Es gibt Bands, die seit Jahren im Underground tätig sind und die man als fleißiger Szenegänger und -kenner eigentlich kennen sollte. Leider kommt es dennoch immer wieder mal vor, dass man erst mit einem späteren Album auf eine solche Truppe aufmerksam wird und sich dann – mal mehr, mal weniger – verzweifelt vor die Stirn haut. In erster Linie liegt das natürlich an der musikalischen Klasse der jeweiligen Bands, manchmal auch am kompletten Konzept. Auf die Österreicher SVARTA trifft nun das erstere zu: Denn wenn man sich mit den bisher vier Alben beschäftigt, so fällt alleine schon die Kategorisierung nicht gerade einfach. Sicher, als Oberbegriff firmiert hier eindeutig Black Metal – jedoch in seiner schleppenden Variante, die stets an der Grenze zum DSBM kratzt, allerdings viel zu atmosphärisch und stilistisch offen bleibt. Seit Ende Oktober 2020 liegt nun das vierte Album „Befreiung“ vor, dem wir uns im folgenden gewohnt ausführlich widmen werden.
Der ruhige Einstieg in den Opener „Omega – Der Tag an dem ich starb“ ist dabei gut gewählt: Akustikklänge eröffnen das Stück, bevor das Thema in ein amtliches Riff gewandelt wird, dessen langsames Midtempo genügend Raum zur Entfaltung der restlichen Instrumentierung lässt. Besonders der volle Snaresound gefällt hier richtig gut, ebenso wie die zwischen manischem Schreien und gesprochen Passagen wechselnden Vocals. Während sich der Track in diesen zwölf Minuten nach vorne walzt und dabei nicht mit Abwechslung geizt, fällt natürlich auf, wie gut man als Band nach vier Alben eingepielt ist: Die gelegentlichen Tempiwechsel klingen flüssig, das Songwriting generell ist sehr schlüssig und das stilistisch breit gehaltene Feld lädt vom ersten Moment an zur intensiven Beschäftigung mit dem Album ein. In den etwas angezogeneren Momenten kommt bisweilen sogar ein leichtes Death/Doom-Feeling auf, was man dann durchaus sehr beachtlich finden darf, ebenso gefühlsmäßige Reminiszenzen an die Neue Deutsche Todeskunst zu Beginn der Neunziger während der ganz ruhigen Passagen. Etwas knackiger geht man im folgenden „Live. Breathe. End. Rewind.“ zu Werke. Zwar nicht tempomäßig, aber der Track hat deutlich mehr Punch als der Opener, was dem Album eine schöne Dynamik verpasst. Instrumental ausufernd und lange Strecken ohne Vocals zurücklegend, bleibt man jederzeit spannend; die Energie ist förmlich zu spüren, der plötzliche Ausbruch der Vocals ist gleichsam das Startsignal für das Einsetzen einer der wenigen schnellen Momente auf dem Album, den man als Hörer dankbar annimmt. Den Kontrapunkt setzt man mit „Yours truly“, dessen halbakustischer Beginn Zeit zum Luftholen lässt und das Eintauchen in den Song relativ einfach macht. Denn obwohl man allzubald wieder im Black Metal agiert, lässt sich eine gewisse getragene Stimmung in der ersten Songhälfte nicht von der Hand weisen. Der Umbruch in den puren Black Metal gelingt dabei so fließend, dass man diesen in den ersten Momenten danach nicht mal richtig registriert sondern ihn eher überrascht zur Kenntnis nimmt. Der interessanteste Track düfte jedoch „IV VI – A shimmering light“ sein: Die stilistische Bandbreite schließt hier wohl so ziemlich jeden Einfluß ein, der vorstehend schon genannt wurde. Walzender bis Uptempo-Black Metal, Todeskunst sowie die manischen Vocals fügen sich hier zu einer Hörerfahrung zusammen, der man sich kaum entziehen kann. Alles fügt sich zu einer sinnigen Summe zusammen – wenn man sich die nötige Zeit nimmt, wirklich jeden Aspekt zu beleuchten und in sich aufzusaugen. Den kürzesten und gleichzeitig straightesten Track lässt man in Form von „D“ folgen, dessen sechs Minuten purer energischer Midtempo-Black Metal sind, die sehr zur Auflockerung der Atmosphäre beitragen, bevor man im abschließenden „Alpha“ die Songwriting-Schatzkiste noch einmal weit aufschließt. Denn so gelungen wie in diesem 14-minütigen Brecher muss man es erst einmal fertigbringen, all die unterschiedlichen Stilistiken zu etwas ganz Eigenem zu verbinden. Natürlich, dies trifft auch auf die anderen Tracks des Albums zu. Die Kulmination, die Essenz alles Voranstehenden findet sich jedoch hier in diesem Abschluss. Und obwohl ich ungern einzelne Tracks zum Antesten empfehle (das Gesamtwerk ist mir stets wichtiger!), tue ich dies an dieser Stelle ausdrücklich! Die Repeat-Taste wird anschließend wieder ein sehr guter Freund werden. Ein toller Abschluss für ein sehr gelungenes Album!
Ziehen wir ein Fazit: „Befreiung“ ist das bisher rundeste Album, das SVARTA bisher veröffentlicht haben. Die einzelnen Songstrukturen gehen fließender ineinander über, das Songwriting an sich wirkt trotz seines Abwechslungsreichtums wesentlich kompakter als bisher und besonders atmosphärisch hat man einen sehr stimmigen Release hervorgebracht. Die Produktion ist erstklassig: Klar und dennoch nicht ohne Rohheit, differenziert und trotzdem mit genügend Druck, um dem Black Metal-Terminus gerecht zu werden. Jedoch sollte dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass man für dieses Album Zeit mitbringen muss. Selbst meine gut zwei Dutzend Durchläufe bisher fühlen sich unzureichend an, da ich immer noch feinere Nuancen entdecke, die das Hörvergnügen erweitern. Für den Durchschnitts-Hörer dürfte auch dieser Release daher wohl eher nichts sein; wer musikalisch aufregende Reisen zu schätzen weiß und sich für lange Zeit in ein Album eingraben möchte, der ist hier aber definitiv richtig. KAUFEMPFEHLUNG!!! +++ 8,5 / 10 Punkten
Erschienen ist das Album als auf 500 Exemplare limitiertes Digipack sowie digital via Crawling Chaos.
SVARTA – Befreiung
Black Metal from Austria
Crawling Chaos
Running time: 62:05 minutes
Release date: October 30th, 2020
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Review © 2021 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation