Zugegeben: Ich musste mir mehrere Tage lang Gedanken machen, ob ich dem neuesten Output der norwegischen Truppe ein Review widmen soll. Nicht, weil ich Zweifel daran hatte, ob man wieder mehr in Richtung der ersten drei Alben gehen oder sich an den doch etwas schwerer zugänglichen letzten Alben orientieren würde. Denn das ich auch an harten Brocken meine helle Freude habe, dürfte den meisten Lesern hier sowieso klar sein. Nein, mein Problem bestand eher darin, herauszufinden, wie relevant eine Band wie 1349 für eine Plattform wie Black Salvation ist. Denn auch, wenn ich hier größtenteils dem sogenannten Underground zuspreche, so habe ich jedoch auch kein Problem damit, auch „größere“ Bands zu featuren, die einen doch eher bemerkenswerten Status vorweisen können. Doch gerade diese Norweger sitzen seit jeher irgendwie zwischen allen Stühlen: Für den großen Durchbruch war die eigene Attitüde immer zu sehr auf den Underground ausgerichtet und zu sehr „Fuck off“; der Underground dagegen empfand und empfindet den Status der Band stets als zu populär. Und genau dies ist mein eigenes Dilemma: Werden die Underground-Fans das Review hassen oder nicht? Und wird die eher gemäßigtere Leserschaft den Blick über den Tellerrand wagen oder diesen ablehnen? Sicher, ich mache Black Salvation in erster Linie für mich selbst, weil ich geile Scheiben featuren will, aber nach annähernd drei Jahren hat man dennoch auch immer die Leser ein wenig im Blick. Letzten Endes kann ich also nur hoffen, dass der Brückenschlag ein wenig gelingt, denn eines muss man „The infernal pathway“ von der ersten Note an attestieren: Die Scheibe ist verdammt stark ausgefallen und das wohl gelungenste Album der Truppe bisher.
Zuerst soll jedoch der größte (und im Grunde einzige) Kritikpunkt angesprochen werden: Der zu leise Sound, der trotz einer knackigen Produktion einiges an Atmosphäre kostet. Ja, man kann natürlich die Anlage lauter stellen, aber so etwas sollte bei einer Band dieser Größe wirklich nicht passieren. Natürlich kann dies auch nur auf das digitale Format zutreffen; da mir ärgerlicherweise das physische Format noch nicht vorliegt, fließt dieser Punkt auch nicht in die Wertung mit ein. – Mit dem Opener „Abyssos antithesis“ steigt man auch direkt energetisch und durchaus vertrackt in die 44 Minuten ein – und ist dennoch positiv überrascht, wie leicht sich die Riffs in die Gehörgänge fräsen! Das Gefühl der ersten Alben ist sofort wieder da und die technisch viel versiertere Herangehensweise ist quasi das Tüpfelchen auf dem i, was die Spannung auf die folgenden Tracks schon in diesen ersten Minuten extremst in die Höhe schraubt. Mit dem bereits im Vorfeld vorgestellten „Through eyes of stone“ geht es ebenso zackig, wenn auch strukturierter im Songwriting, weiter. Für viele war dieser Track schon bei seiner Erstveröffentlichung vor zwei Monaten eine kleine Offenbarung, da man die Band noch nie so zentriert und fokussiert erlebt hat. Ohne Experimente, ohne Chaos wird hier nach vorne geballert, dass es eine wahre Freude ist. Das kurze Interludium „Tunnel of Set VIII“ baut die Spannung wieder ein Stück weit auf, die sich im folgenden „Enter cold void dreaming“ entlädt. Die Parallelen zu den Frühwerken sind hier mit am deutlichsten, woran auch das wieder sehr vertrackte Riffing nicht viel ändern kann. Es wird von Track zu Track bemerkenswerter, wie gut ausgearbeitet die Symbiose zwischen allen Phasen der Discographie erscheint. So hat man mit „Towers upon towers“ einen Track aufs Album gepackt, der zunächst die komplexere Seite in den Vordergrund stellt, nur um ihn schlagartig zu öffnen und ihm einen leichten „Hellfire“-Unterton zu verpassen. „Tunnel of Set IX“ ist ein weiteres kurzes Interludium, dem mit „Deeper still“ ein kleiner Höhepunkt folgt, ist dieser Song doch schon ein wenig outstanding: In erster Linie liegt das am sehr offenen und stillosen Riffing, das man sowohl im Black-, als auch im melodischeren Death- oder selbst im düsteren Heavy Metal einordnen könnte. Bis zu diesem Zeitpunkt des Albums hätte man mit viel rechnen können, jedoch nicht damit. Selbst wenn das Riffing nach und nach den Weg in den reinen Black Metal findet, bleibt eine gewisse neue und aufregende Note zurück, der man sich gerne ergibt. Ein wenig behält man diese Richtung in „Striding the chasm“ bei, wenn auch nur ganz kurz zu Beginn. Der Schwenk in den klassischen 1349-Sound ist dabei so fließend integriert, dass man unwillkürlich immer mal wieder aufs Cover schaut, um sicher zu sein, gerade wirklich das aktuelle Album zu hören. Mit „Dødskamp“ folgt der schon im April veröffentlichte Track, der am deutlichsten für das neue Selbstbewusstsein der Norweger anzusehen ist: Nicht nur das Eröffnungslead ist viel weniger klassischer Black Metal, denn purer Metal an sich; auch die melodischen Gitarrenharmonien sorgen immer wieder für angenehmes Ohrenschlackern und zeigen, über wieviel Potential die Mannen verfügen und was dabei herauskommt, kanalisiert man dieses in die richtige Richtung. Großartig! „Tunnel of Set X“ ist das letzte Interludium, bevor man mit „Stand tall in fire“ den großen Höhe-und Schlußpunkt des Albums herausfeuert. Die Mischung aus langsam mahlenden Riffs, beschwörenden Vocals, dem Wechsel ins treibende Midtempo sowie den düsteren, kaum noch dem puren Black Metal zuzuordnenden Riffs ist ein wahres Leuchtfeuer am Horizont zum modernen Extreme Metal, der zeigt, wie unwichtig viele Kategorisierungen heute sind, wenn nur das Songwriting packend ist. Sicher, eine Band wie 1349 wird nicht nur im Kern immer Black Metal sein und diesen Stil repräsentieren, jedoch steckt da mittlerweile so viel mehr unter der Oberfläche, dass es eine Schande wäre, sich nur der Kategorisierung wegen dieses Kleinod entgehen zu lassen!
Ich neige ganz sicher nicht zu Superlativen – aber, meine Fresse, haben 1349 hier ein Brett vorgelegt! Der Brückenschlag zwischen den rohen und wilden Anfängen und den experimentelleren Alben der letzten Dekade ist dermaßen gut gelungen und mit so vielen neuen Elementen aus klassischeren Metal-Genres gespickt, dass man ohne Zweifel von der besten Form der Truppe sprechen darf, in der sie sich jemals befand. „The infernal pathway“ räumt endgültig mit dem Vorurteil auf, die Klasse der ersten Alben einer elitären Experimentierfreude geopfert zu haben. Man birst schier vor Energie, frischen Ideen und einem extrem starken Songwriting, das das Album vom Schlag weg in höhere Sphären katapultiert und der Band endlich den verdienten Status in der Oberliga sichern sollte. Ich bin schwer begeistert! PFLICHTKAUF!!! +++ 9 / 10 Punkten
Erhältlich ist das Album zwar in den meisten einschlägigen Mailordern, aber ich für meinen Teil ziehe halt immer den unmittelbaren Kontakt zum Label vor, weswegen auch hier wieder gilt: Ab in den Webstore von Season of Mist (oder deren Bandcamp-Shop) und sich das Album entweder als reguläre CD, als auf 3500 Stück limitierte Digibox, digital, als eine der 12″-LP-Versionen oder als Tape zu sichern. Die Infos zu den LP-Versionen findet ihr in der Release-note auf der Facebook-Seite von Black Salvation.
1349 – The infernal pathway
Black Metal from Norway
Season of Mist
Running time: 44:02 minutes
Release date: October 18th, 2019 (all formats)
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Review © 2019 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation