Jeder regelmäße Leser hier auf Black Salvation wird wissen, dass ich drei große musikalische Vorlieben habe: Den epischen Metal in all seinen Schattierungen als das Herz des Genres; Black Metal, gerade in der okkulteren Ausformung, als das garstige, finstere Gegenstück und den Doom als die Seele des Heavy Metal. Egal, ob wir hier epische Meister wie Candlemass nennen wollen oder die sich noch weiter an den Urvätern orientierenderen Trouble: Doom besitzt in all seinen Farben eine Schönheit, der man sich als Liebhaber dieser Musik schlichtweg hingeben muss. Selbst in den tiefsten, räudigsten, kriechendsten Formen lässt sich Anmut und Erhabenheit finden (na gut, vielleicht nicht gerade, wenn finsterster Death Metal mit im Spiel ist…). Was uns ohne Umschweife zu den Dortmundern HEXER führt, die im Oktober 2020 ihr zweites Album „Realm of the feathered serpent“ veröffentlichten, deren bisweilen sehr Sludge-haltiger Doom über eine große Stärke verfügt. Welche, dass lest ihr in den folgenden Zeilen.
Zunächst einmal, wie klingt das Album denn? Wenn ich es mit drei Worten beschreiben müsste, dann wohl „drückend, schwer, anmutig“. Was sich zunächst eher konträr anhört, ist jedoch schnell aufgeklärt: Neben schweren, langsam walzenden Riffs wird der Sound immer wieder mit cleanen Gitarren unterlegt und auch ruhige Passagen wie im Opener „Ethereal blitz“ eingewoben, die das Klangbild auflockern. Die Riffs sind trotz ihrer Heavyness nicht frei von Melodik, auch wenn sich diese erst auf einer unteren Ebene finden lässt und schon gar nicht beim ersten Durchlauf des Albums. Dass besagter Opener dabei fast gänzlich ohne Vocals auskommt, macht den Einstieg eigentlich sogar relativ leicht, wenn man einigermaßen mit dem Genre an sich vertraut ist, da man sich so voll und ganz auf die einzelnen Instrumentenparts konzentrieren kann. Generell setzt man den Gesang eher sporadisch ein, quasi als vollwertiges zusätzliches Instrument, das die Soundwand eher noch verstärkt, denn sie durchbricht. „Jaguar knight“ ist dafür ein gutes Beispiel, das zudem unfassbar immersiv wirkt. Überhaupt, die Immersion: Das ganze Album lässt mich im Geiste 20 Jahre zurückreisen, als ich das erste Mal in Mexiko war, die unzähligen Stufen einer Pyramide erklomm und oben angekommen das Blut, die Schreie, die Ekstase der opfernden Priester förmlich spüren und mit Händen greifen konnte. Genau dieses Gefühl vermittelt auch dieses Album, wozu natürlich auch der Albumtitel generell, aber auch Songs wie „River of blood“ beitragen. Dessen sehr ruhiger, beinahe schon etwas Meditatives ausstrahlender Mittelteil lässt den Hörer in Gedanken ebenjene Treppen aufsteigen; oben angekommen entlädt sich der Track in einer gewaltigen Eruption, das Messer fährt in den Brustkorb, schneidet das Herz bei lebendigem Leibe heraus und während das Leben den Körper verlässt, wird auch der Track immer langsamer, bis er schließlich verebbt. „Celestial war command“ lässt den Hörer dagegen vor den Schädelwänden stehen; blanke Schädelknochen, ins Leere starrende Augenhöhlen und festgefrorenes Grinsen überall, in welche Himmelsrichtung man auch schaut. Es ist bemerkenswert, welche Kraft dieses Trio entfaltet und vor allen Dingen, wie gut das Album gleichsam unter Kopfhörern wie durch gewöhnliche Boxen klingt. Nichts beweist das besser, wenn der geschwindigkeitsmäßig erste wirkliche Ausbruch nach oben im zuletzt genannten Track nicht nur das Kriegsgeschehen visualisiert, sondern dem Album an sich auch eine ganz andere Dynamik zu verabreichen scheint. Und auch wenn ich jetzt nur für mich sprechen kann – danach hört man das Album mit ganz anderen Ohren. Im Schlusstrack „Typhon“, dessen leicht dissonanter Beginn sowie das anschließend leicht angezogene Tempo durchaus für freudiges Ohrenschlackern sorgen, bündelt man abschließend noch einmal sämtliche Aspekte des Albums und schafft damit ein würdiges Finale für ein starkes Album, das man so auch nicht alle Tage auf den Tisch bekommt. Ich bin schwer begeistert!
Zugegeben, die ersten beiden Durchläufe des Albums sind harte Arbeit. Zu fremdartig erscheinen auf den ersten Blick gerade das Riffing sowie so manche Drumpattern, die ja nicht ohne Grund wie finstere mittelamerikanische Opfermusik klingen. Natürlich interpretiert man diese als Band auf seine ganz eigene Weise und verzichtet komplett auf typische mittelamerikanische Instrumente wie die für uneingeweihte Ohren extrem dissonanten Kriegsflöten etc. Nein, was hier allein aus Drums und Saiteninstrumenten herausgeholt wird, ist absolut fieser und finsterer Doom, der dennoch durch sein hohes Maß an Visualität und Immersion immer wieder geschmeidig und anmutig durch die Lauschlappen dröhnt. Und genau das ist die große Stärke von „Realm of the feathered serpent“: Wo andere vergleichbare Bands den Hörer in ein dunkles Nichts schmeißen, verschaffen HEXER diesem zumindest das Gefühl, ein über den sterblichen Dingen stehendes Wesen zu sein. Der Blutrausch spielt sich dabei ausschließlich im Kopf ab und vielmehr hat man nach jedem weiteren Durchlauf des Albums den Eindruck, hoch oben über allem anderen auf einer Pyramide zu stehen, aus der Trance zu erwachen und den Blick in die blaue Unendlichkeit des Himmels zu schicken – und sich als sterbliches Wesen ganz klein zu fühlen. Abschließend noch ein großes Lob an das ausgezeichnete Lewandowski-Cover; eindrucksvoller und treffender hätte man wahrlich kein Motiv auswählen können! KAUFEMPFEHLUNG!!! +++ 8,5 / 10 Punkten
„Realm of the feathered serpent“ ist am 09.10.2020 via Crawling Chaos als CD und digital erschienen. Ende Februar wird es endlich auch die Vinyl-Version des Albums geben; Preorder sind bereits möglich.
HEXER – Realm of the feathered serpent
Doom / Sludge Metal from Germany
Crawling Chaos
Running time: 38:39 minutes
Release date: October 9th, 2020 (CD, digital) / February 2021 (Vinyl)
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Review © 2021 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation