SEHER – Nachzehrer

Copyright: Seher
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Es ist manchmal nicht besonders einfach, den Überblick über den heimischen Underground zu behalten. Obwohl man täglich neue Releases entdeckt, teilweise Unsummen in den Kauf von Musik steckt, um die Bands zu supporten, sich auch intensiv damit beschäftigt (der Musik an sich, nicht unbedingt deren Kauf, der dann eh automatisch abläuft), so bleibt doch ab und an leider ein Album auf der Strecke. So geschehen zuletzt mit diesem Debüt-Album der Berliner Schwarzkittel SEHER, die bereits 2015 mit einem ganz beachtlichen Demo auf sich aufmerksam machen konnten und im vergangenen Jahr ihr Debütalbum „Nachzehrer“ über Totenmusik als Tape (limitiert auf 100 Exemplare) sowie als Digipak-CD veröffentlichten. Vendetta Records schoben dann noch ein auf 300 Stück limitiertes Vinyl nach, das nun auch Anlass sein soll, sich das Album als Ganzes mal genauer anzuschauen.

An erster Stelle muss ich das einfach sagen: 4 Tracks verteilt auf 37 Minuten Spielzeit sind einfach perfekt. Jeder Song bietet genug Tiefe, um immer wieder darin einzutauchen und auch nach dem x-ten Hören Neues zu entdecken. Die vereinzelte Kritik anderer Rezensenten kann ich daher auch nicht wirklich nachvollziehen, die dem Album streckenweise Längen attestieren. Diese kann ich schlichtweg nicht finden. Ganz im Gegenteil: Trotz der sehr trockenen, nichtsdestotrotz druckvollen Produktion macht es extrem viel Spaß, sich jedes Detail aus den Songs herauszuziehen. Davon abgesehen hat jede Band schon mal einen kleinen Bonus bei mir gut, die ein Album mit einem neun-einhalb Minuten langen Stück eröffnet. Dieses, zugleich der Titeltrack, deckt im Prinzip schon das komplette Spektrum des Albums ab: Schnelle Passagen wechseln sich mit langsameren ab, melodische Parts treffen auf leichte Dissonanzen und die Vocals keifen wunderbar in den mittleren Tonlagen. Das folgende, zwölf-minütige „Geist“ beginnt zunächst extrem ruhig mit klaren E-Gitarren und sehr verhaltenem Drumming, bevor nach drei Minuten dann brachial im Midtempo-Black Metal gewildert wird und dabei auch immer wieder leichte Doom-Anleihen eingestreut werden (geht es nur mir so, oder nähert sich der Black Metal in dieser Spielweise seit einigen Jahren eher besagtem Doom an und entfernt sich zusehends von den früher allgegenwärtigen Burzum-Einflüssen?). Dieses Wechselspiel wird denn auch beibehalten, wobei das Tempo nach ungefähr der Hälfte des Songs wieder stark anzieht und über die restliche Tracklänge beibehalten wird. „Mensch“ führt anschließend in seinen elf Minuten das bisherige zum absoluten Höhepunkt. Die Atmosphäre hier ist schlicht und einfach wahnsinnig dicht. Wer hier nicht die Anlage bis zum Anschlag aufreißt und dem Gehörnten headbangend huldigt, hat keine Ahnung von dieser Art von Musik. Selbst das kurze, etwas ruhigere Intermezzo im Mitteilteil lässt dich nicht Atem schöpfen, sondern dich zitternd vor Energie auf den nächsten Ausbruch warten. Was für ein Monster von Song! Das abschließende Instrumental „Donner“ kann daraufhin theoretisch nur abfallen, und leider ist dies dann auch der Fall, da es, von leisem Donnergrollen (sic!) unterlegt, sehr ruhig aus dem Album führt. Was man jetzt nicht allzu negativ bewerten sollte, denn am Ende lässt es dich mit einem Gefühl von Einsamkeit zurück, was in dieser Form auch nicht jede Band beherrscht. Da bleibt als Fazit eigentlich nur das unvermeidliche Wort auszusprechen: Pflichtkauf!!! Ich jedenfalls bin wieder mal begeistert… +++ 8,5 / 10 Punkten

Für die Zukunft wünsche ich mir jedoch vor allem eines: Legt bitte nochmal das weiße „Menschlichkeit“-Shirt auf!!! Der Kontrast zwischen Motiv und der dahinter stehenden Musik ist einfach nur krass und außerdem soll es ja Leute geben, die nicht immer nur schwarz gekleidet rumlaufen…

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Ihr erhaltet „Nachzehrer“ am einfachsten über den Band-eigenen Bandcamp-Shop. Dort erhaltet ihr sowohl die Digipak-CD des Totenmusik-Releases (ebenfalls noch das Demo) als auch den Vendetta Records-Release als LP (limitiert auf 300 Exemplare). Die Tape-Version ist leider bereits vergriffen. Alternativ dazu besteht natürlich auch die Möglichkeit, das Album in digitaler Form zu erwerben.

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SEHER – Nachzehrer
Black Metal from Germany
Label / Vertrieb: Totenmusik (CD) / Vendetta Records (LP) / Bandcamp (Download)
Running time: 37:04 minutes

www.bandcamp.com

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