silence“ allerdings hervorragend. Und was für ein Opener das ist: Furiose Riffs treffen auf rasende, nach vorne peitschende Drums, die selbst im Midtempo nichts von ihrer Wucht verlieren. Die variablen Vocals zwischen angerissenen Growls und fiesem Schreien fräsen sich unerbittlich in die Gehörgänge, bis das erste echte Break hin zu einem ruhigen, ausdifferenzierten Part einen wichtigen Kontrapunkt setzt. Die im Hintergrund schwebenden Vocals fangen die Stimmung wunderbar ein und der anschließende Wechsel in den erneut furiosen Schlusspart geben diesen gut 11 Minuten schon soviel Futter für Kopf und Herz, wie es in diesem Segment allenfalls Ultha oder (ältere) Secrets of the Moon fabrizier(t)en. Dass dies so gut funktioniert, darf man natürlich auch Mario Dahmen verdanken, der wieder mal einen ausgezeichneten Job bei der Produktion hingelegt hat: Differenziert und dennoch roh genug, um sich sowohl für höhere Weihen zu empfehlen als auch der Basis weiterhin zu schmecken, ist hier die Maxime. Das schleppendere und bitterböse „Black banners“ führt den Hörer noch tiefer in das Album hinein (auch dank der Lyrics, die man sich unbedingt!!! zu Gemüte führen sollte): Ein regelrechter musikalischer Mahlstrom bricht sich hier seine Bahn, leicht angezogenes Midtempo ist das höchste der Gefühle; Hoffnungslosigkeit, Resignation und dennoch eine ungeheure Wut werden in jeder Note transportiert – bis man sich unvermittelt in „A taste of utter extinction“ wiederfindet. Und das groovt dank einer sehr prägnanten Bassarbeit in der ersten Minute ganz ordentlich (darf man das im Black Metal eigentlich: „grooven“?). BELTEZ wären aber nicht sie selbst, würden sie nicht auch hier alsbald wieder für klare Verhältnisse sorgen. Mit einem unglaublichen Gespür für die richtige Mischung aus Aggression und in Musik gegossener Verzweiflung und Wut über die allgegenwärtige Herdenmentalität werden auch diese zehn Minuten so leicht gefüllt, dass man es beinahe nicht glauben kann, wenn der Track zu seinem Ende findet. „The unwedded widow“ ist ein ausgedehntes Zwischenspiel – jedenfalls ist dies zunächst der Eindruck. Denn erneut bricht allzu bald wieder der pure Zorn über den Hörer herein, der durch den repetitiven Vers etwas beinahe Hypnotisches hat. Dieses Gefühl rührt jedoch daher, dass es von richtig guten Synths erzeugt wird, die sich immer wieder über das gesamte Album hinweg verteilt finden und gerade ihrer reinen Untermalungsfunktion wegen für extrem viel Atmosphäre sorgen. Genauso muss das sein! Mit „From sorrow into darkness“ findet nicht nur ein kurzes Interludium seinen wohlverdienten Platz auf der Platte, auch thematisch legt man in den folgenden Tracks einen Schalter um. Nicht, dass sich ab dem Titeltrack „A grey chill and a whisper“ etwas an der musikalischen Ausrichtung ändern würde. Es ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass man durchaus etwas böser klingt. Die schnellen Passagen bestehen nicht mehr nur aus Raserei und ungezügelter Wut, sondern transportieren ein tiefer liegendes Gefühl, das wohl jeder kennt, der seine Kraft aus eben diesen dunklen Kanälen zieht (unabhängig davon, ob man diese dann in positive oder negative Energie umwandelt). Getoppt wird das nur noch von „I may be damned but at least I have found you“: 14 Minuten, die einem wohlige Schauer über den Rücken jagen und das ganze Potential der Band freilegen; das Songwriting ist atemberaubend dicht, reiht Break an Break und arbeitet mit so vielen Tempiwechseln, dass man sich hart an der Grenze zu progressiveren Vertretern im schwarzmetallischen Universum wähnen könnte (ich für meinen Teil wäre nicht böse drum, würde man noch komplexer werden). Der Track ist pure Energie, dunkle und alles verzehrende Energie; eine Flamme, die für Erleuchtung sorgen kann und gleichzeitig alles verzehrt, was ihr zu nahe kommt. Den Abschluss mit „We remember to remember“ hätte es da schon gar nicht mehr gebraucht. Und dennoch fungiert auch dieser Song nicht einfach nur als ausgedehntes Outro, sondern lädt dazu ein, die soeben durchlebte Reise direkt noch einmal anzutreten. Und welch besseres Kompliment kann man einem Album machen, dass nun bereits Durchlauf Nummer 25 erlebt hat und immer noch stärker wird? Eben…
Seien wir abschließend einmal ehrlich: Wir haben in diesem Jahr wirklich keinen Mangel an hochklassigen und noch lange nachhallenden Veröffentlichungen gehabt. Und es macht mich persönlich sehr glücklich, dass sich nun auch BELTEZ mit „A grey chill and a whisper“ in diese Riege einreihen. Ja, das Album ist mit über einer Stunde Laufzeit wirklich herausfordernd und nein, es ist wahrlich kein Easy-Listening-Black Metal. Doch genau das ist es, was ich heutzutage auch erwarte, wenn Musiker ihre Kunst wirklich ernstnehmen: Dass sie schlüssige Alben erschaffen, die mitreißen; die eine Geschichte erzählen – oder die schlicht und ergreifend in ihrem Songwriting so gut sind, dass es völlig egal ist, ob das Album nun 35 oder 65 Minuten dauert. Songs aneinanderreihen ist keine große Kunst und ja, auch das kann sehr kurzweilig sein. Nur ist das Wenigste davon wirklich erinnerungswürdig. „A grey chill and a whisper“ vereint nun diese drei Kriterien auf das Vortrefflichste und ich bin gleichermaßen als Fan wie auch als Rezensentin sehr, sehr glücklich, dass dem so ist. Das Album ist ein Gesamtkunstwerk im besten Sinne: Sowohl thematisch als auch musikalisch eine Einheit, deren beide Teile auch unabhängig voneinander funktionieren würden. Und ja, ich hätte es mir auch sehr einfach machen und dem Album mit wenigen Worten zu Leibe rücken können und wäre trotzdem bei der gleichen Wertung angelangt, wie sie hier steht. BELTEZ haben nämlich schlicht und ergreifend eines der besten Alben veröffentlicht, die man im zeitgemäßen und bar jeglicher Klischees gelebten Black Metal finden kann. Mit einem Wort: ein MEISTERWERK!!! +++ 10 / 10 Punkten
Übrigens: Den Lyrics liegt eine Kurzgeschichte der einigen von euch sicherlich schon bekannten Autorin Ulrike Serowy (u.a. Arbeiten für Mosaic) zu Grunde. „Black banners“ wird es auch in vertonter Form als digitalen Bonus zur CD- und LP-Version geben. Um hier im Review jedoch noch nicht zu spoilern, wird es dazu ein separates Kurzreview am Tag nach dem offiziellen Release geben.
Erscheinen wird das Album als CD,digital sowie als 12″-Doppel-LP im Gatefold auf schwarzem Vinyl sowie exklusiv im Shop von Avantgarde Music als graues Vinyl. Pre-orders sind natürlich bereits möglich. Am Releasetag gibt es alle Infos rund um die Formate wie gewohnt noch einmal auf der Facebook-Seite von Black Salvation in gebündelter Form.
BELTEZ – A grey chill and a whisper
Black Metal from Germany
Avantgarde Music
Running time: 65:05 minutes
Release date: November 6th, 2020 (all formats)
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Review © 2020 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation