Dass Schweden ein Füllhorn an Kreativität ist, dürfte mittlerweile ja auch im hintersten Winkel des verbortesten Undergrounds angekommen sein, so dass es heutzutage fast schon unmöglich ist, noch irgendjemanden mit dieser Aussage hinter dem Ofen hervorlocken zu können. Fast – denn ab und an taucht dann doch immer mal wieder eine Band auf, deren kreativer Output neue Maßstäbe für das jeweilige Genre setzten kann. So auch die aus Malmö stammenden JORDABLOD, die 2017 mit „Upon my cremation pyre“ ein Debüt vorlegten, dass schon relativ weit ab von vielen Black-Metal-Standards war und in der Szene für mehr als nur anerkennend runtergezogene Mundwinkel sorgen konnte. Auch wenn es längst nicht mehr ungewöhnlich ist, wenn Bands mit genrefremden Einflüssen spielen, so sorgt die Einarbeitung dieser Einflüsse in ein ansonsten recht enges Korsett für eine gehörige Erweiterung desselben und hebt die Künstler deutlich aus dem ganzen Wust an Monat für Monat erscheinenden Veröffentlichungen hinaus. Im Black Metal ist dies sogar noch seltener als im Death Metal, was JORDABLOD derzeit zu einem gewissen Alleinstellungsmerkmal verhilft, reichen die verwendeten Stilelemente doch vom Black Metal über Death Metal, Post-Punk, Siebziger-Hard-Rock bis hin zu beinahe schon folkig zu nennenden Songstrukturen. Wurden diese bereits auf dem Debüt gekonnt in die jeweiligen Songs integriert, so treibt man dies auf dem Ende Januar erscheinenden Zweitling „The cabinet of numinous song“ auf die Spitze.
Bei den ersten Durchläufen fällt dann auch direkt auf, dass man dankenswerterweise darauf verzichtet hat, all diese Einflüsse allzu scharf voneinander abzugrenzen, so dass man den einen Song nicht auf diesem, den anderen auf jenem Grundgerüst errichtet – alles fließt wunderbar ineinander. So könnten die ersten zwei Minuten des Openers „A grand unveiling“ auch auf einem Siebziger-Prog-Album stehen, so ruhig und klar beginnt dieser. Der folgende Ausbruch ist weder eindeutig Black- oder Death Metal, sondern etwas dazwischen, da sich das Riffing beider Welten bedient. Unterbrochen von einem ruhigeren Mittelteil, fällt hier gleich auf, dass trotz des relativ rauen Klangbildes besonders die Gitarrenspuren sehr gut zu vernehmen sind, egal wie verzerrt sie auch sein mögen. Außerdem hat man hierbei ebenfalls darauf verzichtet, sich auf eine einzige dominierende Klangspur zu stützen, was für viel Dynamik innerhalb der Songs sorgt. So sind „The two wings of becoming“ und „Hin ondes mystär“ gleich zwei sehr druckvoll nach vorne treibende Tracks, deren Leads jedesmal aufs Neue aufhorchen lassen und in denen man immer wieder Kleinigkeiten entdeckt, die man zuvor überhört hat. Ärgerlich hinsichtlich der Produktion ist im Grunde nur, dass die Drums etwas zu dünn klingen; besonders der Beckensound ist für meinen Geschmack gerade in den wütenderen Momenten zu undifferenziert, wenn auch hörbar. Das jedoch ist schnell vergessen, sobald „The beauty of every wound“ aus den Boxen schallt: Eingeleitet mit einem einfachen Akustik-Intro schwenkt der Track schnell in ein nach vorne drückendes Black- / Death- / Post-Punk- / Retro-Rock-Monster, das mit zu den stärksten Einzelsongs zählt, die man seit langer Zeit gehört hat und definitiv Hitpotenzial besitzt. Alleine dafür würde sich die Anschaffung des Albums schon lohnen! Wer es nicht glaubt, höre bitte selbst:
Doch auch die folgenden „Blood and rapture“ sowie der Titelsong „The cabinet of numinous song“ sind nicht weniger stark, treten hier doch einerseits die folkigeren Elemente etwas mehr in den Vordergrund, andererseits fallen die Stilverschiebungen nun ein wenig krasser aus, obwohl man sich natürlich nach wie vor nicht klassifizieren lässt. Als ziemlich selbstbewusst darf man zudem die Tatsache anerkennen, dass der Titeltrack rein instrumental und zur Hälfte akkustisch ( !! ) ist. Erstaunlicherweise reißt dies den Hörer jedoch nicht aus der Immersion, sondern lässt ihn sogar noch ein wenig mehr eintauchen, da man somit gerade die erste Hälfte etwas bewusster wahrnimmt. Generell fällt die zweite Albumhälfte (oder die B-Seite, wenn man so will) etwas experimenteller und weniger straight aus, was eine intensive Beschäftigung mit den Songs erfordert. Der Albumcloser „To bleed gold“ schließt auf gewisse Weise den Kreis, da hier sowohl Energie als auch ruhigere Momente ihren Platz haben. Und ich frage mich an dieser Stelle ernsthaft, warum nicht viel mehr Bands den Mut haben, ihren Einflüssen den nötigen Raum einzuräumen und so wirklich abwechslungsreiche Musik zu erschaffen… Großartig!!!
Es ist höchst bemerkenswert, wie weit sich manche Bands von den Wurzeln ihres Genres entfernen können und damit der ursprünglichen Intention näher sind, als so manche „Trve-okkult-evil-Old-School-Worshipping“-Truppe: die Weiterentwicklung der Stilrichtung in neues, noch nicht erforschtes Terrain und in neue Extreme. Dass diese nicht unbedingt im „Höher-schneller-weiter“ oder „extremst-unterproduziert-Spektrum“ zu suchen sind, beweist mehr als deutlich das stilistisch variantenreiche und im Kern doch immer als Black-Metal-Album erkennbare „The cabinet of numinous song“. Die Varianz der Einflüsse trägt dem Anspruch der Musiker und vieler Hörer Rechnung, unvorhersehbar und aufregend zu bleiben und die Musik auf das jeweils nächste Level zu hieven. JORDABLOD sind ein Paradebeispiel dafür, dass Originalität und Abwechslung keinesfalls konträr zu den Ursprüngen des Genres stehen müssen. Ich bin schwerstens begeistert! PFLICHTKAUF!!! +++ 9 / 10 Punkten
Ab dem Releasetag wird das Album sowohl im Webshop des Labels als CD und 12″-LP sowie digital via Bandcamp erhältlich sein. Alle Infos und Links dazu findet ihr dann wie gewohnt noch einmal auf der Facebook-Seite von Black Salvation.
JORDABLOD – The cabinet of numinous song
Black Metal from Sweden
Iron Bonehead Productions
Running time: 42:57 minutes
Release date: January 24th, 2019 (all formats)
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Review © 2019 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation