Auch in der heutigen Zeit, in der man durch den medialen Overkill immer recht schnell an Informationen gelangt, verweigern sich einige Künstler trotz Nutzung gerade der sozialen Medien konsequent einer Vereinnahmung durch diese, indem man ausschließlich die Musik für sich sprechen lässt und sich ansonsten eher sehr zurückhaltend oder sogar mysteriös gibt. Zur letzten Kategorie zählen die Norweger NATTVERD, die keinen Wert auf das Bekanntwerden der Figuren dahinter oder etwaiger weiterer bzw. Ex-Bands legen. 2017 legte man aus dem Stand ein recht ordentliches Debüt vor, schob letzten März eine EP hinterher und steht nun mit Album Nummer Zwei in den Startlöchern, das schlicht und einfach auf den Namen „Styggdom“ hört und erneut klassischen norwegischen Black Metal bietet.
Dankenswerterweise hat man daher auch den Sound wieder relativ roh belassen. Relativ, da die Produktion dennoch ziemlich differenziert ausgefallen ist, und man somit ohne Weiteres hinter die Songstrukturen blicken kann. Die sind in erster Linie straight nach vorne ausgerichtet: Trotz zahlreicher Breaks und Tempiwechsel zählt hier in erster Linie das Up- bzw. angezogene Midtempo zu den Lieblingsregionen der Musiker. Dem Songwriting zugute halten kann man auch, dass man nicht willkürlich die Tempi ändert, sondern diese fließend ineinander übergehen lässt, was seit jeher prägend für den norwegischen Sound ist. Auch einen gewissen „rockigeren“ Touch kann man in dem einen oder anderen Track finden, was für gehörig Dynamik sorgt, jedoch keineswegs an der transportierten Düsternis kratzt (Taake oder Carpathian Forest lassen grüßen). Dazu tragen auch die sehr seltenen Synth-Einsätze bei, die man gelegentlich als Intros zu Songs verwendet und die durchaus auch als eigenständige Elemente bestehen könnten. Man versteht also sein Handwerk. Und lässt diesem freien Lauf im zentral gesetzten „Heksebrann“, dass die Spannbreite des Bandsounds souverän in einen Neuneinhalb-Minüter packt und im Grunde den Höhepunkt des Albums darstellt. Was allerdings nicht bedeutet, dass die anderen Songs dagegen abfallen, sind doch auch diese durchaus spannend und ergeben im Albumkontext Sinn. Vor allem, da man nach wie vor relativ unberechenbar von Raserei zu bitterbösen, langsamen Passagen wechselt und den Spannungsbogen somit bis zum Schluss aufrecht erhält.
Es gibt im Grunde nur zwei Punkte, die mich an „Styggdom“ stören: Das etwas zu früh gesetzte „Heksebrann“ sowie die lange Spielzeit von fast einer Stunde. Unabhängig davon, wie gut das Songwriting ist und wie gut die Songs als solche funktionieren – fünfzehn bis zwanzig Minuten kürzer, den genannten Track als Closer und das Album wäre perfekt gewesen. Doch auch so bleibt der Eindruck bestehen, dass mit NATTVERD eine begabte Band am Start ist, die dem Black Metal zwar keine neuen Impulse geben kann, aber dafür zu den wenigen Bands gehört, die die zweite Welle authentisch auch im neuen Jahrtausend weitertragen können. KAUFEMPFEHLUNG!!! +++ 8,5 / 10 Punkten
Schon jetzt kann man sich das Album im Webshop des Labels als Pre-order sichern. Erscheinen wird es als CD, digital und als 12″-Doppel-LP auf schwarzem Vinyl (250 Exemplare) sowie auf milchig-transparentem Vinyl (250 Exemplare). Alle Infos dazu gibt es am Releasetag selbst noch einmal auf der Facebook-Seite von Black Salvation zu lesen.
NATTVERD – Styggdom
Black Metal from Norway
Osmose Productions
Running time: 56:34 minutes
Release date: January 31st, 2020 (all formats)
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Review © 2020 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation