Es gibt wohl wenige andere Black-Metal-Bands, die ein solch hohes Maß an Experimentierfreude an den Tag legen wie die Franzosen BLUT AUS NORD: Ob nun Atmospheric, Avantgarde oder Industrial Black Metal, immer wieder durchsetzt von Dark-Ambient-Elementen – die Spannbreite an musikalischer Extravaganz ist in den 25 Jahren Bandexistenz immer weiter gewachsen, auch wenn sich stets klar erkennbare Black-Metal-Strukturen finden ließen. Besonders die „777“-Trilogie sowie die beiden darauffolgenden Alben machten es den Fans nicht einfach und benötigten immens viel Zeit, um sich den nötigen Zugang zu ihnen zu erarbeiten. Mit dem im Oktober erscheinenden dreizehnten (!) Album „Hallucinogen“ beginnt nun eine neue Reise, hat man doch das auf dem Vorgänger noch vorhandene Kapitel elektronische Elemente dort beendet und fokussiert sich nun wieder viel stärker auf zwar modern wirkenden, aber dennoch sehr treibenden Black Metal. Doch gehen wir dafür einmal mehr etwas ausführlicher ins Detail.
Rein äußerlich fällt natürlich zunächst das für Bandverhältnisse sehr bunte Cover auf, dessen kräftige Farben man in dieser Form auch eher nicht gewohnt ist. Jedoch stellt es bereits einen Bezug zum Titel her und schürt die Erwartungen auf ein weiteres experimentelles Album. Dies stellt allerdings einen großen Irrtum dar, ist doch bereits der Opener „Nomos nebuleam“ ein extrem nach vorne treibendes Stück Musik, dessen Tempo und Rhythmus wie eine Mischung aus Atmospheric Black Metal und rockigeren Sounds wirkt. Wären da nicht die nur spärlich eingesetzten Vocals sowie die durchaus spacig arrangierten Gitarrenspuren, man käme in Versuchung, eine andere Band dahinter zu erwarten. Die knackige Produktion tut ihr Übriges, um dieses Bild zu vervollkommnen. Apropos Vocals: Typisches Black-Metal-Gekeife findet sich nur äußerst selten und dann auch nur sehr dezent in den Mix eingefügt. Klare und chorale Gesänge haben hier die Oberhand, was zu spannenden Songaufbauten führt, da die Instrumentalfraktion eindeutig dominiert. Man höre dazu nur das auf den Opener folgende „Nebeleste“, das wie dessen logische Fortsetzung klingt und das Tempo stellenweise auch etwas zurücknimmt, um Atmosphäre aufzubauen, was insbesondere durch den sehr ruhigen Part in der Mitte äußerst gut gelingt. Mit „Sybelius“ folgt schließlich ein Track, der wie die Kulmination aus den ersten beiden Songs klingt: Im oberen Midtempo zügig nach vorne ziehend, intensive und ausdrucksstarke Leads, interessante Vocals und eine über allem schwebende, dichte Wolke aus spacig anmutendem 70er-Jahre Flair, drogenschwanger und fern jeglicher Realtität. Quasi der den Albumtitel wohl am stärksten interpretierende Song. Denn nun findet ein Umschwung statt: Die Songs werden bodenständiger und sind näher am klassischen Atmospheric Black Metal orientiert. „Anthosmos“ ist dabei das brutale Herausreißen aus dem Drogenrausch, dessen halluzinierende Nachwehen immer noch spürbar sind und ein ganz besonderes Soundgebilde kreieren. Was auf den ersten Blick wie ein Bruch im Songwriting wirken mag, entpuppt sich jedoch schnell als eine Musik gewordene Erfahrung, die Realität und Fiktion miteinander verschmelzt. Der Wandel hin zum puren Black Metal wird dabei immer stärker betont, ist das folgende „Mahagma“ doch beinahe reinrassiger Atmospheric Black Metal, wie man ihn aus den Anfangstagen der Band kennt. Natürlich sind die Songstrukturen immer noch extrem outstanding und fern von irgendwelchen Genrestandards, ein relativ klarer Fokus ist dennoch vorhanden. So verschmilzt man in „Haallucinählia“ beide Welten miteinander und sorgt so für ein außergewöhnlich intensives Erlebnis, das für sich alleine stehend noch lange nachklingt und die perfekte Vorbereitung für den Albumcloser „Cosma procyiris“ darstellt, der die Experimentierfreude der Band hinsichtlich der Gitarrensounds sowie das Einbinden dieser in ein düsteres und außerirdisch schönes Klangbild in einen Kosmos voller Fremdartigkeit und Vertrautheit unter Beweis stellt. Was für ein Abenteuer, was für ein Album!
Ich muss ehrlich zugeben, dass mich kein anderes Album in diesem Jahr so sehr überrascht hat, wie „Hallucinogen“. Erwartet hatte ich ein weiteres, relativ düsteres Werk voller überraschender Spielereien, die sich kaum kategorisieren lassen. Bekommen habe ich dafür ein Album, das in seiner Grundstruktur sehr rockig und gleichzeitig extrem atmosphärisch wirkt und das man beinahe leicht zugänglich nennen kann. BLUT AUS NORD liefern hier ein weiteres Meisterstück ab, dessen Intensität im Songwriting absolut outstanding ist und mit zum Besten gehört, was ich dieses Jahr gehört habe. Und das will etwas heißen. Ein grandioses, zeitloses Stück Black Metal. PFLICHTKAUF!!! +++ 9 / 10 Punkten
Das Album wird sowohl auf CD als auch auf Vinyl erscheinen, und zwar als schwarze 12″-Doppel-LP im Gatefold. Digital ist es bereits seit dem 20.09. vollständig erhältlich. Pre-orders können entweder direkt auf Bandcamp oder im Webshop des Labels getätigt werden. Alle Infos gibt es noch einmal am Releasetag auf der Facebook-Seite von Black Salvation.
BLUT AUS NORD – Hallucinogen
Black Metal from France
Debemur Morti Productions
Running time: 48:56 minutes
Release date: September 20th, 2019 (digital) / October 11th, 2019 (CD & LP)
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Review © 2019 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation