Atmospheric Black Metal hat mir lange Zeit ziemliche Bauchschmerzen bereitet – und tut dies auch heute noch oft. Bezeichnete man von Mitte bis Ende der Neunziger vor allen Dingen den Stil von Bands wie Summoning so, änderte sich dies, als sich vor allem im US-Black-Metal der Stil in Richtung Cascadian Black Metal verschob. Und der hatte bekanntermaßen einen gehörigen Impact auch auf viele Bands in Europa, die diese Richtung für sich adaptierten, mit Naturmystik unterlegten, um daraus ziemlich versponnene Werke zu „kreieren“, die mit dem Kern „Black Metal“ meistens nicht mehr viel zu tun hatten. Seit sich jedoch vermehrt auch zahlreiche Post-Elemente in dem Sound vieler Bands wiederfinden, hat sich dies grundlegend verändert. Und hier komme nun auch ich, respektive Black Salvation ins Spiel, da ich diesem „Post“-Zusatz ja nicht grundlegend ablehnend gegenüberstehe (jetzt dürfen mich die Gatekeeper wieder hassen!). Solange das Fundament auf Black Metal – oder eben Post-Black Metal aufbaut, finde ich den Stil sogar ziemlich reizvoll. Und das macht eine Band wie die Hessen HARVST so interessant für mich, die im vergangenen Dezember ihr Debüt „Narbenhain“ in Eigenregie veröffentlichten und in ihrem Sound all die soeben genannten Vorzüge vereinen.
Was schon beim ersten Durchlauf des Albums auffällt, ist das lockere, unverkrampfte Songwriting: Die Tracks bauen sich Schicht für Schicht auf, pendeln zwischen gemächlichem Midtempo und schnelleren Passagen und sind vor allen Dingen weitab von irgendwelchen verschwurbelten Klischees. Selbst wenn man es nicht sofort heraushört, ist die Erfahrung, die die eine Hälfte des Duos in seinem anderen Projekt Frostreich sammeln konnte, durchaus zu spüren. Die Post-Anleihen im Sound von HARVST kommen somit nicht von ungefähr. Das Zusammenspiel mit dem Black-Metal-Unterbau funktioniert ausgezeichnet, so dass sich auch die harschen Vocals wunderbar einfügen. Ein weiterer positiver Aspekt ist der Umstand, dass die Songs mit jedem Durchlauf weiter wachsen. „Narbenhain“ ist kein Album, dass sich dem Hörer vom Start weg erschließt. Es ist ein Grower und entfaltet seine ganze Klasse erst nach einer Handvoll Durchläufe, worüber sich jeder Intensivhörer freuen dürfte, denn genau darauf hat es das Duo womöglich auch abgesehen. Gerade weil hier nichts verkopft ist, macht das umso mehr Spaß – etwas, was vergleichbare Bands eher selten hinbekommen. Nicht vergessen sollte man die Produktion, denn auch die fügt sich harmonisch ins Gesamtkonzept ein, ist sie doch kristallklar und dennoch mit genügend Druck ausgestattet, so dass jeder neue Hördurchlauf angenehm durch die Ohren fließt. Was zumindest ich sehr zu schätzen weiß, da solche Alben mehrmals hintereinander durch meine Boxen rauschen. Well done, Boys! Well done…
Zu den aggressivsten Vertretern ihrer Art gehören HARVST nun wirklich nicht – was einerseits zwar schade ist, auf der anderen Seite jedoch durch das großartige Songwriting mehr als nur ausgeglichen wird. Das Duo verschafft dem Hörer eine angenehm audiophile Reise in den Atmospheric Black Metal, wie man sie in dieser Qualität nicht unbedingt häufig zu hören bekommt: Straight, aber nicht stumpf – herausfordernd, aber nie verkopft – und am wichtigsten: immer songdienlich wird hier musiziert, ohne dass man dabei in Easy-Listening-Atmospheric-Geschwurbel abdriftet. Im Gegenteil: „Narbenhain“ wird jeden Hörer entzücken, der eine musikalische Gratwanderung von treibendem Atmospheric Black Metal zu Post-Black Metal reizvoll findet. Und davon sollte es mehr als genug geben… Ich für meinen Teil bin sehr begeistert! KAUFEMPFEHLUNG!!! +++ 8 / 10 Punkten
Das Album ist erhältlich über die Bandcamp-Seite der Band, und zwar als schickes, auf 300 Exemplare limitiertes Digipack sowie digital.
HARVST – Narbenhain
Atmospheric Black Metal from Germany
Independent
Running time: 47:54 minutes
Release date: December 13th, 2019 (all formats)
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Review © 2020 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation