Depressive Black Metal ist so eine Sache für sich: Man liebt das Genre oder man hasst es, einen Zwischenweg gibt es da einfach nicht. Was umso bemerkenswerter ist, da das Genre im Grunde nicht nur ein Subgenre innerhalb des Black Metal darstellt, sondern etwas ganz Eigenes ist, sind doch die Ausdrucksformen hier ebenso vielfältig, wie dies für den Oberbegriff Black Metal der Fall ist. Da gibt es extrem aggressiv agiernde Truppen wie die Quasi-Gründerväter des Genres, die Schweden Shining. Oder aktuellere Vertreter wie Pathway to Selfdestruction, die man sich schon der extremen Vocals wegen einmal anhören sollte. Es gibt das komplette Gegenteil in Form von beinahe doomigen, Trauer atmenden Bands wie Nocturnal Silence und natürlich die irgendwo in der Mitte anzusiedelnden, unvermeidlichen Burzum, deren Sound von Myriaden an Bands kopiert, aber nie erreicht wurde (das darf man selbst als Mayhem-Fan sagen, ohne mit Schweineköpfen beworfen zu werden). Ich für meinen Teil habe stets das Aggressive gesucht und bin daher auch im DSBM immer bei den entsprechenden Bands hängengeblieben, obwohl ich weit davon entfernt bin, das Genre als solches zu lieben. So war es eine spannende Aufgabe für mich als Rezensentin, als die Promo zur kommenden WIGRID-Full-length, „Entfremdungsmoment“, ins Promo-Posftfach flatterte, sich mit Album und Band zu beschäftigen.
Zunächst einmal sei gesagt, dass sich das Saarbrücker Ein-Mann-Projekt der eher zähflüssigen Sorte Bands zurechnen lässt, also den für mich anstrengenden Vertretern, was allerdings kein großer Hinderungsgrund war, gibt es doch erstaunlich wenige Mängel im Songwriting selbst bzw. bei der Produktion zu beklagen. Im Grunde stören da auch lediglich nur die etwas zu weit in den Hintergrund gestellten Vocals, da der übrige Sound doch einigermaßen kraftvoll aus den Boxen wabert. Interessant ist auch der Fakt, dass man in den Riffs sehr oft den Einfluss von Burzum heraushört und wären die Keyboard-Sounds nicht, wäre die Immersion in dieser Richtung schon fast zu perfekt. Gerade „Zugangsbarriere“ hätte so auch auf „Filosofem“ seinen Platz finden können, lediglich erwähnte Keyboards können hier für ein gewisses Maß an Eigenständigkeit sorgen, dienen sie doch mit ihren eher besinnlich-traurigen Tönen als Kontrapunkt zu den durchaus gewaltig-düsteren Riffs. Die große Stärke liegt allerdings in den sich immer wieder aufbauenden monotonen Klanglandschaften, die bis zum Exzess ausgereizt werden und beinahe schon wehtun. Zusammen mit der hoffnungslosen Grundstimmung des Albums ergibt dies eine Atmosphäre, deren Trostlosigkeit nicht nur als Spiegelbild unserer Wirklichkeit dient, sondern es auch schafft, den Hörer extremst runterzuziehen. So sind Tracks wie der Opener „Entzirkulation“ sowie das folgende „Schemenfragment“ Ausdruck sowohl tiefgreifenden Ablehnens dieser Realität als auch ein mutiges „Fuck off“ in Richtung all jener kommerziellen Bands, die eher auf Optik und Provokation denn auf tiefe Inhalte setzen. Ob man diese Einstellung nun befürwortet oder nicht, Respekt verdient sie in jedem Fall. Denn auch die restlichen drei Tracks passen sich in dieses Schema ein und lassen wohl jeden Hörer am Ende mit einem ziemlich bedrückten Gefühl zurück – unabhängig davon, wie man nun zu dem Stil steht.
„Entfremdungsmoment“ lässt mich zugegebenermaßen etwas ratlos zurück: Auf der einen Seite finden sich verdammt starke Riffs, die den letzten beiden „echten“ Burzum-Alben alle Ehre gemacht hätten sowie eine recht starke Produktion; auf der anderen Seite stehen dem etwas zu kraftlose Vocals gegenüber sowie Keyboard-Melodien, die zu oft einfach zu belanglos und fast schon kitschig klingen und die im Grunde durchaus zu erahnende Immersion in die Songs zunichte machen. Letztlich überwiegend jedoch die positiven Aspekte, da man hierzu noch eine sehr stimmige Atmosphäre und schlüssiges Songwriting zählen kann. Wer vertrauter mit dem Subgenre ist bzw. sich an den Kritikpunkten nicht stört, darf hier gerne noch den einen oder anderen halben oder ganzen Zähler hinzurechnen. GEHEIMTIPP!!! +++ 7 / 10 Punkten
WIGRID – Entfremdungsmoment
Depressive Black Metal from Germany
Bleeding Heart Nihilist Productions
Running time: 56:10 minutes
Release date: September 11th, 2019 (all formats)
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Review © 2019 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation