Als Kind der ausgehenden Achtziger konnte ich den Death Metal in seiner ersten Hochzeit erleben, sowie seinen raschen Niedergang. Damals bekam ich relativ viel Zeug auf Tapes überspielt (so wie ja eigentlich die meisten) und in meinem jugendlichen Übermut erzählte ich jedem, der es nicht hören wollte, Death Metal ist am Ende. Die Bands fingen langsam zu experimentieren an, verabschiedeten sich von der Rohheit und der Wildheit der frühen Veröffentlichungen, Plattenfirmen pushten plötzlich jede Holzfällerhemd tragend Combo (Grunge, igitt!) und in Norwegen entstand das, was wir heute als zweite Black-Metal-Welle kennen und lieben. Death Metal schien endgültig tot zu sein, und nur die größten Optimisten glaubten noch daran, dass es ein Wiedererstarken geben würde. Man kannte bis dahin kein Genre, dass, nachdem es einmal in der Versenkung verschwunden war, es wieder nach oben geschafft hat. Der klassische Heavy Metal kam als erstes wieder, Black Metal erneuerte sich innerhalb eines Jahrzehnts gleich zweimal und im gleichen Atemzug sprach man auch vom Old-School-Thrash-Revival. Der gute, alte Death Metal ließ sich jedoch Zeit bis um ca. 2010 herum, ehe er wieder zu erstarken begann – und heute stärker ist, als jemals zuvor. Die Bandbreite reicht dabei vom Old-School-Getrümmer bis hin zu soundmäßig offenen Truppen wie Chapel of Disease, Venenum oder Sweven, die ihre Siebziger-Einflüsse intelligent mit krachendem Death Metal verweben. Ich mag es an anderer Stelle schon öfters erwähnt haben, wiederhole mich jedoch gerne erneut: Die heutige Death-Metal-Szene ist stärker und die Alben besser als vor dreißig Jahren. Das mag für viele ein Sakrileg sein; da ich diese Zeit jedoch miterlebt habe, mag man mir diese kleine Anwandlung von Arroganz verzeihen. Dies bringt mich nun dazu, mich mit dem zweiten Album der heimischen Death Metaller ASPIDIUM auseinanderzusetzen. Dieses ist „Harmagedon“ betitelt und soeben in Eigenregie veröffentlicht worden.
Was natürlich sofort ins Auge fällt, sind die deutschen Texte. Und ja, jetzt höre ich schon den einen oder anderen frustriert ächzen und schmerzvoll stöhnen, befindet man sich damit doch immer auf dem schmalen Grat zwischen Peinlichkeit und Belanglosigkeit. Nur die wenigsten Bands schaffen es zudem, dass sich das Ergebnis nicht wie Neue Deutsche Härte goes Death Metal anhört. Et voila: ASPIDIUM gelingt dies hervorragend. Denn das leicht angeschwärzte Songmaterial mag zwar hier und da etwas zu generisch ausfallen, jedoch wird das durch eine immense Spielfreude und Wucht im Sound wieder wettgemacht. Zudem ist auch die Produktion schön drückend, ohne einen Hauch von Poliertheit aufzuweisen. Jedes Instrument ist kraftvoll herauszuhören, das Sahnehäubchen sind allerdings die meistens gut verständlichen, zwischen Growlen und Schreien pendelnden Vocals, denen man die durch die Lyrics transportierte Wut jederzeit abnimmt. Und diese Lyrics sind in der Tat die ganz große Stärke: Die Welt am Abgrund im rollenden Opener und Titeltrack „Harmagedon“ sowie im folgenden, ordentlich an Geschwindigkeit zunehmenden „Welt vorm Kollaps“, Warnung vor dem braunen Sumpf in „Gleichschritt Marsch“, die Auseinandersetzung mit in physischer Gewalt kulminierenden psychischen Krankheiten in „Tödliche Begierde“, bittere Gesellschaftskritik in „Scheinwelt“, Depression und Apathie in „Elegie“, Religionskritik in „Falscher Prophet“ sowie das Ende nach Allem in „Monochrom“. Jetzt sollte man jedoch nicht den Fehler begehen und denken, dass man einfach mal alles, was derzeit auf der Welt schiefläuft, in den Textmixer geschmissen und kräftig durchgerührt hat. So einfach die Texte auch geschrieben sind, so ist die Bitterkeit dennoch aus jedem einzelnen Wort herauszulesen. Und genau das bringt mich zurück zu der doch sehr weitschweifigen Einführung oben: Wo die (ehemaligen) Death-Metal-Bands der Mittneunziger ihre Sozialkritik in oftmals unhörbare, pseudomoderne Form zu verpacken suchten, geht eine Band wie ASPIDIUM den Thrash-Weg, ohne jemals Thrash zu sein – angepisste Musik mit angepissten Lyrics in einem düsteren und wütenden Soundgewand. Ich fühle mich zuhause – selbst wenn es im Grunde andere Bands sind, die den „wahren“ Death Metal für mich verkörpern.
Ich könnte jetzt lang und breit darüber schwadronieren, wie relevant gesellschaftskritische Texte auch im heutigen Death Metal noch sind – doch das spare ich mir, da die genannten Ausführungen für sich selbst sprechen. Sicherlich gewinnt man musikalisch keinen Originalitätspreis, was jedoch überhaupt nicht negativ gemeint ist, schließlich ist der tempomäßig abwechslungsreiche, oft angeschwärzte Death Metal rein vom Songwriting her sehr gelungen und klingt ziemlich oft wie eine fiese Mischung aus Bolt Thrower und alten Belphegor, wozu auch die recht spartanisch verfassten Lyrics beitragen. Wer sich in dieser Schnittmenge wohlfühlt und gleichermaßen intelligente wie angepisste Lyrics zu schätzen weiß, der wird mit ASPIDIUM’s „Harmagedon“ ein extrem wertiges Album genießen dürfen. KAUFEMPFEHLUNG!!! +++ 8 / 10 Punkten
Erschienen ist das Album als schicke Digipack-CD sowie digital, beides zu beziehen über Bandcamp bzw. den eigenen Shop auf der Homepage.
ASPIDIUM – Harmagedon
Death Metal from Germany
Independent
Running time: 35:52 minutes
Release date: April 18th, 2020 (all formats)
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Review © 2020 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation