Über die letzten beiden Jahre hinweg habe ich ja einige Bands genannt, mit denen ich sehr intensive Erlebnisse verbinde und die für meine persönliche sowie musikalische Entwicklung sehr wichtig waren und die mein grundlegendes Verständnis für Musik mit beeinflussten. Es gibt jedoch keine andere Band, zu der ich eine solch hohe emotionale Verbindung aufgebaut habe, wie dies bei KAMPFAR der Fall ist. Es ist nicht nur die schiere musikalische Leistung, die die Norweger für mich zu etwas Besonderem gemacht haben, sondern vor allem die Leidenschaft und die Emotionen, die ich mit jeder neuen Veröffentlichung durchlebe. Auf Grund dessen ist es natürlich sehr schwierig, auch nur einigermaßen objektiv an ein Review heranzugehen. Denn bereits im März, als das neue Video zu „Ophidian“ online ging, wurde ich sofort wieder in diesen ganz bestimmten Modus versetzt, der mich alles andere um mich herum in pure Routine verwandelte; Black Salvation, der Job, Freunde, selbst meine Freundin, die derzeit in Ghana in einer medizinischen Einrichtung arbeitet, musste hinter der Erwartung auf „Ofidians manifest“ zurückstehen. Dies ist der Titel des am 03.05.2019 bei Indie Recordings erscheinenden achten Albums, das, sowiel verrate ich bereits jetzt, das beste ist, das der Black Metal-Legende jemals gelang.
Denn eine Legende sind KAMPFAR ohne jeden Zweifel. Nicht nur, dass man trotz musikalischer Weiterentwicklung zu jeder Zeit – ob nun 2019 oder 1996 – immer wie man selbst klang; KAMPFAR haben es in diesen über 20 Jahren vollbracht, absolut eigenständig zu bleiben und trotz Erweiterung des Line-ups Anfang der 2000er bzw. des Weggangs von Gründungsmitglied Thomas 2011 unverwechselbar blieben. Der Sound von KAMPFAR beinhaltet eine Atmosphäre, die keine andere Band, ob nun bekannt oder unbekannt, in dieser Form kreieren kann. Und diese Einzigartigkeit ist wahrscheinlich auch der Grund für die hohe Reputation, die der Band seit Beginn entgegenschlägt. Die extreme Zurückgezogenheit von Dolk in den Neunzigern, die von Presse und auch Fans bei jedem anderen Musiker gerade im Black Metal als verschroben und kauzig verschrieen worden wäre, wurde in diesem Falle schlicht als Konsequenz seiner Lebensphilosophie akzeptiert. Und gerade seine Entwicklung auf der Bühne nach Aufnahme der Liveaktivitäten von KAMPFAR ab 2004 brachte ihm den Ruf einer echten Rampensau ein, die jede Stage in Schutt und Asche legen kann und durch seine Bühnenpräsenz absolut authentisch wirkt. Und das gleiche gilt in dieser Hinsicht für jedes andere Bandmitglied auch, da KAMPFAR sich als Einheit verstehen, wie man nicht nur live erleben, sondern auch auf jedem Release heraushören kann.
Was im Opener „Syndefall“ als erstes auffällt, ist die etwas weniger düstere Atmosphäre im Gegensatz zum Vorgänger „Profan“. Die mittlerweile zur Trademark gewordenen klaren, rauen Vocals nehmen jedoch wieder einen dominanten Platz ein und so ist der zwischen oberem und moderat angelehntem Midtempo-Brecher vorzüglich gewählt, um in das Album zu führen. Geschwindigkeitsmäßig bleibt man im folgenden „Ophidian“ diesem Ansatz treu, was sich den kompletten Release über auch nicht ändert. Denn gerade die variablen Midtempo-Passagen sind es, die KAMPFAR auf den letzten Veröffentlichungen zur Perfektion gebracht haben. Atmosphärisch erinnert der Track am ehesten an „Tornekratt“ vom Vorgänger, jedoch ohne dessen alles verschlingende Schwärze, was ihm einen manisch beschwörenden Rhythmus verleiht. Die größte Überraschung sind jedoch die weiblichen Vocals von Agnete Kjølsrud in „Dominans“. Die norwegische Sängerin dürfte man vor allem aus ihrer Mitarbeit bei Dimmu Borgir’s „Abradahabra“ kennen, und auch auch hier ist ihre Perfomance wieder herausragend, zumal ihre sehr markante Stimmlage den Track eindeutig dominiert. „Natt“ ist anschließend das komplette Gegenteil: Zwar nach wie vor von einer dunklen Atmosphäre umgeben, schafft man es irgendwie, zumindest in der ersten Hälfte partiell einen Hauch „alter“ KAMPFAR einfliessen zu lassen. Hier zeigt sich, wie ausgereift und eigenständig der Stil ist, den die Band fährt und wieviel Abwechslung sich auf dem Album findet, denn auch „Eremitt“ fügt wieder eine neue Ebene hinzu: Diesmal sind es vielschichtige Breaks, die den Fluss des Songs stets in eine etwas andere Richtung fließen lassen, ohne jedoch die allen Tracks innewohnende straighte Ausrichtung aus dem Fokus zu verlieren. Und dann höre man sich bitte einmal genau „Skamløs!“ an. Das Riffing in diesem Song ist alles, aber kein Black Metal – zumindest in weiten Strecken. Eher erinnert es, ebenso wie in den Leads, an etwas straighteren Rock an der Grenze zum Metal, wie man ihn von Audrey Horne kennt. Musikalisch ist das beeindruckend in den Gesamtsound eingefügt. Der Abschlusstrack „Det sorte“ dürfte mit zu stärksten Tracks gehören, den die Norweger je abgeliefert haben – und das will etwas heißen! Der zu Beginn von manisch treibenden Drums ins Rollen gebrachte und sich nach einem Break in einen typischen KAMPFAR-Track wandelnde Song treibt sehr energetisch nach vorne, bevor man ihm, nicht zuletzt durch die wunderschönen Gast-Vocals Marianne Maria Moen’s unterlegt, etwas zutiefst naturverbundenes und mit Worten kaum fassendes Element hinzufügt und ihn schließlich langsam und rein akkustisch ausfaden lässt. Besser hätte man dieses Album nicht schließen können und besser hätte man nicht zeigen können, wo man nach 25 Jahren Bandgeschichte heute steht.
Natürlich ist dieses Review eine einzige Liebeserklärung an die für mich wichtigste Band überhaupt. Und auch wenn es einige Punkte gibt, die in einem separaten Special wieder auftauchen werde, dass ich KAMPFAR innerhalb der nächsten Wochen vor dem Release noch widmen werde, so war mir die Erwähnung an dieser Stelle dennoch wichtig. Natürlich macht mich das Erscheinen von „Ofidians manifest“ extrem euphorisch und natürlich ist es nicht einfach, dieses neue Album gegen ein älteres aufwiegen zu wollen, wenn man jedes einzelne davon ausnahmslos großartig und outstanding findet. Allerdings: Nachdem ich das Album innerhalb der letzten beiden Wochen nach Promo-Eingang ungefähr fünfzig Mal gehört habe und jeder neue Durchlauf spannend bleibt, kann ich auch ganz objektiv sagen, dass es die hohe Wertung rechtfertigt, da hier einfach alles stimmt: Abwechslungsreiche, packende Songs, die sich nirgendwo wiederholen. Songs, die zwar eindeutig KAMPFAR sind, die es so vorher aber noch nie gegeben hat. Und natürlich eine Produktion, die keine Wünsche offen lässt und bspw. die aktuelle Behemoth meilenweit hinter sich zurücklässt. Wer bereits Fan ist, wird sich „Ofidians manifest“ sowieso ins Regal stellen. Wer die Band noch nicht kennt, dem kann ich nur raten, es zumindest anzutesten – unabhängig davon, ob man im Black Metal wurzelt oder stilübergreifend harte und düstere Musik liebt. MEISTERWERK!!! +++ 10 / 10 Punkten
Schon jetzt kann (und sollte !!!) man sich „Ofidians manifest“ im Webshop des Labels vorbestellen. Das Album wird es als reguläre CD geben, als auf 1000 Exemplare limitierte Digipack-CD mit Prägedruck auf dem Cover, als reguläre 12″-LP auf schwarzem Vinyl im Gatefold-Cover sowie als auf 600 Stück limitierte 12″-LP im Gatefold-Cover mit Prägedruck, ebenfalls auf schwarzem Vinyl.
KAMPFAR – Ofidians manifest
Black Metal from Norway
Indie Recordings
Running time: 40:36 minutes
Release date: May 3rd, 2019 (all formats)
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Review © 2019 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation