Was ist eigentlich typisch „deutscher“ Black Metal? Klammert man einmal die ganze NSBM-Scheiße aus, ist die Antwort gar nicht mal so einfach, da man hierzulande im Grunde entweder stilübergreifend arbeitet oder sich auf eine bestimmte Richtung festlegt, die oftmals frappierend an das jeweilige stilistische Ursprungsland erinnert. Das kann schon mal verwirren, selbst wenn man sich textlich der deutschen Sprache bedient. Es gab und gibt zwar erfreuliche Ausnahmen, die sind jedoch nicht unbedingt die Regel. Es ist daher immer schön, wenn ein Projekt wie YSBRYD es schafft, trotz der stets vorhandenen nordischen Kälte sowie der auf deutsch verfassten Lyrics alleine durch die Atmosphäre eines Albums nahe daran zu kommen, was man als „typisch deutschen Black Metal“ bezeichnen könnte. Das Debüt „Kraft“ erschien bereits letztes Jahr sowohl als CD im Eigenvertrieb als auch auf Tape bei Worship Tapes und wurde vor zwei Wochen dank Purity through Fire auch als CD neu aufgelegt. Grund genug, sich dem Album auch hier auf Black Salvation einmal anzunehmen.
Schon mit dem Intro „Diafol“ schafft es das Ein-Mann-Projekt, den ersten Akzent zu setzen. Mit klaren und dennoch unheilvoll tönenden Gitarren führt man atmosphärisch in das Album ein, bevor man mittels des Openers „Schmach und Schande“ im unteren Midtempo richtig in die insgesamt 45 Minuten einsteigt. Bemerkenswert ist schon zu diesem Zeitpunkt die recht gute Produktion. Die ist zwar nur solide und lässt die eine oder andere Gitarrenspur leider etwas im Hintergrund verschwinden, ist allerdings druckvoll genug, um als noch relativ differenziert durchzugehen. Eben eine „klassische“ Black Metal-Produktion. Hervorzuheben sind allerdings die Vocals, die weder sinnloses Kreischen oder Keifen, noch tiefes Grummeln sind, sondern angenehm rau zwischen diesen Polen agieren. „Die Stunde des Dämons“ zieht das Tempo stellenweise schon gut an, was dem Album zu mehr Abwechslung verhilft. Dankenswerterweise behält man über die komplette Albumdistanz hinweg stets die relativ klaren Gitarren bei, die immer wieder in den Sound eingefügt werden, und so eine ganz eigene Atmosphäre kreieren, wie im folgenden „Im Kriege“ gut zu hören ist. Generell sind die einzelnen Parts gut ausgewogen, so dass Songs wie „Geist über Fleisch“ und das nahe der Acht-Minuten-Grenze endende „Ritual der Befreiung“ nie Langeweile aufkommen lassen, sofern man sich wirklich auf die Tracks einlässt. Denn gerade letzterer Track ist mit seinen doomigen Anleihen irgendwo zwischen wuchtig und zäh angesiedelt, obwohl die Uptempo-Passagen keinen Zweifel daran lassen, dass das hier immer noch Black Metal ist. Aber: Gerade dieses doomig-zähe funktioniert richtig gut, so dass zumindest ich mir für die Zukunft davon mehr wünschen würde. „Die Stunde des Kriegers“ ist wahrscheinlich der Track, dessen Hauptriff am ehesten an die frühen Neunziger erinnert. Das Album mag zwar generell eine recht kühle Atmosphäre ausstrahlen, hat allerdings durch die komplette Gitarrenführung hinweg Tiefe und – so seltsam sich das anhören mag – auch Wärme im Gesamtsound aufzuweisen. Wie schon gesagt, sind die einzelnen Parts wirklich gut ausgewogen, so dass zwischen diesen auch kein Bruch entsteht. Als Albumcloser ist „Glanz und Gloria“ daher besonders gut geeignet, da man dies hier nochmals richtig stark verdeutlicht. Denn der Achtminüter ist wie schon der Opener überwiegend im unteren Midtempo angesiedelt, arbeitet jedoch sehr geschickt mit seinen Tempiwechseln, so dass alles wie aus einem Guß klingt. Mit dem sehr ruhigen und erneut ausschließlich akkustischen „Duw“ als Outro findet man schließlich seinen Weg aus „Kraft“ hinaus und was bleibt, ist ein zutiefst befriedigendes Gefühl.
Im Grunde bliebe fürs Fazit nur noch ein Punkt anzureißen: die Lyrics. Ich gebe zu, dass ich bei einem Albumtitel wie „Kraft“ und dann noch von einer heimischen Black Metal-Truppe schon ein etwas flaues Gefühl im Magen hatte. Das erwies sich jedoch als unbegründet, denn die Texte befassen sich mit Selbstreflexion, inneren Zweifeln und haben durchaus eine philosophische Komponente. Das passt zur Atmosphäre des Albums und war mit der ausschlaggebende Punkt für diese Wertung. Eines ist klar: Neben all dem sonstigen Hochgeschwindigkeitsgeprügel sind YSBRYD eine mehr als nur willkommene Abwechslung, da man sich stilistisch zudem deutlich von vielen anderen Bands abhebt. Bleibt nur zu hoffen, dass man in Zukunft genauso spannend bleibt, wie mit diesem Album. Auf jeden Fall gibt es von mir eines: die KAUFEMPFEHLUNG!!! +++ 8 / 10 Punkten
Der einfachste Weg, sich das Album zuzulegen, führt über den Webshop von Purity through Fire, wo ihr euch „Kraft“ sowohl in den vom Label aufgelegten Formaten kaufen könnt, als auch die von Worship Tapes veröffentlichte Tape-Version.
YSBRYD – Kraft
Black Metal from Germany
Independent (CD first press) / Worship tapes (Tape) / Purity through Fire (CD Reissue, A5 Digipack)
Running time: 45:31 minutes
Release date: June 15th, 2018 (CD first press) / October 6th, 2018 (Tape) / February 11th, 2019 (CD Reissue, A5 Digipack)
Purity through Fire Webshop
Worship Tapes Webshop
Review © 2019 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation
Und wieder einmal wurde Vama Marga Productions nicht erwähnt, denn das Vinyl Release ist eine gelungene Sache. Schade.
Hallo Robert! Danke für deinen Kommentar. Ich finde es immer schön, wenn Leser sich mit den reviewten Bands auseinandersetzen und mir auch konstruktive Kritik zukommen lassen. Dass ich die Vinyl-Version nicht erwähnte, lag schlichtweg daran, dass ich zum Zeitpunkt des Reviews am 25.02.2019 leider noch keine Kenntnis hatte, dass eine Vinyl-Veröffentlichung des Album via Vama Marga Productions erfolgen sollte (im Promo-Material wurde dies nicht erwähnt). Ich entschuldige mich natürlich dafür, dass ich nachträglich keinen Hinweis auf den Vinyl-Release eingefügt habe; solche Fehler passieren zwar sehr selten, können sich jedoch auch nicht immer ganz vermeiden lassen. Ich gelobe Besserung!