Zu den interessantesten und auch intensivsten Black Metal-Releases der letzten beiden Jahre gehörte 2017 mit ziemlicher Sicherheit „Transparent to the world“ von BLYH, die neben weiteren aufstrebenden Acts wie Beltez, Ius Talionis, Magoth oder Nornir von Null auf Hundert durchstarten konnten. Das zunächst nur digital sowie auf Tape veröffentlichte Album konnte direkt viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen und wurde sowohl in Online- wie auch in Print-Magazinen mit beachtenswerten Rezensionen bedacht. Auch ich war bereits nach dem ersten Durchlauf sehr begeistert und bis heute läuft das Album regelmäßig in meiner Anlage, ungefähr im Wochentakt. Der aggressive Grundsound sowie die intelligenten Texte, die alles andere als klischeebelandene und schon zu oft im Genre behandelte Themen behandelten, machten den großen Reiz aus, dem man sich einfach nicht entziehen konnte. Oder viel mehr kann: Denn wer eine solch grandiose Vorlage liefert, auf dessen nächste Veröffentlichung wird dementsprechend sehnsüchtig gewartet.
„Awake to emptiness“ heißt nun dieser nächste Streich und das Album ist erneut – um die Neugier an dieser Stelle schon einmal zu befriedigen – wieder großartig geworden! Gerade die für mein Gefühl ein wenig rauher belassene Produktion steht dem Release ausgezeichnet, da keinerlei Abstriche hinsichtlich der Heraushörbarkeit von einzelnen Parts festzustellen sind. Jedes Riff, jeder Ton kommt klar nuanciert aus den Boxen und besonders die im Vergleich mit dem Debüt etwas fieseren Vocals runden diesen ersten Gesamteindruck positiv ab.Apropos Vocals: Die Lyrics sind nach wie vor sehr anspruchsvoll trotz ihrer relativen Kürze (jeder kennt schließlich Bands, deren Texte extrem umfangreich sind, aber dennoch nichts aussagen) und lose miteinander verknüpft. Besonders Opener und Closer bilden dabei den Rahmen, obwohl sich das weder auf den ersten oder zweiten Blick erschließt. Was ebenfalls sehr erfreulich ist: Konnte man sich in das Debüt noch einigermaßen zügig reinhören, so ist „Awake…“ nun ein Paradebeispiel dafür, dass die Weiterentwicklung eines Bandsounds nicht zwangsläufig bedeuten muss, komplexer und unhörbarer zu werden, sondern dass man sich ernsthaft um ein vielschichtigeres Soundbild bemüht, dieses jedoch nicht unzugänglich gestaltet.
Versteht das nicht falsch: Natürlich kann man das Album auch einfach in die Anlage schmeißen und unkompliziert ein geiles Black Metal-Album genießen. Um jedoch wirklich jede kleine Nuance herauszuhören, braucht man Zeit. Bei mir hat es erst beim sechsten oder siebten Durchlauf richtig klick gemacht, als ich merkte, dass Opener und Closer nicht nur lyrisch, sondern auch musikthematisch lose verknüpft wurden. Die Riffs sind dabei etwas anders gelagert, so dass sich keine Wiederholungen ergeben, was meine Partnerin bspw. lakonisch mit „die scheinen ja viel Abigor gehört zu haben“, kommentierte. Auch wenn man sich stilistisch nicht ähnelt (dafür fehlt BLYH das Abigor innewohnende Chaos), so kann man den Vergleich durchaus in dem Kontext sehen, dass man hier großen Wert auf viel Abwechslung im Songwriting gelegt hat. Natürlich gibt es übergreifende Stilelemente wie die stets sehr ruhig endenden Songs, was auch seinen Teil zur Abwechslung beiträgt. Diese Elemente sind jedoch nicht dominant und dienen nur zur atmosphärischen Untermalung des Ganzen. Ebenso die gekeiften Vocals, von denen ich ja im allgemeinen keine große Freundin mehr bin. Hier jedoch passen sie einfach wunderbar ins Gesamtbild, was bei der stilistischen Entwicklung im Genre der letzten zehn, fünfzehn, Jahre auch erst einmal gekonnt sein muss. Und überhaupt: Die eingebauten Tempiwechsel gehören mit zu den besten, die man in dieser Stilrichtung derzeit zu hören bekommt. Von aggressiv bis straight nach vorne treibend über flirrendes Midtempo bis hin zu ruhigeren Momenten ist alles vertreten, was man von einem Release wie diesem erwarten konnte. Die Übergänge dabei sind so fließend gestaltet, dass man oftmals das Gefühl hat, schon in den nächsten Song gerutscht zu sein. Großartig! Wenn ich dem Album eines auzusetzen hätte, dann sind das die stellenweise zu weit in den Vordergrund gesetzten Kickdrums. Die hätte ich mir etwas dezenter gewünscht, was allerdings nur eine rein subjektive Meinung darstellt.
Viele werden jetzt sicherlich schon darauf warten, dass ich wieder einzeln über die Tracks referiere. Das tue ich allerdings diesmal nicht, da man „Awake…“ in seiner Gesamtheit erfassen sollte. Natürlich könnte jeder der fünf Tracks für sich stehen, am besten funktionieren sie aber als Einheit, wozu auch die sehr angenehme Spielzeit von rund 45 Minuten beiträgt. Mit ihrer Länge von jeweils gut sieben bis elf Minuten ist jeder einzelne Song ein Füllhorn an musikalischem Ausdruck; weniger impressionistisch geprägt als noch „Transparent to the world“, dafür jedoch mit viel Aggression versehen. Nicht die Art von aggressiver Schwärze, die dich unweigerlich in die tiefsten Abgründe deines Selbst zieht. Nein, die Aggression hier ist der pure Ausdruck gefühlsmäßigen Hervorbrechens aller Emotionen. Und was ich persönlich bei dieser Art musikalischer Expression äußerst befriedigend finde: Wo andere Bands gerne mal in den DSBM abdriften, bleiben BLYH einfach nur eines: Purer, aggressiver Black Metal!
Ich gebe gerne zu, dass ich extrem hohe Erwartungen an „Awake to emptiness“ hatte. Denn obwohl Black Metal aus Deutschland gerade in den letzten zwei, drei Jahren einen extremen Auftrieb erreichte, schwebt bei jeder neuen Veröffentlichung dennoch immer die Befürchtung mit, dass es ein einmaliges Phänomen bleiben wird. Alben wie dieses jedoch nehmen diesem Gedanken relativ schnell den Wind aus den Segeln, gerade durch die Intensität und Leidenschaft, die man in jeder Note findet. BLYH gehören somit neben zwei, drei anderen Bands zur absoluten Speerspitze der heimischen Szene, was nicht nur durch die relative Unaufgeregtheit, mit der man anscheinend ans Songwriting ging, erreicht wurde, sondern auch durch zwei hervorragende Alben. Als Fan muss man sowieso nicht lange überlegen, um sich das Album zuzulegen; allen anderen sei dieser Release wärmstens ans Herz gelegt. PFLICHTKAUF!!! +++ 9 / 10 Punkten
„Awake to emptiness“ ist ab dem 29.03.2019 als Pre-order im Webshop des Labels erhältlich. Das Album erscheint zunächst auf CD sowie digital und wird später im Jahr noch auf Vinyl veröffentlicht werden. Einer exklusiven Erstauflage von 111 Exemplaren wird zudem ein Logo-Metallpin beiliegen. Außerdem wird es eine US-Version als Tape geben, die sollte allerdings auch nicht allzu schwer zu bekommen sein. Alle Links findet ihr wie gewohnt weiter unten.
BLYH – Awake to emptiness
Black Metal from Germany
The Crawling Chaos Records (CD) / Akashic Envoy Records (US-Tape)
Running time: 44:36 minutes
Release date: April 26th, 2019 (CD, Tape)
The Crawling Chaos Records Webshop
The Crawling Chaos Records Bandcamp
Blyh Bandcamp
Akashic Envoy Records
Review © 2019 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation