ABIGOR – Höllenzwang (Chronicles of perdition)

Copyright: Avantgarde Music / Abigor
Copyright: Avantgarde Music / Abigor

ABIGOR gehören seit ihrer Gründung 1993 zu den Bands im Black Metal, von denen man bei jedem neuen Release alles und nichts erwarten darf. Keine Veröffentlichung hört sich wie die andere an, was einerseits dem Anspruch ans wahre Künstlertum geschuldet ist. Andererseits jedoch ist diese Kompromisslosigkeit darauf zu beziehen, dass man auch heute noch den ursprünglichen Idealen des frühen Black Metals verpflichtet ist. Was heißt: Black Metal bedeutet Rebellion gegen jede Form des Establishments, also auch gegen die vom Kommerzbetrieb vereinnahmte Seite dieser Musik; Black Metal ist Ausdruck eines tiefen seelischen Empfindens, was durch die Musik hervorgeholt wird; Black Metal ist etwas absolut Eigenständiges, das der Künstler für sich selbst interpretiert und das sich nicht in Schubladen pressen lässt. ABIGOR waren und sind Meister darin, genau diese Ansätze immer wieder anzuwenden; ich möchte sogar sagen, sie zu leben. Denn so kompromisslos, wie man in der Erschaffung von Musik agiert, findet auch die Präsentation nach außen hin statt. Vor allem in den relativ selten stattfindenden Interviews gibt man eben dieser Einstellung stets genügend Raum. Hier sind wahre Überzeugungstäter am Werk und keine von der Industrie weichgespülten und austauschbaren ‚Charaktere‘.

Nach so viel Einführung wenden wir uns nun der Musik zu. „Höllenzwang (Chronicles of perdition)“ ist bereits das zehnte Album der Österreicher, dass ebenso zugänglich wie extrem fordernd ist und außerdem verdammt komplex arrangiert noch dazu. Hört sich zunächst seltsam an, aber wer ABIGOR kennt, weiß, dass man diese Art des Komponierens in etwa seit „Supreme immortal art“ immer weiter ausgebaut hat. Man vollbringt dabei das Kunststück, trotz der recht rohen Produktion viele kleine Nuancen einzubauen, die man zwar wahrnimmt, jedoch erst nach einigen Durchgängen. Bemerkenswert in dieser Hinsicht ist, dass man es vermeidet, auch nur den kleinsten Part innerhalb eines Songs zu wiederholen. Jeder Track steht daher komplett für sich. Man ist weitab von irgendwelchen Experimenten, sondern liefert ein Album ab, dass bei aller Komplexität vor allem eines ist: okkulter und satanischer Black Metal.

Einen besseren Opener als „All hail darkness and evil“ hätte man dabei auch nicht verwenden können. Komplett irrsinniges Riffing und Drumming, eine Vocalstimmbreite vom finsteren Grollen bis hin zu manischem Kreischen und dieses lange Break vor dem letzten Drittel, womit die Bedeutung des Wortes ‚Break‘ neu definiert ist: Denn für mehr als einen Herzschlag lang ist nichts zu vernehmen, bis man mit einem herausgeschrieenen „All hail darkness and evil!“ schlagartig aus dieser Ruhe gezogen wird. Das folgende „Sword of silence“ wirkt nach dieser Raserei zunächst etwas ruhiger. Angesiedelt im unteren Midtempo, sehr breaklastig und komplex gibt man dem Jungvolk eine Lehrstunde, dass es nicht immer nur auf das Tempo ankommt, sondern dass man Atmosphäre in erster Linie durch die etwas zurückgenommeneren Sounds schafft.

Copyright: Abigor
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„Black death Sathanas – Our Lord’s arrival“ ist eine Aneinanderreihung von Kakophonie, stillen Momenten und tiefschwarzem Black Metal. Mit nicht ganz drei Minuten zwar der kürzeste, aber definitiv einer der intensivsten Tracks des Albums. Das folgende „The cold breath of Satan“ hält die nächste Überraschung in Form eines diesmal sehr schleppenden Beginns bereit. Und was gerade hier besonders gut auffällt: Rein von der Struktur des Songs und der Atmosphäre, die ihn umgibt, ist er für einige ältere Werke der Band durchaus repräsentativ, sofern man diese noch nicht kennt. Und: Viele der neuen Bands, die in letzten zehn Jahren zur okkulten Form des Black Metal gestoßen sind, haben anscheinend extrem viel ABIGOR gehört. Das Original ist nichtsdestotrotz immer noch am Besten und wer es chaotisch mag, dem dürfte „None before Him“ zusagen. Das hier Gebotene lässt sich schwer in Worte fassen, denn so viel passiert in so kurzer Zeit, dass es auch nach ungefähr fünf Durchgängen unmöglich vollends erfasst werden kann. Macht euch beim Probehören am Besten selbst ein Bild davon…

Mit „Olden days“ greift man im Anschluss tief in die Ursuppe des Black Metals: Düster, fast schon doomig und fast ohne Struktur wird der Hörer daran erinnert, dass Black Metal mehr ist als nur Musik. „Hymn to the flaming void“ ist dagegen wieder etwas zugänglicher, stellt den Hörer auf Grund seiner zahlreichen Breaks dennoch vor eine Herausforderung. Daran hat man sich aber mittlerweile schon fast gewöhnt, denn kein Song ist beim ersten Durchgang zu erfassen. Selbst ein Track wie das noch am ehesten dem gewohnten Black Metal entsprechende „Christ’s descent into hell“ muss auf Grund dieser Vielschichtigkeit einige Male in der Anlage rotieren, bis man ihn vollends genießen kann. Im Album-Closer „Ancient fog of evil“ kulminiert das Album schließlich in einem Finale, dass unbarmherzig langsam das Ende heraufbeschwört. Gerade der schleppende Anfang sorgt dafür, dass man sich von dem gewaltigen Break zur Hälfte des Songs komplett überrumpelt fühlt und es letztlich nicht fassen kann, dass man gerade die letzten Sekunden hinter sich gelassen hat.

Seit dem letzten Album „Leitmotif Luzifer (The 7 temptations of man)“ sind fast viereinhalb Jahre vergangen. Zeit, die man äußerst produktiv genutzt hat, wie diesem Album nur allzu gut zu entnehmen ist. ABIGOR beweisen erneut, dass ausgefeiltes Songwriting und vor allem das tiefe Verständnis des Black Metal wichtiger sind als sinnloses Knüppel-aus-dem-Sack-Geklopfe (ich habe euch trotzdem lieb, Tetragrammacide und Konsorten). Ich jedenfalls kann es kaum erwarten, „Höllenzwang (Chronicles of perdition)“ auch in physischer Form als LP und CD vor mir liegen zu haben und freue mich wieder mal ganz besonders auf die Texte. Bis dahin gilt: Kauft euch das Album schon jetzt digital (den Bandcamp-Link findet ihr weiter unten sowie unter diesem Fazit den Album-Stream). PFLICHTKAUF!!! +++ 9 / 10 Punkten

Momentan ist „Höllenzwang (Chronicles of perdition)“ nur digital über den Bandcamp-Shop von Avantgarde Music erhältlich. Im Februar sollen die CD sowie LP veröffentlicht werden. Der genaue Termin stets jedoch noch nicht fest, kann aber wie sonst auch dem Black Salvation News Feed auf Facebook entnommen werden.

Copyright: Abigor
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ABIGOR – Höllenzwang (Chronicles of perdition)
Black Metal from Austria
Label / Distribution: Avantgarde Music (CD + LP) & Bandcamp (Download)
Running time: 36:02 minutes
Release date: 03.01.2018 (digital) / all other formats t.b.a.

www.bandcamp.com

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