„ALL HAIL LUCIFER!!!“
Im Großen und Ganzen habe ich mich immer für einen Menschen gehalten, den so schnell nichts überraschen kann – einen Menschen, der eher zweifelnd, oft sogar pessimistisch auf das Leben blickt, das uns umgibt. Auch hinsichtlich der Musik, die wir alle doch so sehr lieben, hege ich hin und wieder diese Gefühle. Das liegt nicht einmal an der Kommerzialisierung des Undergrounds, die es ja schon immer gab und auch immer geben wird – ich bin sogar dankbar dafür, dass gerade kleine Bands durch die modernen Vertriebswege viel eher die Möglichkeit haben, sich zu präsentieren. Die Schattenseite ist natürlich der maßlose Overkill an Releases, durch die man sich als Fan und mehr noch als Musikjournalist Woche für Woche teilweise wirklich durchackern muss, um die wirklichen Perlen aus dem ganzen Wust herausziehen zu können. Und oftmals sind es gerade die größeren, schon länger etablierten Bands, die einen dann doch verzückt mit den Ohren schlackern lassen, wenn diese ein Album veröffentlichen, das man in dieser oder jener Form nun wirklich nicht erwartet hätte. So wie die belgische Institution ENTHRONED, die seit ihrem Debüt „Prophecies of pagan fire“ (1995) neben einer Handvoll anderer Bands einen ganz besonderen Platz sowohl in meinem Plattenschrank als auch in meinem Herzen innehaben. Das liegt zum einen natürlich daran, dass ich wohl auf immer und ewig mit „Deny the holy book of lies“ von besagtem Debüt im Ohr herumlaufen werde – zum anderen jedoch, dass die Mannen stets extrem solide und starke Alben veröffentlicht haben, die immer eine etwas andere Richtung einschlugen als der jeweilige Vorgänger. So war die Wandlung von den mit Keyboards untermalten Anfängen über die extrem agressive Phase danach hin zu einer okkulteren und düsteren Richtung nur die logische Konsequenz dieser Entwicklung. Das Meisterstück wurde jedoch jetzt – nach 25 Jahren Bandhistorie – mit dem neuesten Output „Cold black suns“ veröffentlicht.
Alleine schon der rein instrumentale Opener „Ophiusa“ (lediglich von einigen wenigen flüsterleisen Passagen unterlegt) eröffnet einen wahren Mahlstrom, der dich unhaltbar in den Abgrund hinabzieht. Die Zeiten aggressiven Vorpreschens auf Albumebene sind zwar definitiv vorbei; dass die Belgier jedoch auch diese Kunstform nicht verlernt haben, macht man mit dem folgenden, verdammt kurzen „Hosanna Satana“ deutlich, das im krassen Widerspruch zu den ersten Minuten steht, das Abwärtsdriften in das Nichts jedoch nicht aufhalten kann. „Oneiros“ wirft das Tempo dann wieder in die andere Richtung: Dass ENTHRONED wahre Meister darin sind, düstere und vielschichtige Soundkaskaden zu entwickeln, ist ja schon auf den letzten Alben deutlich geworden, jedoch wurde dies noch nie in dieser Intensität regelrecht zelebriert, wie es nun auf „Cold black suns“ geschieht. Alleine schon eben besagter Track enthält soviel Tiefe, wie manche Band im Occult Black Metal es gerade mal so auf einem Album hinbekommt. Mit „Vapula Omega“ zieht man das Tempo anschließend geringfügig an, was dem Flow des Albums spürbar gut tut. Besonders gut gefällt in den schnelleren Passagen, in denen die Double-Kickdrum ordentlich durchgedrückt wird, dass diese stets leicht im Hintergrund gehalten ist, was weder störendes Klackern erzeugt und weit von einer dominanten Position entfernt ist. Da wurde im Mix ganze Arbeit geleistet! Zu den stärksten Tracks auf dem Album gehört „Silent redemption“, das vor Energie fast zu bersten scheint: Die Breaks zwischen den Mid- und Uptempo-Passagen sind dermaßen geschickt gesetzt und funktionieren so flüssig, wie man es selten hört. Spätestens jetzt ist man froh darüber, welche Entwicklung die Band hinter sich hat und nach wie vor so eigenständig, wie es nur sein kann, agiert. Der ruhige Part in der Mitte des Songs ist dabei so kunstvoll integriert worden und das anschließende Anschwellen der Energie funktioniert erneut ohne jeden Bruch in der Songstruktur, dass es pure Freude ist, sich dies immer und immer wieder anzuhören. „Aghoria“ steht in der Tradition des Openers: Drückende, schwere Riffs, eine ebensolche Atmosphäre und beschwörende Vocals treffen hier aufeinander und öffnen den Abgrund noch ein Stück weiter. Der drückenden Atmosphäre wird in „Beyond humane greed“ noch ein Stück mehr Raum eingeräumt und somit das letzte Drittel des Albums eingeläutet. „Smoking mirror“ hebt da noch einmal ordentlich das Tempo an und fügt dem Album noch den nötigen Schuss an Brutalität hinzu, was man in gewisser Weise auch als Hinweis darauf sehen kann, „ja, wir können das noch“. Doch auch hier wird die Geschwindigkeit wieder gezügelt und ins Midtempo hinabgezogen und das alles ohne irgendeinen stilistischen Bruch zu hinterlassen. Das songwriterische Niveau ist über die Jahre extrem hoch geworden, was man einfach anerkennen muss. Der krönende Höhepunkt ist allerdings das abschließende „Son of man“: Ein derart atmosphärisches, zunächst zurückgenommenes und so weit ab von den eigenen Wurzeln entstandenes Stück hätte man nun doch nicht erwartet. Alleine schon die Riffs, die zwischen Manie (eher an Deathspell Omega erinnernd) und hoffnungsvoller Schwärze pendeln, sind ein Meisterstück in diesem Segment des Black Metal. Der furiose Schlusspart ist dabei nur das Tüpfelchen auf dem i, der ein wahrhaft großes Album ausklingen lässt!
Ich habe es ja schon im Review zur aktuellen Kampfar vor einigen Monaten betont, dass es nicht gerade einfach ist, als Fangirl objektiv zu bleiben; durch die Erfahrung als Musikjournalistin in den vergangenen zwei-einhalb Jahren kann ich jedoch guten Gewissens sagen, dass diese Meinung hier weitestgehend objektiv gehalten ist. Und wie könnte sie es nicht sein? Ist „Cold black suns“ doch ein regelrechtes Meisterwerk schwarzer Tonkunst! Die drückenden, pechschwarzen Riffs, die abgrundtief dunkle Atmosphäre und eine fantastische Vocalperformance heben ENTHRONED wieder einmal über das Gros der meisten Black-Metal-Bands hinaus. Die Belgier haben nicht einfach nur ihr nächstes Album veröffentlicht, sondern den wahrscheinlich wichtigsten Meilenstein in ihrer gesamten Discographie! Wer diesem Album nicht zumindest die Chance gibt, sich intensiv hineinzuhören, der verpasst etwas ganz, ganz Großes! Ein MEISTERWERK!!! +++ 10 / 10 Punkten
Das Album ist sowohl im Webshop des Labels als auch in deren Bandcamp-Shop in den folgenden Formaten erhältlich: als Digipack-CD, als 12″-LP auf schwarzem Vinyl, rotem Vinyl (300 Exemplare), silberfarbenem Vinyl (350 Exemplare), als Tape (175 Exemplare) sowie digital. Das goldfarbene Vinyl (limitiert auf 100 Exemplare) ist in beiden Shops bereits vergriffen.
ENTHRONED – Cold black suns
Black Metal from Belgium
Season of Mist
Running time: 48:31 minutes (without CD bonus track)
Release date: June 7th, 2019 (all formats)
Season of Mist Webshop
Season of Mist Bandcamp
Enthroned Bandcamp
Review © 2019 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation