Auch eine gefühlte Ewigkeit nach ihrem Ableben sind Dissection so präsent, dass es manchmal schon unheimlich wirkt, wie nahe manche Bands deren Sound kommen. Einige lösen sich mit der Zeit von diesen Einflüssen (The Spirit, Thron, Valdrin), andere machen aus ihrer Vorliebe für diesen Stil keinen Hehl und zollen bis ins kleinste Detail Tribut (Thulcandra) und eine dritte Sorte lässt diese Einflüsse zwar überdeutlich in ihren Sound einfließen, so dass sich eine gewisse Kontinuität zu den Originalen bildet, fügt andererseits jedoch auch soviel Eigenständigkeit und Liebe fürs Detail hinzu, dass man sich als Hörer (und auch als Rezensent) doch ziemlich schämt, ständig diese Vergleiche anzustellen. Gerecht wird man einer Band wie den Engländern NINKHARSAG damit nämlich nicht, wie sie gerade erst mit „The dread march of solemn gods“, dem zweiten Album, wieder einmal bewiesen haben.
Nachdem dieser Punkt geklärt ist, konzentrieren wir uns lieber auf den Release an sich: Als erstes muss man natürlich die sehr starke Produktion in den Fokus rücken, ist diese doch verdammt druckvoll und dynamisch. Zwar hat das Album relativ wenige ruhige Momente, doch besonders in den Breaks und Leads bemerkt man, wieviel Raum man jedem Instrument eingeräumt hat, die zusammen mit den Vocals eine perfekte Balance bilden. Das kommt natürlich den Songs an sich zugute, so dass man zu jeder Sekunde in diesen 41 Minuten wirklich jedes kleine Detail des erstklassigen Songwritings regelrecht aufsaugen kann. Sobald das atmosphärische Intro „Night wrath“ über einen hinwegrollt, dessen zweite Hälfte schon die ersten melodischen Leads einbaut, fühlt man sich in eine schneebedeckte Winterlandschaft nach Hause geholt. Der direkt folgende Titeltrack „The dread march of solemn gods“ fegt anschließend wie ein wütender Sturm über den Hörer hinweg; energetisch, erhaben, voller Bosheit und doch so geprägt von musikalischer Schönheit, dass es wie ein Gemälde vor dem inneren Auge wirkt. „Under the dead of night“ lässt dann aufhorchen, erinnert man hier zu Beginn schon ein wenig an mittlere Emperor, was das Riffing angeht. Der hymnische Chorus dagegen lässt einen wohligen Schauer nach dem anderen den Rücken hinunterlaufen – und auch, wenn es sehr pathetisch klingt: Das Herz möchte einem vor Freude zerspringen, so perfekt fließen hier Melodieführung, Intonierung der Vocals und das energische Drumming zusammen.
Mit „Lunar hex, the art of mighty lycanthrophy“ nimmt man zumindest phasenweise ein wenig das ansonsten sehr hohe Tempo heraus. Auch dieses Midtempo steht dem Quartett äußerst gut zu Gesicht und führt zu mehr Abwechslungsreichtum. Man kann jedoch mit Fug und Recht behaupten, dass es zu den großen Stärken des Albums gehört, dass auch die in sehr hohem Tempo vorgetragenen Passagen über einen langen Zeitraum hinweg nicht ermüden. So ist es kein Wunder, dass man das wieder etwas zackigere „The Necromanteion“ als logische Konsequenz folgen lässt, das man rein vom Songaufbau her zu den stärksten Tracks des Albums zählen darf. Vollends aufs Gaspedal tritt man mit „Discipline through black sorcery“, das schon von der letztjährigen EP bekannt ist (natürlich ebenso wie „The Necromanteion“) und einfach ein wahnsinnig intensiver Track ist, der einen spätestens an diesem Zeitpunkt komplett durchdrehen lässt. „The tower of perpetual twilight“ führt mit seiner hymnenhaften Epik in weit über den Normalsterblichen liegenden Regionen und wirkt gleichzeitig so geerdet, dass sich die vor dem inneren Auge bildenden Bilder wie durch ein Kaleidoskop betrachtet immer wieder übereinanderlegen, auseinanderdriften und ständig neue Formen annehmen. Denn egal wie straight man nach vorne prescht, der musikalische Anspruch ist jederzeit gegeben, wofür auch „Spectres of the ancient world“ ein gutes Beispiel ist, das langsam den Albumabschluss vorbereitet. Und der kommt schneller, als einem lieb ist: „Strigoi diabolicum“ beendet das Album nämlich mit einem Donnerschlag – im übertragenen Sinne. Denn an dieser Stelle sollte ich dringend noch darauf hinweisen, dass die Band es zu keiner Zeit nötig hat, auf irgendwelche Effektspielereien zurückzugreifen. Und sobald die letzten Töne ausgefaded sind, drückt man auf „Repeat“; darum kommt man einfach nicht herum…
Ich muss ehrlicherweise gestehen, dass ich mir die Wertung nicht einfach gemacht habe. Natürlich kann man oberflächlich betrachtet auf die deutlich erkennbaren Einflüsse hinweisen und „The dread march of solemn gods“ damit seine Eigenständigkeit absprechen. Aber sowohl subjektiv wie auch objektiv lässt sich schlichtweg keine Schwäche feststellen: Das Songwriting gestaltet sich abwechslungsreich und packend, jeder einzelne Track vermag den Hörer fest zu fassen und ihn in eine Immersion zu ziehen, die beinahe schon lebensecht spürbare Bilder in ihm aufsteigen lässt. Es weckt tiefsitzende Emotionen, die nichts mit irgendwelchen nostalgischen Blicken nach hinten in die Neunziger zu tun haben. NINKHARSAG haben das seltene Kunststück vollbracht, ein perfektes Album zu veröffentlichen, bei dem von der Aufmachung über den Sound bis hin zu jeder noch so kleinen Note die Authentizität und Leidenschaft bemerkbar ist, die darin steckt. Melodischer Black Metal in seiner pursten und reinsten Form also. Mit einem Wort: Ein MEISTERWERK!!! +++ 10 / 10 Punkten
Erschienen ist „The dread march of solemn gods“ am 30.04.2021 via Vendetta Records als CD im Digipack und im Jewelcase, als Tape, digital sowie als 12″-LP auf schwarzem Vinyl, das jedoch bereits ausverkauft ist.
NINKHARSAG – The dread march of solemn gods
Melodic Black Metal from England
Vendetta Records
Running time: 41:12 minutes
Release date: April 30th, 2021 (all formats)
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Review © 2021 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation