Da behauptet man, sich gut in der Szene auszukennen und gut vernetzt zu sein, und dennoch wird man permanent von Releases und Bands überrascht, die man schlichtweg nicht auf dem Schirm hat. Aktuell so geschehen mit den Franzosen DRASTUS, die bereits seit 2004 aktiv sind und nun ihr zweites Album herausbringen. „La croix de sang“ ist das gute Stück betitelt und selbiges hat mich einige schlaflose Nächte gekostet. Schon nach dem ersten Durchlauf hat alles in mir geschrieen, „Review, zackig!“, und da ich mir als Halbfranzösin ja eine durchaus leichte (*räusper*) Verbindung zum französischen Black Metal nachsagen lassen darf, konnte ich der Aufforderung ja auch schlecht widerstehen.
Dabei ist das französische Element gar nicht mal so leicht herauszuhören. Ja, ich weiß: Die Szenen vermischen untereinander immer mehr und es wird von Jahr zu Jahr spannender, überhaupt noch die richtige Herkunft einer Band erraten zu wollen – von der Verquickung der Stile fange ich jetzt gar nicht erst an. Alleine schon der Opener „Nihil sine polum“ ist Occult Black Metal in seiner aggressivsten Form. Die Riffs sind wild, chaotisch und böse, die Vocals passend dazu in mittleren Lagen agierend, wie das zum Glück ebenfalls mittlerweile zum guten Ton gehört (pures Gekreische hat sich meiner Meinung nach sowieso erledigt). Auch die Drums feuern aus allen Rohren, wobei man gerade die Kickdrums etwas in den Hintergrund gerückt hat und somit der Snare und den Toms viel Raum gibt, was für diese Art von Musik sowieso unabdingbar ist, um zu funktionieren. Dass der gute Mann hinter den Kesseln sein Handwerk versteht, dafür ist das dem Opener folgende „Ashura“ ein prägnantes Beispiel. Soviel Energie muss erst mal aufgebracht werden, um all die Rhythmuswechsel wirklich fließend umsetzen zu können. Großartig! Mit „Crawling fire“ nimmt man das Tempo dann erstmals zurück und lässt den Hörer die letzten elf Minuten Hochgeschwindigkeit verarbeiten. Zwar nur im ersten Viertel des Songs, dies reicht aber aus, um die, wenn auch nur schwach, vorhandene typische Atmosphäre sonstiger französischer Releases durchschimmern zu lassen. Im Laufe dieser knapp neun Minuten setzt sich allerdings ein recht fieser Gedanke fest: Wie würden Mayhem heute klingen, wenn man sich wieder mehr an „De mysteriis…“ orientieren und das in die heutige Zeit transponieren würde? Die Chancen stünden nicht schlecht, dass man dann exakt so klingen würde, wie DRASTUS. Und da ich sonst zu denjenigen gehöre, die jede Kritik an den Norwegern wegen ihrer ständigen Weiterentwicklung ablehnt und für die jeder neue Release eine spannende Erfahrung ist, will das was heißen. Auch habe ich selten genug erlebt, dass die Empfehlung „für Fans von…“ in einem Promowish so gut passt. Denn die Erwähnung von Mayhem, Deathspell Omega und Dead Congregation passt hier wie die Faust aufs Auge. Man höre nur einmal in „The crown of death“ rein, dass wie die perfekte Symbiose aus den beiden letzgenannten Bands klingt. Noch weiter im Tempo reduziert als der vorige Track, baut man hier quasi eine Kathedrale von einer Soundwand auf, so gewaltig ist deren Wirkung. Jedoch erzeugt man auch mit einem akkustischen Interludium wie „Hermetic silence“ viel Atmosphäre. Zudem fügt es sich so harmonisch ins Album ein, dass es sowohl eine willkommene Abwechslung bietet als auch als Vorbereitung für das letzte Drittel der Spielzeit dient. Und die beginnt mit „Occisor“ verdammt heftig: Das Eingangsriff hat fast etwas thrashiges und geht schließlich in etwas über, dass ohne jeden Zweifel der beste Track auf der letzten Watain gewesen wäre. Und ja, auch hier lehne ich mich extrem weit aus dem Fenster, da die Schweden ohne jeden Kompromiss zu meinen Alltime-Top-Five gehören und ich auch deren letztes Album als extrem stark empfand. Doch die verarbeiteten Einflüsse fließen hier so stark zusammen, wie das nur äußerst selten geschieht. Mit dem beinahe zehnminütigen Schlusstrack „Constrictor torrents“ bestätigt man dies nur einmal mehr. Das Album führt hier so ziemlich jede einzelne Nuance zu einem wirklichen Monster zusammen: Böse und schwer zu Beginn, steigert man langsam die Intensität hinsichtlich des Tempos und fügt sogar noch klare, jedoch morbide wirkende Vocals hinzu, die man in der Form leider nur allzu selten in einem Genre findet, dass seine Relevanz in der okkulten Ausdrucksform sucht. Was am Ende bleibt, ist nicht nur das Gefühl, hier ein wahres Meisterwerk vorliegen zu haben, sondern auch, dass man diesem mit keinem Wort wirklich gerecht werden kann.
Mein erster Gedanke, als die Promo vor mir lag, war: Hui, Black Metal aus Frankreich! Und ich habe mich schon lange nicht mehr so geschämt, nur anhand dieser – eigenen – Etikettierung die Band sofort in eine bestimmte Richtung zu stellen. Denn dieses Album gehört zu den aggressivsten im Occult Black Metal, die mir jemals untergekommen sind. Die schiere Brachialität in den einzelnen Tracks in Verbindung mit dem extrem starken Songwriting machen „La croix de sang“ zu einem der stärksten Releases, die dieses Jahr bisher zu bieten hat und wahrscheinlich auch bieten wird. Ich für meinen Teil bin mir ziemlich sicher, dass das hier so schnell nicht getoppt werden kann. PFLICHTKAUF!!! +++ 9,5 / 10 Punkten
Jetzt mal ehrlich: Aufgeschlossene Menschen sehen doch nicht immer alles schwarz/weiß und dass dieses Denken auch im Black Metal angekommen ist, dafür sind doch auch gerade die mittlerweile vielfältigen Gestaltungsarten der Cover ein Zeichen, die auch abseits von gezeichneten Coverbildchen a lá Verwimp oder Necrolord Farbe ins Genre bringen. Das durchgehend in blau und schwarz gehaltene Design dieser Platte spricht jedenfalls dafür und ist ein echter Hingucker im Plattenregal. Und am einfachsten ordert ihr es euch als Vinyl, CD oder meinetwegen auch digital im Bandcamp-Shop der Band, ansonsten im Webshop des Labels.
DRASTUS – La croix de sang
Black Metal from France
Norma Evangelium Diaboli
Running time: 46:48 minutes
Release date: March 1st, 2019
Drastus Bandcamp
Norma Evangelium Diaboli Webshop
Review © 2019 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation