ELLENDE – Lebensnehmer

ELLENDE – Lebensnehmer // © 2019 AOP Records / Ellende

Atmospheric Black Metal und Post-Black Metal sind ja nicht gerade meine besten Freunde. Sicher, unter den richtigen Voraussetzungen mag ich die eine oder andere Band (die schließlich auch schon hier auf Black Salvation gefeatured wurden). Aber in beiden Genres fehlt mir die meiste Zeit über eine gewisse Energie oder Atmosphäre. Zu den wenigen Ausnahmen von dieser Regel gehören allerdings ELLENDE, die irgendwo auf der Grenze zwischen aggressivem Atmospheric Black Metal sowie nicht minder energiereichem Post-Black Metal ihren Stil gefunden haben. Ende März erscheint nun mit „Lebensnehmer“ das dritte Album der Österreicher, dass erneut ein verdammt starkes Album geworden ist, soviel sei vorab schon mal verraten. Ein Grund dafür ist die wieder exzellente Produktion, die sich in keinster Weise irgendeine Schwäche gönnt. Druckvoll, nunaciert und mit viel Dynamik versehen, lässt sich jedes Detail ohne große Schwierigkeiten heraushören. Schön auch, dass man die Vocals leicht in den Hintergrund gesetzt hat, so dass diese wie ein zusätzliches Instrument wirken, was dem Ganzen enorm viel Atmosphäre verleiht.

Das kurz gehaltene „Intro“ führt sehr besinnlich mit verhaltenen Klängen in das Album ein und lässt den gewaltigen Sturm, der mit dem Opener „Augenblick“ über den Hörer hereinbricht, langsam einfaden. Schon mit den ersten Takten lässt sich feststellen, dass sich an dem melancholischen Riffing der letzten Releases nichts geändert hat. Und das ist gut so, denn die Tiefe, die damit erreicht wird, sucht nach wie vor seinesgleichen. Auch gehört man immer noch zu der Handvoll Bands, die die genreüblichen akkustischen Passagen so wirkungsvoll in ihre Songs integrieren, dass die vollverstärkten umso brachialer klingen. Brachial ist auch die perfekte Umschreibung für „Die Wege“, dass straight nach vorne treibt und in diesen sieben Minuten eine gewaltige Energie aufbaut. Es ist daher mutig, mit dem folgenden Instrumental „Ein Stück Verzweiflung“ hier einen kleinen Bruch zu setzen, der sich allerdings erstaunlich harmonisch einfügt. „Der Blick wird leer“ setzt weniger auf Aggression, sondern lässt der Melancholie wieder freien Lauf. Das Riffing ist einfach nur wunderschön und das extrem solide Drumming ist für mich persönlich sowieso das i-Tüpfelchen.

Ein Problem bei vielen Atmospheric Black Metal-Bands ist immer eine gewisse Ambient-Komponente: Entweder die Ambient-Parts verwässern das komplette Klangbild oder aber es ist Ambient mit ein paar verstärkten Gitarren. Wie es richtig geht, zeigt „Liebkosung des Eiswinds“, dass ein reiner Ambient-Track inmitten zumeist lauten bis brachialen Metal-Songs ist. Und als Interludium funktioniert dies einfach nur fantastisch, da man so eine kurze Ruhepause hat, bevor es ins letzte Drittel des Albums geht. Und das startet wieder furios mit „Du waerst eine schoene Leiche“: Aggressive Parts wechseln sich mit melancholischen ab und das Drumming ist einfach nur sensationell gut! Wäre dieser Track DIE Blaupause für Post-Black Metal mit atmosphärischen Elementen, dann würden einige Hardliner aus dem puren Black Metal wahrscheinlich ebenfalls mal darüber nachdenken, dass musikalische Klasse wohl doch schwerer wiegt als Pseudo-Trveness. Zumal auch der mit einem wirklich schönen Piano-Intro versehene Schlußtrack „Atemzug“ zeigt, dass gerade ausufernde Neuneinhalb-Minüter voller Emotionen, Melancholie und Aggression soviel Spannung aufbauen können, wie das so manche Band nicht einmal über die komplette Albumdistanz schafft. Ich für meinen Teil kann den Releasetag kaum noch abwarten…

Am Ende muss ich ehrlich zugeben, dass es Alben wie „Lebensnehmer“ sind, die mich von Zeit zu Zeit aus meinem üblichen Black Metal-Schema herausziehen. Nicht, weil mir dieses langweilig wird, sondern weil ich dann überrascht bin, wie sehr mich Bands aus diversen „verpönten“ Genres begeistern können. Das ist nicht einmal böse gemeint; ich habe im Grunde vor jedem Künstler tiefen Respekt, der seiner Vision Formen verleiht, sofern er fest hinter dieser steht. Und dies ist im Falle von ELLENDE gegeben: Denn ich bin überzeugt davon, dass man eine Leidenschaft für die Musik, wie sie hier aus jeder Note fließt, nur erreichen kann, wenn man zutiefst an sich und seine Kunst glaubt. Ein wirklich großartiges Album einer großartigen Band. Ich bin verzaubert! PFLICHTKAUF!!! +++ 9 / 10 Punkten

Worauf jetzt der eine oder andere wartet: Ja, ihr könnt „Lebensnehmer“ bereits im Vorverkauf erwerben. Das Album wird als Hardbook-Digipack, als limitierte Holzbox, digital sowie als Doppel-LP auf schwarzem und goldfarbenem Vinyl erscheinen (letzteres limitiert auf 200 Exemplare).

ELLENDE // © 2019 Ellende

ELLENDE – Lebensnehmer
Atmospheric / Post-Black Metal from Austria
AOP Records
Running time: 50:43 minutes
Release date: March 29th, 2019 (all formats)

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AOP Records Bandcamp

Review © 2019 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation

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