Was haben wir auf dieses Album gewartet! Als vor zwei Jahren die EP „Urd“ der sächsischen Newcomer NORNÍR erschien, war von Anfang an klar, dass hier die nächste große Hoffnung der heimischen Black Metal-Szene aufgeschlagen ist (2015 erschien bereits ein Demo, das jedoch noch wenig Aufmerksamkeit bekam). Der durchaus nordische Sound, der sich jedoch in kein Korsett zwängen ließ und schon zu diesem Zeitpunkt das große Potential der Band zeigte, hatte bei vielen Hörern einen tiefen Eindurck hinterlassen. So wie auch bei dieser Rezensentin, die der EP immerhin acht Punkte gönnte. Was uns nun jedoch auf „Verdandi“ geboten wird, spottet beinahe jeder Erwartungshaltung, da man diese um ein Leichtes übertreffen konnte.
Schon das Intro „Kveld“, das mit seiner, von einem Sturm unterlegten, tribalistischen Atmosphäre die richtige Stimmung als Einstieg gewählt hat, macht dies deutlich, da man übergangslos in den Opener „Vergessenheit“ wechselt und damit den Sturm erst recht entfesselt: Hochmelodische Riffs, die rauen bis aggressiven Black Metal-Vocals, energetisches Drumming und über allem eine donnernde, alles vernichtende Produktion. Selbst bei nur sehr moderater Lautstärke drückt der Sound einwandfrei aus den Boxen, was in exakt dieser Form auch nur ein paar Mal im Jahr vorkommt; gerade bei Bands, die nach wie vor Underground-Status haben. Besser kann man beileibe kein Album eröffnen und somit ist es nur konsequent, dass man direkt im Anschluss „Natt“ als atmosphärischen Kontrast setzt. Das greift zunächst die Atmosphäre des Intros auf, ohne dass dies einen Bruch im Spannungsbogen erzeugt. Im Gegenteil; sobald man wieder das Gaspedal durchtritt, fühlt es sich an, als ob alle Höllenhunde auf einmal von der Leine gelassen würden. Der komplette Track ist eine einzige Eruption von Energie, die so gewaltig ist, das man befürchten könnte, das wäre es jetzt gewesen. „Transzendenz“ belehrt uns eines besseren: Der Track ist in Aufbau, Riffing und Atmosphäre besser als alles, was in den letzten Monaten aus Finnland kam (an dessen Sound sich NORNÍR ja sehr anlehnen). Alleine dieser Song reicht aus, um das aktuelle Album von Sargeist um Längen zu übertrumpfen. Da schauen die alten Heroen, nun ja, alt aus. Alleine dieses Lead am Ende des zweiten Drittels; Gänsehaut pur! Die hat man allerdings generell die komplette Spielzeit über, so auch beim folgenden „Yggdrasil og Nornene“, das zu Beginn vom Wechsel zwischen akkustischen und voll verstärkten Parts lebt und erneut diese melodischen Riffs einbaut, die einfach – man kann es nicht anders sagen – absolut grandios sind. Es macht eben doch einen Unterschied, ob man schlicht „sein Ding durchzieht“ oder aber wirklich mit Leidenschaft bei der Sache ist. Hier trifft definitiv der zweite Punkt zu, denn gerade die kleinen Nuancen im Riffing zeigen, wieviel Gedanken man sich über Songs im wahrsten Sinne des Wortes gemacht hat. Alleine schon, dass sich das Album wie aus einem Guß anhört, ohne dass man Track an Track klatscht, wie das die Konkurrenz aus dem Land der tausend Seen ja leider nur allzu oft tut. „Isvinden i Nord“ ist dafür ein weiteres Beispiel. Obwohl es auf den ersten Blick wie eine Fortsetzung des Vorgängers wirkt, finden sich so viele Details, die man erst bei den nächsten Durchläufen nach und nach erschließt. Hier ein Break, um dem Song unvermittelt eine andere Richtung zu geben, da eine Varianz im Riffing, und schon hat man etwas völlig anderes in den Ohren. Auch der Schlußtrack „Valhalla’s call“ ist da keine Ausnahme. Gerade die Tempiwechsel machen hier einen großen Reiz aus, so daß man nicht mit einem großem Donnerschlag abtritt. Der Hörer wird vielmehr langsam ans Ende herangeführt, das schließlich akkustisch und leise ausfaded…
Es kommt ja nicht oft vor, aber ich war nach dem ersten Durchlauf von „Verdandi“ absolut sprachlos. Es stand zwar im Raum, dass dies ein starkes Album werden würde, aber hätte man mir gesagt, dass dies eines der besten Alben ist, die ich in diesem Segment in der letzten Dekade gehört habe, hätte ich wahrscheinlich nur müde gelächelt. Und dennoch, nach dem ersten Durchhören war ich absolut geschockt. Denn wer es schafft, bereits mit seinem ersten Longplayer sämtliche Genrekollegen so souverän an die Wand zu spielen und am Ende das Gefühl zurücklässt, dass hier gerade etwas verflucht Episches über einen hinweggerollt ist (was einmal, vielleicht zweimal im Jahr passiert), der hat definitiv die besten Voraussetzungen, um wirklich relevant für die Szene zu sein. „Verdandi“ und damit auch NORNÍR sind dank dieser Veröffentlichung nun extrem nah dran, die absolute Speerspitze im Genre zu bilden! PFLICHTKAUF!!! +++ 9 / 10 Punkten
Wie bei den stets erstklassig aufgemachten Releases von Northern Silence Productions üblich, erscheint auch „Verdandi“ in diversen Formaten, so dass die Auswahl schwer fällt, welches Schmuckstück es denn nun für die Sammlung sein soll: Neben der normalen Digi-CD und digital gibt es das Album noch in zwei verschiedenen Vinyl-Farben. Zum einen in weiß (limitiert auf 199 Exemplare) und als schwarz-weißes Splatter-Vinyl, das auf 99 Exemplare begrenzt ist. Schnell zuschlagen lohnt sich also!
NORNÍR – Verdandi
Black Metal from Germany
Northern Silence Productions
Running time: 44:55 minutes
Release date: 22.02.2019 (all formats)
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Northern Silence Bandcamp
Review © 2019 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation