Grundsätzlich würde ich mich ja zu der Sorte Mensch zählen, die musikalischen Anspruch stets höher einordnen, als irgendwelche damit verbundenen Ideologien. Wie ich allerdings schon an anderer Stelle erwähnte, funktioniert das im Black Metal jedoch nur, solange man sich an der blankpolierten Oberfläche der vielen Mainstream-Bands abarbeitet. Um wirklich in den schwarzen Kosmos dieser Tonkunst eintauchen zu können, muss man die Präsenz der Dunkelheit, des absoluten Bösen und einer alles überstrahlenden Negativität körperlich spüren können. Black Metal ist nicht nur eine eigenständige Musikform, sondern eine hochemotionale Angelegenheit, deren Tiefen man sich nicht leichtfertig nähern sollte, wenn man nur auf Unterhaltung oder „den schnellen, bösen Kick zwischendurch“ aus ist. Natürlich ist diese Herangehensweise gerade in Zeiten des medialen Overkills immer auch ein zweischneidiges Schwert, da es beileibe nicht immer einfach ist, ein fast schon perfekt auf den Underground zugeschnittenes Image von wahrer Passion zu unterscheiden. Zum Glück gibt es noch genügend kompromisslose Bands, denen man das Herzblut anmerkt, das aus jeder Note ihrer Musik tropft und eine Aura finsterer Schönheit um ihr Wirken erscheinen lässt. Zu den jüngeren Vertretern dieser Sparte gehören beispielsweise die aus L.A. stammenden CULTUS PROFANO, die seit 2016 aktiv sind und in dieser Zeit eine EP sowie ihr 2018er Debüt veröffentlicht haben, das schon für einige sehr gute Resonanzen sorgen konnte. Konsequenterweise hat man sich dem Old School Black Metal verschrieben, ohne jedoch völlig das Hier und Heute aus dem Auge zu verlieren, wie man auf dem in wenigen Tagen erscheinenden zweiten Album „Accursed possession“ zu hören bekommt.
Das fängt schon bei der sehr organisch klingenden Produktion an, die trotz der überbordenden Kälte einen sehr warmen und natürlichen Klang besitzt und damit die Immersion in die Musik sehr einfach macht. Natürlich sprechen wir hier immer noch von Black-Metal-Maßstäben, von einem hochdifferenzierten Mix ist selbstverständlich keine Rede. Nicht jedes Riff ist glasklar zu erkennen und auch die Becken sind meistens eher am Rande wahrnehmbar, und dennoch verfügt der Sound an sich über gehörig Druck, wie ihn die „modernen“ Hörgewohnheiten erwarten lassen. Zum Glück, denn somit entfaltet sich die Durchschlagskraft der sieben Tracks von Beginn an. So steigt man in den Opener „Cursed in Sin, Op. 25“ mit einem fast schon klassischen Totenglockenintro ein, bis das erste Riff dem Hörer auf einen Schlag bewusst macht, dass ihn hier nicht nur der Tod erwartet, sondern eine eiskalte Verdammnis, die sich durch Mark und Bein zieht. Obwohl man eher in den gemäßigteren Gangarten unterwegs ist – schnell, aber nicht blastig – baut man zusätzliche Atmosphäre auf, die die Gesamtpalette der Einflüsse bestens untermauern. Alte norwegische Schule steht hier selbstverständlich Pate, ohne jedoch als dominierender Part zu fungieren. So atmet das zunächst schleppende „Devoted to the black horns, Op. 16“ zu Beginn jede Menge italienische Horror-Atmosphäre, bevor man das Tempo etwas anzieht und den südländischen mit dem nordländischen Kosmos verbindet. Gerade dieser Abwechslungsreichtum ist eine große Stärke im Songwriting des Duos, was gerade in den Tempiwechseln ausgezeichnet zum Tragen kommt, funktionieren diese doch schon beinahe unheimlich präzise. Dass diese neun Minuten daher wohlige Schauer aussenden, sollte also nicht weiter verwundern. Eine ganze Ecke schneller geht man anschließend in „Upon a tomb of sacrilege, Op. 24“ zugange, das mit seinem furiosen Riffing der sowieso schon allzeit spürbaren Kälte noch eine Spur mehr davon abnötigt. Bemerkenswert ist auch hier die bitterböse Garstigkeit, die sich im etwas getrageneren Mittelteil entfaltet. So etwas habe ich in dieser Inbrust in diesem Jahr noch nicht gehört. Großartig! Dass sich der Siebenminüter „Towards the temple of darkened fates, Op. 19“ da ohne Schwierigkeiten einreihen kann, sollte spätestens jetzt jedem klar sein – unabhängig davon, ob es der erste oder der zehnte Hördurchlauf ist. Mit äußerst präziser Treffsicherheit schneidet man sich seine Bahn durch Tempiwechsel und kleine Breaks, die einem die gerade noch so vorhandene Luft zum atmen nehmen und einfach nur noch mit sich in den Abgrund reißen will. „Within a coven of shadows, Op. 21“ erwartet den bis dahin Gekommenen dort, nur um ihm den letzten Rest Lebenswillen zu rauben un ihn stattdessen mit schierer Hoffnungslosigkeit zu füllen. Extrem gut zum Tragen kommt (wie auch auf dem Rest des Albums) der leichte Hall auf den Vocals, die trotz des klassischen Black-Metal-Keifens niemals aufgesetzt wirken, sondern punktgenau an den richtigen Stellen sitzen. Mit „Tenebris venit, Op. 23″ läutet man die erste Phase des Albumendes ein: Erneut schleppend, düster und drückend bahnt man sich seinen Weg weiter durch sämtliche morastigen Abgründe menschlichen Seins, nur um im Schlusstrack einen wahren Höllenschlund infernalischen Feuers zu entfachen. „Crown of hellfire, Op. 11“ ist daher genau das; die Krönung eines außergewöhnlich starken Hörerlebnisses. Dass man sich zudem einen der schnellsten Tracks für den Abschluss aufgespart hat, ist nicht nur hinsichtlich der Dynamik sinnvoll, sondern auch taktisch klug: Denn sobald der letzte Ton verklungen ist, MUSS man einfach einen neuen Durchlauf starten. Und das muss man im aktuellen Black Metal alter Schule erst einmal hinbekommen. Punkt!
Je älter ich werde, desto öfter überlege ich, was mich nach 27 Jahren Black Metal immer noch so unglaublich daran zu faszinieren vermag. Die Antwort darauf findet sich diesmal in Form von „Accursed possession“: Nicht nur hat das US-Duo CULTUS PROFANO eines der besten Alben im Genre in diesem Jahr veröffentlicht, sondern auch eine neue Wegmarke in die Landschaft der schwarzen Tonkunst geschlagen. Denn so voller Inbrunst, songwriterischer Abwechslung und packender Atmosphäre war schon lange kein Album mehr im OSBM. Garstigkeit und Perfektion gehen hier Hand in Hand, so dass dem Underground erneut bewiesen wird, wie wichtig eine gute Produktion ist, um eine vollständige Immersion zu schaffen. Wer sich dieses Album entgehen lässt, dem fehlt es wahrlich an wahrer Passion für diese Art der Musik! PFLICHTKAUF!!! +++ 9 / 10 Punkten
Erscheinen wird das Album via Debemur Morti Productions als CD, digital, als auf 50 Stück limitiertes Tape sowie als 12″-LP auf schwarz/rotem Splatter-Vinyl. Pre-orders sind bereits möglich. Am Releastag wird es alle Infos rund um die Formate wie gewohnt noch einmal auf der Facebook-Seite von Black Salvation geben.
CULTUS PROFANO – Accursed possession
Black Metal from the United States
Debemur Morti Productions
Running time: 46:35 minutes
Release date: August 28th, 2020 (all formats)
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Review © 2020 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation