Review: SKARNTYDE – Flukt fra menneskeligheten

SKARNTYDE – Flukt fra menneskeligheten // © 2021 Skarntyde

Mittlerweile überrascht es mich kaum noch, wenn Bands es schaffen, den Spirit der Neunziger in die heutige Zeit zu holen. Man muss natürlich zugeben, dass es oftmals wie ein Echo lange vergangener Zeiten anmutet – ungeachtet der musikalischen Fähigkeiten der Beteiligten und des hohen qualitativen Anspruchs im Songwriting. Ist es Sehnsucht nach einer Zeit, in der alles noch neu und unberührt war, die die Musiker antreibt? Oder ist es der Wille, seinen eigenen Fußabdruck neben den alten, etablierten „Kult“-Bands zu hinterlassen, die viel zu lange schon ihren Fokus verloren haben und heute kaum noch bis gar nicht mehr relevant für den aktuellen Black Metal sind? Pure Reverenzen gibt es wohl in den wenigsten Fällen; vielmehr zeigen diese sich in kleinen Andeutungen und bestimmen nicht durchgehend das eigene Schaffen. Eben solche Gedanken kreisen beim Anhören vieler Bands in meinem Kopf und oftmals sind solche Überlegungen auch Ausdruck meiner eigenen Hin- und Hergerissenheit zwischen der Erinnerung an meine schwarzmetallische Jugend und der heutzutage viel reflektierteren Herangehensweise an Musik generell. Wenige Bands in den letzten Jahren haben diesen Zustand so sehr befeuert wie SKARNTYDE, die Ende 2019 mit ihrem Demo für einiges Rascheln im Underground sorgen konnten und dessen wahrhaft kompromisslose Hinwendung Richtung Norwegen anno 1995 mit zu den passioniertesten Releases der letzten Jahre avancierte. Nun liegt das erste vollständige Album „Flukt fra menneskeligheten“ vor und dieses führt den eingeschlagenen Weg konsequent fort.

Das fängt bei der wieder sehr trockenen Produktion an, die sich nicht auf Schlagworte wie Kälte oder Wärme reduzieren lässt, sondern mit einem naturmystischen Ton aufwartet, den man so schon bei alten Ulver zu lieben gelernt hat. Dieser schafft es auch ohne Schwierigkeiten, lebhafte Bilder vor dem inneren Auge heraufzubeschwören, so dass man als Hörer schon bald ein Teil dieser Bildsprache ist. Und hier öffnet sich ein weiteres Fenster in Richtung alter Gorgoroth zu Zeiten deren ersten beiden Alben, speziell was die melodischeren Leads angeht. Alleine schon der Beginn des Openers lässt schneebedeckte Gipfel, die sich über dunkle Täler und finstere Wälder erheben, in Gedanken vorüberziehen. Doch dabei belässt man es nicht: Durch geschickt gesetzte Tempiwechsel entwickeln die Songs eine gewisse Eigendynamik, die natürlich jederzeit die Einflüsse erkennen lassen, auf denen die Songs beruhen. Das jedoch ist eben die große Stärke des Duos, die in den gut 48 Minuten auch gnadenlos ausgereizt wird. Man lässt dabei jedoch nie den eigenen Anspruch sinken, durchaus eigenständig wirken zu wollen. So sind zum Beispiel die wenigen ruhigen Folk-Einschübe nicht bloßes Worshippen des zweiten Ulver-Albums, sondern fügen sich harmonisch in den eigenen Klangkosmos ein, der heute immer noch so fasziniert wie anno 1995. Und seien wir doch mal ehrlich: Diese Rückbesinnung auf angeblich bessere und aufregendere Zeiten ist doch nichts Neues mehr, sondern fing bereits mit dem Ende der Kommerzialisierung der zweiten Welle Black Metal an. Und ein ehrliches Album so wie vorliegendes ist mir tausendmal lieber als irgendeine Cashgrab-Scheiße etablierter großer Bands, die sich bequem in ihrem Fame eingerichtet haben, aber seit Ewigkeiten nichts relevantes mehr veröffentlichen. Nach so viel Rant n‘ Rave sollte eines klar sein: Dieses Album wird ganz sicher nicht nur bei mir in Dauerschleife laufen!

Bringen wir es abschließend auf den Punkt: Wirklich originell ist an „Flukt fra menneskeligheten“ zwar nichts und man kann auch nicht jede norwegische Black Metal-Band als Referenz heranziehen, die maßgeblich für diesen speziellen Sound zeichnet. Jedoch strotzt das Songwriting geradezu vor Liebe zu ebenjener Zeit, ohne in bedeutungslose Reverenzen zu verfallen. SKARNTYDE haben ein pures Genrealbum erschaffen, wie man es heutzutage viel zu selten findet und damit einen vielleicht nicht überlebensgroßen, aber auf jeden Fall sehr eindrucksvollen Release vorgelegt. Ich bin begeistert! KAUFEMPFEHLUNG!!! +++ 8,5 / 10 Punkten

Erschienen ist „Flukt fra menneskeligheten“ am 03.12.2021 digital im Eigenverlag, auf CD ist es via Human Noise Records am 28.01.2022 veröffentlicht worden.

SKARNTYDE // © 2021 Skarntyde

SKARNTYDE – Flukt fra menneskeligheten
Black Metal from Germany
Independent (digital) / Human Noise Records (CD)
Running time: 47:39 minutes
Release date: December 3rd,.2021 (digital) / 28.01.2022 (CD)

Skarntyde Bandcamp
Human Noise Records Shop

Review © 2022 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation

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