Was mich immer wieder aufs Neue überrascht, sind Bands, die zwar im Plattenschrank ohne Probleme zu finden sind, deren Alben man auch regelmäßig hört – die aber trotzdem immer irgendwie leicht unter dem Radar laufen. Dabei ist es auch völlig unerheblich, ob diese dann erst seit einigen Jahren, seit zehn Jahren oder schon seit – sagen wir – 1993 aktiv sind. In diesem Fall ist die Rede von den polnischen Black Metallern ARKONA, deren Backkatalog gar nicht mal so klein ist, sind bisher doch sieben Alben, zwei Demos, fünf Splits, sowie je eine Compilation, eine EP und ein Live-Album erschienen. Seit dem Debütalbum 1996 hat man nie ein gewisses Niveau unterschritten, so dass man stets im oberen Mittelfeld hart an der Grenze zur Spitze agiert. Dass man zudem relativ wenig auf irgendein Image gibt, obwohl man optisch ohne Zweifel die Genrezugehörigkeit erkennen kann, macht die Truppe zudem sympathisch. Wenn ich eine Vermutung anstellen darf: Wahrscheinlich ist die Reduzierung auf die Musik gerade in der heutigen Zeit für osteuropäische Bands eher schwierig, zeigten doch Bands wie Behemoth, Mgla oder als Paradebeispiel Graveland, wie man Aufmerksam generiert – selbst wenn diese sehr oft leider negativ konotiert ist (andere Beispiele für immer ein wenig in der zweiten Reihe stehende Bands wären Hate und sogar Vader). Jedoch, dass soll uns nicht kümmern, schließlich suche ich Bands nicht nach Beliebtheit aus, sondern danach, was ich selbst gut finde. Und „Age of capricorn“, der neueste Streich des Quartetts, spielt da sehr weit oben mit.
Schon mit dem Opener „Stellar inferno“ macht man deutlich, wie stark das Songwriting ist: flirrende Riffs irgendwo zwischen dem Black Metal der zweiten und dritten Welle kreieren eine zutiefst düstere und okkulte Atmosphäre, deren Intensität nur wenige andere Bands in dieser Klasse erreichen. Die Produktion ist dabei ziemlich druckvoll, lediglich die Drums sind etwas zu sehr in den Hintergrund gemischt, so dass sie lediglich in den Momenten richtig zur Geltung kommen, in denen die Band vom Gaspedal tritt. Das geschieht jedoch relativ häufig, was nicht nur der Abwechslung zugute kommt, sondern auch der Stimmung innerhalb der Songs. Da alle sechs Tracks zwischen knapp sieben und acht Minuten lang sind, bleibt genügend Zeit, diese mit genügend Tempiwechseln zu versehen, um Spannung aufzubauen. Auch der sporadische Einsatz von Keyboards trägt dazu bei, da diese eher selten genutzt werden und auch das nur zur Untermalung in gewissen Stellen, wozu man einfach nur „Alone among wolves“ antesten braucht. Zugegeben: Gerade hier hat man das Gefühl, sie wären aus irgendeinem Dimmu–Borgir-Song der „Enthroned darkness triumphant“-Ära gesampelt worden – relativiert dies jedoch sofort wieder mit einer unglaublichen Brutalität im Songwriting, so dass man sich unwillkürlich wünscht, die Norweger wären anno 1997 ebenso kompromisslos gewesen. Der Titeltrack „Age of capricorn“ nimmt das bisherige recht hohe Tempo stellenweise erst mal raus, was dem Hörer Zeit gibt, um sich vollends in den Sog des Albums zu versenken. Und das funktioniert außerordentlich gut: Denn auch wenn die Band ihren eigenen Stil und die eingeschlagene Richtung niemals verlässt, so vermittelt jeder Track doch stets ein etwas anderes Gefühl. Waren es in den ersten beiden Wut und Aggression, die das Klangbild bestimmten, fügt sich nun so etwas wie eine unterschwellige Melancholie dazu, kreiert durch das extrem starke Riffing. „Deathskull mystherium“ ist anschließend das komplette Gegenteil und wartet mit purer Bosheit auf. Zu Beginn erinnert man durchaus an alte 1349 (Riffing), schiebt einen schleppenden Midtempo-Part ein, nur um in purer Raserei zum Ende zu kommen. Mit „Towards the dark“ vertieft man diese Richtung, bleibt jedoch nicht in einmal vorgelegten Strukturen hängen, sondern nuanciert die Riffs immer wieder hinsichtlich Atmosphäre und Ausdruck – der Song an sich steht stets im Vordergrund. Der Albumcloser „Grand manifest of death“ ist daher genau das: Ein starkes Finale für ein extrem starkes Album!
Ich kann mir nicht helfen, aber ich bin nach dem Genuss von „Age of capricorn“ wieder einmal extrem genervt von dem ständigen „Behemoth hier, Mgla da“, wenn man in Richtung Black Metal aus Polen blickt. Dass es da eine Band wie ARKONA gibt, die ein starkes Album nach dem anderen veröffentlichen und dennoch nur Undergroundstatus haben, ist mehr als ungerecht. Gerade das neue Album zeigt deutlich die songwriterische Klasse des Quartetts auf und ist meiner Ansicht nach wesentlich stärker als das von vielen abgefeierte „auf-Nummer-sicher-Album“ der Kapuzenmänner. Wer authentischen, kompromisslosen und mitreißenden Black Metal sucht, ist hier an der richtigen Adresse. PFLICHTKAUF!!! +++ 9 / 10 Punkten
Erhältlich ist das Album als CD, digital sowie als 12″-LP auf schwarzem oder weißem Vinyl. Alle Infos zu den Releaseformaten gibt es detailiert wie immer in der Release note auf der Facebook-Seite von Black Salvation.
ARKONA – Age of capricorn
Black Metal from Poland
Debemur Morti Productions
Running time: 46:46 minutes
Release date: December 13th, 2019 (all formats)
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Review © 2020 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation