Wie schafft man es, in einem momentan doch sehr dominierenden Genre wie dem Post-Black Metal noch neue Akzente zu setzen? Den Österreichern ANOMALIE gelingt dies auf ihrem dritten Album „Visions“ durch die in erster Linie sehr aggressiven Songs, die immer wieder von ruhigeren Parts durchzogen werden, ohne dabei an Atmosphäre zu verlieren. Das bisweilen sehr erhaben und melodische Material wird durch zahlreiche Tempiwechsel vorzüglich aufgelockert und verschafft dem Album so eine gewisse Spannung sowie die nötige Abwechslung. Auch die Produktion geht damit konform, die über extrem viel Dynamik verfügt und jedem Instrument den nötigen Raum verschafft. Insbesondere der kräftige Drum- und Gitarrensound macht hier den großen Reiz aus, sowie die von diesen erzeugten Melodien, die immer wieder mal auch in Melo-Death-Gefilden wildern.
Akustisch steigt man in das erste Drittel von „Vision I: Towards the sun“ ein, bevor man in den melancholischen Grundton wechselt, der über den Großteil des Albums hinweg präsent ist und der ganz besonders im folgenden „Vision II: The wanderer“ durch die sehr nach vorne treibenden Drums wirkt. Der Song selbst ist der wohl energetischste auf dem Album, was jedoch nicht bedeutet, dass der Rest nicht über genügend Energie verfügt, um den Hörer durchgehend zu fesseln. „Vision III: A monument“ ist der Beweis dafür, denn der Wechsel von akustischen Parts und erhabenen, beinahe im Doom schwebenden Melodien und der Tempiwechsel hin zum rasenden Black Metal ist außerordentlich gut gelungen und lassen die elf-einhalb Minuten wie im Fluge vergehen. Wahrlich erhaben sind jedoch die Melodien in „Vision IV: Illumination“, dass somit zu einem der stärksten Tracks auf „Visions“ und nur noch von „Vision V: Starless nights“ übertroffen wird, dass sich in seiner Mischung aus Energie und Melancholie über alle anderen Songs setzt. Im Gegensatz dazu braucht „Vision VI: White forest“ einige Durchläufe, bis es richtig zündet. Denn der wieder über das erste Drittel gestreckte instrumentale Teil mündet in einen in Ansätzen an Gothic bzw. Post Rock erinnernden Part, der sich erst nach und nach völlig öffnet und den typischen ANOMALIE-Melodien Platz schafft. Der Album-Closer „Vision VII: One with the soil“ vereint abschließend noch einmal die Stärken des kompletten Albums und setzt mit dem gesprochenen Part von Heike Langhans zum Ende hin einen deutlichen Schlusspunkt, der vor allem das zurücklässt, was einen die letzten 51 Minuten begleitet hat: tiefste Melancholie.
Fazit: Ein beachtliches Album, dass hier vorliegt. Wem es auch im extremen Metal eher um die Musik an sich als um die Einordnung in Genres geht, der sollte das Album in seine Sammlung aufnehmen und ihm vor allem eines widmen: viel Zeit! Uneingeschränkte Kaufempfehlung!!! +++ 8,5 / 10 Punkten
Menschen ohne Scheuklappen sollten sich das Album schleunigst über den Webshop von Art of Propaganda als CD oder LP (bereichert um das Instrumental „Vision VIII: …of ice and stone“) zulegen. Der LP-Release wird in Kürze lieferbar sein, genaueres dazu bei Erscheinen. Auch bietet sich die Möglichkeit, sich „Visions“ als Download auf der Bandcamp-Seite des Labels zu ordern.
ANOMALIE – Visions
Post-Black Metal from Austria
Label / Vertrieb: Art of Propaganda (CD + LP) & Bandcamp (Download)
Running time: 51:28 minutes (CD + Digital) / 57:19: minutes (LP)
Release date: 17.03.2017