Ich werde ja – weiß Gott! – nicht oft überrascht. Aber dieses Album hat mich dann doch kalt erwischt. Ich kann auch gar nicht sagen, warum dieses Album bei Erscheinen im vergangenen November an mir vorbeigezogen ist und ich erst vor rund zwei Wochen darauf aufmerksam wurde. Denn diese Veröffentlichung gehört mit zu den besten Doom-Alben, die mir jemals untergekommen sind. Und das will bei meiner Passion für dieses Genre etwas heißen! Dabei sind die 2016 gegründeten ECCLESIA bereits 2017 mit ihrer ersten EP „Witchfinding Metal of Doom“ in Erscheinung getreten – und ja, auch diese ist mir durchgerauscht (was ich in der Zwischenzeit selbstverständlich aufgeholt habe). Der Titel ist dabei Programm, denn die zentralen Themen, die die Band in ihren Lyrics behandelt, sind Inquisition, Hexerei, Ketzerei. So unspektakulär das auf den ersten Blick auch aussieht, so zieht die Band dieses Konzept doch in aller Konsequenz durch. Rein musikalisch findet man sich irgendwo in der Schnittmenge aus Candlemass und Solitude Aeturnus wieder. Und zwar nicht, wie man es vielleicht erwarten würde, in langsamen und epischen Passagen. Nein, hier wird ziemlich oft und ziemlich heftig auch aufs Gas gedrückt.
Dabei leitet man „De ecclesiæ universalis“, so der Titel des Wahnsinns-Debüts der Franzosen, ganz klassich ein. Ein Donnerschlag, Regen, ein Choral im Hintergrund bilden die Kulisse zum Intro „Excommunicamus“, das nicht nur ordentlich Atmosphäre aufbaut, sondern den Hörer auch auf eine völlig falsche Fährte lockt. Denn der Opener „Vatican III“ startet mit einem tiefen Riff, das in ein melodisches Lead mündet, gleichzeitig setzen mit einem heftigen Punch die Drums ein und dann diese Vocals: Klar und sauber, in mittleren bis hohen bis in die höchsten Tonlagen absolut professionell und überzeugend. Da lebt jemand das, was da zelebriert wird, voll aus. Auch die Untermalung des im zackigen Midtempo gehaltenen Tracks mittels der Kirchenorgel passt da wie die Faust aufs Auge. Diese ist übrigens stets präsent – mal mehr, mal weniger offensichtlich – und gibt dem ganzen Album die gewisse Note. Und bevor jetzt jemand an eine gewisse andere Band denkt: Nein, man kann die beiden Gruppen NICHT vergleichen. Denn hier wird mit absolutem Herzblut großartige Musik erschaffen und nicht aus einem Kalkül heraus.
Mit „Ecclesia Sathani“ legt man hart und böse (wenn man dieses Wort in diesem Kontext verwenden darf) nach: Alleine schon die für den Doom üblichen tief gestimmten Gitarren würden zur Genüge Atmosphäre verbreiten, da überrascht man mit dem Einsatz von harten Vocals, die auch so manchem Kollegen im extremen Sektor sehr gut stehen würden. Auch tempomäßig sorgt man für Abwechslung, indem man das Tempo ständig variiert und damit Platz für die Farbtupfer durch die Orgel schafft. Apropos extremer Sektor: So ganz unbekannt dürfte dieser den hier beteiligten Musikern sicher nicht sein, da gerade der Einsatz ebenjener Vocals hier und da und auch später auf dem Album zu findende musikalische Hinweise darauf hindeuten. Doch lassen wir dieses Spekulieren und erfreuen uns lieber weiter der außergewöhnlich starken Songs.
Dass man damit sein Potential hinsichtlich der eigenen Härte noch nicht ausgeschöpft hat, beweist man in „Montségur“, dessen Riffing durch das Downtempo in diesem Track enorm an Wucht gewinnt und durch die generell ordentliche Verzerrung unglaublich finster wirkt. Was durch die grandiosen Vocals allerdings immer wieder in lichte Höhen geführt wird. Es ist schier atemberaubend, welch eine Intensität hier entwickelt wird. Auch wenn man in Proto-Doom-Gefilden wildert wie in „Behold the heretic burning“, dass einen enormen 70’s-Touch hat und in Verbindung mit der harten Metal-Kante ordentlich Groove entwickelt. Und ja, auch die Soloarbeit erinnert sehr stark an den frühen, vom Classic Rock inspirierten Doom. Wirklich ausgezeichnet!
„Antichristus“ ist da ein ganz anderes Kaliber: Ein schwer nach vorne walzender Unterbau aus Doom, die Vocals stellenweise wieder mit leichten Death Metal-Einflüssen, ein großartiger Spannungsaufbau – und der mündet schließlich in ein Doublebass-Gewitter, das nur noch von der an dieser Stelle sehr dominanten Orgel übertroffen wird. Ein langsames Ausfaden führt hin zu „Deus vult“, das nicht nur einer Kasper-Kapelle wie Powerwolf zeigt, wie man einen solchen Songtitel ansprechend mit passender Musik unterlegt, sondern auch jedem Hörer vor Augen (oder besser, ins Ohr) führt, wie erfüllend es sein kann, aus voller Kehle einen solchen Refrain mitzuschmettern. Denn das ist mitunter die ganz große Stärke dieser Band: Die Vocals mögen rein und klar sein und in extreme Höhen aufsteigen, sind dabei jedoch vollkommen frei von Pathos. Eher geben sie dem tiefen Grundsound der Saiteninstrumente sowie dem treibenden Drumming eine Spur von Dramatik, die die Songs unaufhörlich nach vorne drückt und auch den Hörer dazu bringt, immer mehr zu wollen. Mehr Doom, mehr von dieser himmlischen und grandiosen Stimme, einfach mehr von allem, was ihn mit einem dicken Grinsen im Gesicht dieser Musik lauschen lässt.
„God’s trial“ nimmt die finstere Stimmung des vorletzten Tracks auf, lässt die Kirchenorgel abseits des Chorus ein repetitives Thema spielen und lässt durch geschickte Tempovariationen und die damit einhergehenden längeren Breaks die entstehende Atmosphäre zu einem wahren Koloss anwachsen. Es gibt zugegebenermaßen nicht viele Bands im Doom Metal, bei denen mir die Arbeit mit stellenweise ordentlich durchgezogener Doublebass gefällt, doch so gut wie ECCLESIA bekommen das auch nur ganz wenige Bands hin.
Wer bis hierhin schon dachte, dass die Band eine fantastische Ausnahmestellung einnimmt, der darf sich zum Abschluss noch an einem Venom-Cover von deren „Burn the witch“ erfreuen. Ich wollte es selbst nicht glauben, dass deren primitiver Sound in dieser Art von fast schon epischem Doom funktionieren kann. Und doch tut es das: Man erkennt den Song trotz der natürlich völlig anderen Melodieführung in den Vocals sowie der perfekten Instrumentierung und wüsste man nicht, dass dies ein Cover ist, man würde es für einen eigenen Song halten. Und während man von Kirchenglocken und einem weiteren Choral im Outro „Ite missa est“ aus dem Album geleitet wird, sitzt man immer noch fassungslos da und weiß gar nicht, was da gerade über einen hereingebrochen ist. Man weiß nur eines. Mehr davon!
Ich bin absolut geplättet… Nein, ich bin verliebt! Und ich schäme mich auch nicht, dies zuzugeben. Denn was ECCLESIA mit „De ecclesiæ universalis“ losgebrochen haben, ist nicht einfach nur ein großartiges Album, nicht einfach nur ein fantastisches Debüt, sondern die Erschütterung meiner ganzen Welt! Dachte ich Ende Mai vergangenen Jahres noch, dass mich auf lange Sicht kein anderes Album im Doom so sehr wird packen können wie das nach wie vor aktuelle von Sorcerer, da belehren mich diese Franzosen hier eines Besseren und lassen mich mit Tränen des Glücks, der Ergriffenheit und ganz besonders der Freude zurück. Ich bin seit dem Tod meiner Verlobten Ende 2019 durch ein tiefes Tal gegangen und zum ersten Mal in meinem Leben hat mir die Musik dabei nur partiell helfen können. Bis vor zwei Wochen dieses Album in mein Leben getreten ist. Dabei kann ich nicht mal genau erklären, warum. Das überragende Songwriting in Verbindung mit den dadurch entstandenen Songs, die schlichtweg mitreißenden Doom Metal bieten und ganz besonders diese überlebensgroßen Vocals sind es wohl, die diesen Impact auslösten. Und dies immer noch tun: Denn faktisch sprechen nicht nur die genannten Punkte für das Album sondern auch die drückende und harte Produktion, die viel zur beinahe perfekten Atmosphäre beitragen. Deswegen schrammt „De ecclesiæ universalis“ auch nur ganz hart an der Höchstnote vorbei, um noch Luft nach oben zu lassen. In einem Punkt bin ich mir nämlich ziemlich sicher: Von dieser Gruppe wird man noch hören! PFLICHTKAUF!!! +++ 9,5 / 10 Punkten
Erschienen ist „De ecclesiæ universalis“ am 13.11.2020 via Aural Music als CD, 12″-LP und digital. Die ersten Pressungen sind bereits vergriffen, jedoch gibt es bereits eine zweite Pressung der CD und ab Mitte März auch eine Neuauflage der LP-Version auf farbigem Vinyl.
ECCLESIA – De ecclesiæ universalis
Doom Metal from France
Aural Music
Running time: 46:41 minutes
Release date: November 13th, 2020 (all formats)
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Review © 2021 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation