Betrachtet man Black Metal einmal länderspezifisch auf seine stilistische Entwicklung, so fällt der Blick unweigerlich auf Frankreich. War man in den Neunzigern der stets melancholische, romantische und avantgardistische Außenseiter, so hat sich dies in der letzten Dekade gehörig gewandelt, reicht die stilistische Palette doch mittlerweile vom Raw Black Metal über den klassichen, von den skandinavischen Bands beeinflussten Black Metal bis hin zum Post-Black Metal. Die Qualität der Bands ist dabei stets eine recht hohe (vom Raw Black Metal einmal abgesehen), so dass man sich Alben französischer Herkunft beinahe blind kaufen kann. Dies gilt auch für die seit 2011 aktiven, aus Paris stammenden NEPTRECUS, deren Sound sehr an eine Mischung aus norwegischem und schwedischem Black Metal zur Blüte der zweiten Welle Mitte der Neunziger klingt. In wenigen Tagen erscheint mit „Ars Gallica“ nun das dritte Album, welchem wir uns im Folgenden einmal genauer widmen werden.
Der extrem wütende Opener „Notre Berceau – Notre Tombeau“ gibt von der ersten Sekunde an die Marschrichtung vor: Zumeist im oberen Midtempo angesiedelt, macht man hier keine Gefangenen und stellt eindrucksvoll unter Beweis, dass man die Essenz dessen, was den Black Metal einst ausmachte, regelrecht inhaliert hat. Besonders die Tempiwechsel zu kurzen, rasenden Ausbrüchen oder hin zu melodischen Leads können hier überzeugen – etwas, was man noch sehr oft in diesen 47 Minuten finden wird. Denn auch das folgende „Ethique de la volonté“ führt die eingeschlagene Richtung unbeeindruckt weiter, jedoch erlaubt man sich etwas mehr Dynamik in den Leads, die man sehr weit in den Vordergrund rückt. Generell achtet man darauf – auf das gesamte Album bezogen – nicht stur mit einem Tunnelblick nach vorne zu schauen, sondern erlaubt sich auch genügend Ausreißer nach links und rechts, um somit eine gewisse Abwechslung zu gewährleisten. „Soyons terribles pour dispenser le peuple de l’être“ ist dabei der erste Track, der erstmals richtig viel Gas gibt und in diesen knapp sieben Minuten ein Feuerwerk an bösen Riffs durch die Boxen jagt. Besonders das Break nach dem ersten Drittel hin zu einer kurzzeitig etwas ruhigeren Passage und dem anschließenden Wechsel ins Midtempo ist vorzüglich gelungen. Das achminütige „Fidelitas“ ist der große Kontrapunkt des Albums: Ansatzweise hymnisch-episches Riffing in Kombination mit sehr vielen ruhigen Momenten und einer eher getragenen Grundstimmung stellen den Track weit hinaus, so dass man sich oftmals wünscht, genau dies einmal albumfüllend hören zu dürfen. Mit „Aux grands hommes la patrie reconnaissante“ zieht man das Tempo wieder leicht an, gönnt diesem jedoch erneut einen sehr gelungenen, ruhigen Part, dessen Solo sehr vom Hardrock der Siebziger beeinflusst ist, was eine interessante Kombination darstellt, fügen sich beide Stile doch sehr harmonisch ineinander. Hört man genau hin, finden sich diese Anspielungen ebenfalls in vielen anderen Tracks, wenn auch nur als kleine Nuancen in den Leads. Deutlich im klassischen Black Metal verhaftet geht man schließlich in den Endspurt: „Messager de l’oubli“ ist wie der Opener ein sehr nach vorne treibender Song ohne Kompromisse, der deutlich macht, dass man es trotz aller Spielereien im Sound immer noch mit einem aggressiven Vertreter schwarzer Tonkunst zu tun hat. Den Höhepunkt des Albums hat man sich für den Schlusstrack aufbewahrt: „Retour aux sources“ hat nicht nur das schönste Lead des gesamten Albums, auch die unterschwellige, epische Atmosphäre im Riffing im Wechsel mit aggressiveren Parts tut ihr Übriges, um „Ars Gallica“ ein Finale zu verpassen, wie man es gerne viel öfter hören möchte. Großartig!
Hätte man mir dieses Album vor einem halben Jahr vorgelegt, so hätte ich es vorbehaltlos und trotz seiner wenigen Mängel in den Himmel gelobt. Jedoch – und dies ist Kritik auf hohem Niveau! – steht dem ein Album wie das aktuelle von Sühnopfer entgegen, dass sich zwar stilistisch deutlich unterscheidet, aber an dessen Intensität und Passion sich derzeit alles messen lassen muss, was aus meiner zweiten Heimat kommt. NEPTRECUS haben stellenweise einige so wundervolle melodische Leads in ihre Songs gepackt, dass es schlichtweg sehr schade ist, diese nicht öfter hören zu dürfen. „Ars Gallica“ ist natürlich kein schlechtes Album, beileibe nicht! Die Songs sind extrem treibend und abwechslungsreich arrangiert, so dass es verdammt gut hörbar ist und richtig viel Spaß macht. Der einzige wirkliche Kritikpunkt ist die stets wahrnehmbare, klickende Kickdrum, die einfach nicht so recht in den Rest des Klangbildes passen will. Davon jedoch abgesehen, sollte sich jeder Fan des Genres und speziell natürlich des französischen Black Metals dieses Albums annehmen, dem man ohne weiteres und ohne weitere Umschweife guten Gewissens eines aussprechen darf: die KAUFEMPFEHLUNG!!! +++ 8 / 10 Punkten
Bereits jetzt ist das Album im Webshop des Labels vorbestellbar. Erhältlich ist es als CD sowie als auf 100 Exemplare limitiertes A5-Digibook. Im Bandcamp-Shop der Band selbst ist es zudem als digitale Version zu erwerben. Am Releasetag wird es alle Infos rund um diese Versionen natürlich auch auf der Facebook-Seite von Black Salvation geben.
NEPTRECUS – Ars Gallica
Black Metal from France
Purity through Fire
Running time: 47:37 minutes
Release date: August 19th, 2019 (CD, digital – LP-version following later that year)
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Review © 2019 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation