Review: ANTRISCH – Expedition I: Dissonanzgrat

ANTRISCH – Expedition I: Dissonanzgrat // © 2021 Antrisch

Ich bin ja nicht mehr wirklich leicht zu beeindrucken, wenn es um Black Metal geht: Ob das nun an der relativ langen Zeit liegt, in der ich mich nun mit dem Genre befasse (immerhin seit mehr als 25 Jahren) oder ob ich mich schlichtweg sattgehört habe, lassen wir mal dahingestellt sein. Fest steht jedoch, dass der Dopaminausstoß bei einem neuen Black Metal-Release deutlich zurückgegangen ist. Und trotzdem schlagen immer wieder Bands und Alben auf, die einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen und mich förmlich dazu zwingen, mich mit ihnen zu beschäftigen. Zugegeben, es gibt immer noch Schlagwörter, die mich das Antesten mal mehr, mal weniger lang hinauszögern lassen: „Atmospheric“, „Post“, „so wie Summoning“… Da schrillen bei mir die Alarmglocken, da es sich in den meisten dieser Fälle eben um weichgespülten Mist handelt, dem die wichtigste Komponente im Sound fehlt: METAL. Ja, das klingt voreingenommen und ich bin darauf auch nicht stolz. Doch Atmosphäre im Black Metal schließt eben nicht aus, dass dahinter auch jede Menge Wucht stecken kann – was sehr viele Bands seit einigen Jahren entweder vergessen haben oder konsequent ignorieren. Zum Glück gibt es da noch Bands wie ANTRISCH, die mit „Expedition I: Dissonanzgrat“ gerade ihre – leider nur digital verfügbare – Debüt-EP veröffentlicht haben und all das in ihrem Sound vereinen, was ein gutes Atmospheric Black Metal-Album ausmacht.

Zuvorderst müssen wir den Sound erwähnen: Der ist extrem druckvoll, ohne komprimiert zu wirken. Riffs, Leads, Drums, Vocals sind klar voneinander abgegrenzt zu betrachten, so dass man sich relativ leicht in die knapp 28 Minuten hineinhören kann. Persönlich freue ich mich jedesmal aufs Neue, wenn es eine Band schafft, gerade ihren Drumsound so zu gestalten, dass Snare, Becken und Bassdrum in einem guten Verhältnis zueinander stehen, die eine Komponente also nicht die andere überlagert. Und dies auf die gesamte EP übertragen führt schon mal zu einem sehr angenehmen Hörerlebnis.
Dann natürlich das Wichtigste: Die Songs! Das Songwriting an sich ist schon extrem beeindruckend; dass hier erfahrene Musiker am Werke sind, ist unüberhörbar. Egal, ob in rasend schnelle Melodieführungen verfallend oder in gezügelteren Momenten ein wenig Ruhe einkehrt; jeder Track ist für sich genommen bereits ein kleines Abenteuer. Doch die volle Wirkung entfalten die Songs im EP-Kontext: Die Übergänge sind stets so fließend, dass dem Hörer die Songwechsel im Grunde gar nicht auffallen und man auch nach dem x-ten Durchlauf noch überrascht davon ist, schon wieder im dritten oder vierten Track zu sein, obwohl man doch gerade erst mit der EP begonnen hat. Und eben diese Wirkung ist es, die einen Großteil der Atmosphäre ausmacht. Denn trotz der relativen Zugänglichkeit fordern die fünf Tracks auch die Aufmerksamkeit des Hörers ein. Sie verlangen – gerade durch das zugrunde liegende Konzept der Band – volle Konzentration auf das, was gerade aus den Boxen schallt.
Was uns abschließend zu ebenjenem Konzept bringt: Es geht ums Bergsteigen… Was für Black Metal ja schon per se eine ungewöhnliche Wahl zu sein scheint… Doch nein, denn gerade die Breaks, die das Tempo aus den Songs nehmen, geben einem das Gefühl, mehrere Tausend Meter hoch in einer Wand zu hängen und Kraft für den nächsten Zug zu sammeln. Die Ausbrüche, die die Wechsel in die schnelleren Regionen dann erzeugen, sind extrem gut gestaltet und machen einen weiteren großen Reiz dieses Releases aus.

Seit dem ersten Durchlauf ist „Expedition I: Dissonanzgrat“ gut zwei Dutzend weitere Male durch die Boxen geballert – im wahrsten Sinne des Wortes. Diese EP macht einfach verdammt viel Spaß, gerade weil sie selbst geübten Hörern mit viel Frische in die Gehörgänge fährt. Und natürlich weil ANTRISCH das „Atmospheric“ der Stilbezeichnung genauso interpretieren, wie es sich gehört: Kein schwurbeliges Naturgedöns oder 2-Tasten-Ambient-Geklimper, sondern das Erzeugen wirklicher Atmosphäre alleine durch gelungenes Songwriting. Wenn das Quartett auf diesem Wege weiter macht, dann steht uns in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft ein wahnsinnig intensives Album ins Haus. KAUFEMPFEHLUNG!!! +++ 8,5 / 10 Punkten

Wie bereits erwähnt liegt „Expedition I: Dissonanzgrat“ derzeit nur als digitaler Release vor. Bleibt zu hoffen, dass die Resonanz groß genug ist, damit baldmöglichst ein physischer Release nachgeschoben werden kann oder sich im Idealfall ein interessiertes Label findet.

ANTRISCH // © 2021 Antrisch

ANTRISCH – Expedition I: Dissonanzgrat
Black Metal from Germany
Independent
Running time: 27:32 minutes
Release date: 09.04.2021 (digital)

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Review © 2021 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation

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