„Auf dem Scheißhaus meiner Seele ist ein Rohr geplatzt“

Den meisten von euch – oder zumindest sehr vielen – dürfte diese Zeile aus „Scheiße, Rückfall“ von Fäulnis bekannt sein. Lange Jahre fand ich diese Line einfach nur großartig, ohne zu wissen, wieviel akkurat sie einmal meinen eigenen Schmerz beschreiben sollte. Was nun folgt, ist ein kurzer Realtalk, in dem es primär um mich, aber natürlich auch um Black Salvation gehen wird.

Ich bin psychisch derzeit absolut kaputt. Befinde mich in einer Grauzone zwischen erlebtem Selbst und tief eingegrabener Scheiße. In der Vergangenheit eine massive, hohe Mauer aufgebaut, über die niemand in mich hinein-, aber, schlimmer noch, ich kaum noch über sie hinausblicken konnte. Jahrelang immer mal wieder kleine Tiefs gehabt, stets am Rande der Depression vorbei geschrammt. Im vergangenen Herbst dann der endgültige Breakdown. Ein großes, finsteres Nichts. Nach und nach mit Hilfe von Musik und engen Freunden (den besten!) ein wenig nach oben geklettert. Dachte, ich könnte auf diesem Level erstmal wieder mit neuer Energie weitermachen. Scheiße, nein. Zu früh, zu früh…

Im Kern ist dies der Grund, weshalb es schon wieder längere Zeit hier so still ist. Und ja, ich habe da auch ein kleines bisschen ein schlechtes Gewissen. Aber in erster Linie muss ich derzeit einfach an die Gesundheit denken, so banal das auch einigen Lesern erscheinen mag. Es ist mir durchaus bewusst, dass ein Thema wie Depression, im Verbund mit Burn-out und einem hohen Maß an Eisamkeit, auch im Metal eher unter den Tisch gekehrt, als aktiv darüber gesprochen wird. Klar, wenn sich irgendwelche Musiker dahingehend äußern, ist man als Fan kurz betroffen, drückt die Daumen und hört weiter die Musik. Aber wehe, man bringt dieses Thema als Fan, als Mensch auf den Tisch, dann ist man ganz schnell der Außenseiter. „Och, dir gehts nicht gut – ja, schade – geh doch einfach mehr raus unter andere Leute – Weichei – abfälliges Grinsen…“ – Versteht mich nicht falsch, ich fahre hier keine Mitleidstour und lege es auch nicht auf irgendwelches Verständnis an. Aber jeder heuchelnde Wichser, der in dieser Art und Weise agiert, ist entweder ein empathieloses Schwein oder schlicht und ergreifend ein dummes Arschloch…

Sorry, habe mich ereifert…

Mein Therapeut ist der Meinung, dass ich solchen Ausbrüchen durchaus Raum geben darf und dass sie auch wichtig sind, um zu mir selbst zu finden. Das ist allerdings gar nicht so einfach, da ich mit Gefühlen und Emotionen schwer umzugehen vermag. Als ausgeprägter Kopfmensch verstehe ich diese einfach nicht und hierin liegt auch die derzeitige Schwierigkeit, da ich seit einigen Wochen mit einer hohen Emotionalität zu kämpfen habe, seit die Mauer um mich herum soweit abgerissen wurde, dass ich nun genussvoll über sie hinwegblicken kann. Und damit komme ich absolut nicht zurecht. Im Grunde musste ich deswegen nicht nur Black Salvation pausieren, sondern auch meine Arbeitszeit im Fulltime-Job auf ein erträgliches Maß reduzieren. Damit ihr das ein bisschen besser nachvollziehen könnt: Den größten Teil meines Lebens habe ich mit einem ausgeprägten Hass auf gewisse, sehr enge Familienmitglieder gelebt, die sowohl für mein großes Aggressionspotential als auch einen nicht unbeträchtlichen Teil meiner psychischen Probleme verantwortlich sind. Selbst nach deren Tod haben diese starken Gefühle nicht abgenommen, sondern sich sogar noch ein Stück weiter eingegraben. Als vor einigen Wochen nun dieser positive Breakdown stattfand, ich mir der Zerstörungskraft, der Sinnlosigkeit, ja der Unmöglichkeit dieses Hasses gewahr wurde und sich dieser innerhalb einiger weniger Stunden dann plötzlich ins Nichts auflöste – das war der Moment, in dem die Mauer wegbröckelte. Allerdings wurde mir in diesem Moment bewusst, wie sehr mich dieser Hass eigentlich aufgezehrt hat, wie kaputt er mich in diesen 27 Jahren (etwa, seit ich 15 Jahre alt war) gemacht hat. Innerlich fühle ich mich wie Porzellan, dass unendlich oft zerbrochen und immer wieder aufs Neue gekittet wurde…

Bitte entschuldigt diese lange Vorrede; sicher wollt ihr ja nur wissen, was jetzt mit dem Fanzine ist. Offen gestanden bin ich bereits seit Anfang des Jahres nicht mehr mit meinem Schreibstil zufrieden gewesen und auch alle Entwürfe seit März (mehrere Dutzend mittlerweile) lesen sich überhaupt nicht gut. Und da ich nicht wollte und will, dass die Qualität leidet, habe ich mich schweren Herzens zur Nichtveröffentlichung entschlossen. Hinzu kommt, dass mich die Veröffentlichungsflut derzeit schlichtweg überfordert und es mir wesentlich mehr Ruhe verschafft, einzelne Alben in aller Ruhe zu genießen. Wie lange diese Pause nun andauern wird, vermag ich derzeit nicht zu sagen. Neben der laufenden Therapie bemüht man sich auch um einen festen Reha-Platz, damit diese ganze psychische Scheiße über mehrere Wochen hinweg (5 – 7) konsequent analysiert und behandelt werden kann. Denn wenn ich eines in den letzten Wochen und Monaten gelernt habe, offen auszusprechen, dann dieses: Depressionen sind eine ernstzunehmende Krankheit und nichts, wofür man sich schämen braucht! Daher dieses Statement.

Ich bedanke mich bei allen, die bis hierin gelesen haben und wünsche jedem einzelnen von euch nur das Beste!

Lieber Gruß

Beatrice

2 Gedanken zu „„Auf dem Scheißhaus meiner Seele ist ein Rohr geplatzt“

  1. Herr G. Antworten

    Hallo Beatrice,
    ich hoffe das du diesen schwierigen Lebensabschnitt überwunden hast und deinen Frieden gefunden hast oder noch findest. Ich drücke dir alle Daumen und wünsche dir gute Gesundung! Schade, wie wenig Leute hier etwas geschrieben haben. Auch keine Bands, die hier von deinem Blog profitiert haben. Sei es drum. Ich danke dir im Namen meiner Bands für die Reviews und freue mich, wenn vielleicht wieder die Muse findest. Ich habe deine Rezensinen stets gerne gelesen und so auch einige gute Releases entdeckt die mir gefielen.

    Beste Grüße
    Herr G. von W, D, I usw. 😉

  2. ChrisTaLife Antworten

    Liebe Beatrice.
    Ich bin sehr traurig zu hören, wie schlecht es dir geht und hoffe, dass es seit Juni zumindest ein klein bißchen besser geworden ist. Vieles was du schriebst fühle ich aus ganzem Herzen. Deine Mauer-Matapher deckt sich ungemein mit meinem Bild zu meinem Leben. Dein wohl möglicherweise existenziell zelebrierter Hass und die Erkenntnis, dass er nicht genügte um die Pein und den Schmerz langfristig einzunorden oder gar vergessen zu machen, könnte ein Abbild meines Lebens sein. Ich liege zum wiederholten Mal im den zurückliegenden 3 Jahren längerfristig krankgeschrieben auf meinem Sofa, starre durch die Decke, versuche die Müdigkeit durch zumindest irgendeine Form des Schlafes zu kompensieren und mir stehen die Tränen in den Augen, weil sich hinter ihnen einfach keine Ruhe meiner Zerrissenheit einstellen will.
    Auch ich verwendete in den letzten Monaten oftmals Zitate von Seuche um anderen lapidar meinen Gemütszustand zu beschreiben. Immer ein wenig zynisch und mit den Überbleibseln einer Sichtweise, dass mein Zustand nichts anderes sei, als die Schwäche die Zähne nicht adäquat zusammenbeissen zu können. Das hat sich zum Glpck geändert. Der Zusammensturz meiner Mauer und die Unfähigkeit mit den dadurch offengelegten Nerven und Gefühlen zurecht zu kommen, die zweimalige Abweisung der Psychiatrie, trotz verzweifelter und heulender Bitte mich nicht alleine zu lassen und der dann doch noch vorhandene Lebenswille, auch Dank der Existenz meines geliebten Sohnes, führten dann glücklicherweise dich zu einer Offenbarung und zur Erkenntnis, dass es doch möglich sein kann, nicht allen zur Last zu fallen. Und zu bermeken, dass eine Therapie doch einen Affekt haben kann. Auch wenn ich zuvor strikt davon ausgegangen bin, doch alles über mich zu wissen. Vom Kopf her. Die Einsicht, dass das mein Kontrollwunsch und meine Sucht aber keinem Gefühlschaos standhalten kann, führt zumindest teilweise dazu, wieder Luft zu bekommen und mit einigen Emotionen entsprechend umzugehen.
    Ich schreibe dir nicht aus selbsttherapeutischem Antrieb, auch wenn ich eine viele Jahre lang unterdrückte Selbstbemitleidung jetzt genügend Platz einräume, weil es wichtig ist traurig über sein Leben sein zu müssen. Nein, ich schaffe es seit einigen Tagen wieder Musik zu hören und dachte darüber an deine wirklich tolle Seite. Als ich deinen Text las, machte er mich sehr traurig, kurz danach aber mutig. Weil ich nicht alleine bin, weil du so viel ausdrückst, bei dem ich mich wiederfinde.
    Ich wünsche dir aus allen Poren meines schwarzen Herzens das allerbeste. Das du wieder hochkommst und deine Vergangenheit durch das Licht betrachten kannst.

    Liebe Grüsse aus Hamburg

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