Review: ASPHYX – Necroceros

ASPHYX – Necroceros // © 2021 Century Media Records / Asphyx (Cover art by Axel Hermann)

Über ASPHYX noch große Worte verlieren zu müssen, würde bedeuten, irgendjemandem das Aussehen eines Panzers beschreiben zu müssen. Die Niederländer sind seit über 30 Jahren eine feste Größe in der Szene und haben noch nie ein schlechtes Album veröffentlicht. Ich freue mich jedesmal wieder wie ein kleines Kind auf einen neuen Release, was zum Teil daran liegen mag, dass die Truppe zu den ersten ernsthaften Berührungspunkten mit Death Metal zählte, andererseits aber schlicht und ergreifend an der immer wiederkehrenden hohen Qualität des Songmaterials liegt. Zudem ist man stets seinem Sound treu geblieben, ohne sich zu wiederholen; jedes neue Album erfüllt die hohen Erwartungshaltungen mit genau dem, was man als Fan hören will. Und als solcher gehe ich auch dieses Review zum neuesten Output „Necroceros“ an, möchte gleichzeitig aber auch versuchen, genügend Objektivität einzustreuen, um der Bewertung am Ende wirklich gerecht werden zu können.

Mit dem Opener „The sole cure is death“ steigt man durchaus klassisch in die folgenden 50 Minuten ein: Hochenergetisch nach vorne treibend und mit einem brutalen und drückenden Sound versehen prescht man direkt los, nur um völlig unerwartet das Tempo herauszunehmen und in den auch nach all den Jahren immer noch so sehr geliebten Death / Doom zu rutschen, wie ihn eben nur ASPHYX hinbekommen. Dieses Unvermittelte, diese plötzlichen Tempiwechsel sind immer noch so unvorhersehbar wie vor 30 Jahren und natürlich auch hier die größte Stärke. Man kann jedoch auch anders, wie der fiese Midtempo-Brecher „Molten black earth“ aufzeigt: Der changiert geschickt durch die Tempovariationen, bleibt größtenteils jedoch in den mittleren Lagen. Das sieht bei „Mount skull“ deutlich anders aus, das noch eine Spur langsamer tönt, dadurch aber umso mehr Wucht entwickelt. Gerade Husky’s Drumming profitiert davon, da hier mal wieder unter Beweis gestellt wird, dass der gute Mann mehr als nur solide spielt. Rumpelig? Also bitte… Der Wechsel in schnellere Regionen funktioniert hier fantastisch, sogar fast ohne Breaks und alleine dieser Track ist beinahe schon den Kauf dieses Albums alleine wert.

Beinahe, da mit „Knights templar stand“ ein nicht weniger intensiver Parforce-Ritt durch den doomigen, brutalen Death Metal folgt. Es ist höchst interessant zu sehen, wie fließend die einzelnen Songs eigentlich ineinander übergehen; jeder Track steht zwar für sich alleine, doch im Gesamtbild des Albums betrachtet, fügen sich alle 10 Nummern zu einer gewaltigen Soundkulisse zusammen, in der das zähflüssig vor sich hin kriechende „Three years of famine“ nur ein weiteres Beispiel für die Qualtitäten im Songwriting sind, die in der Band herrschen. Vielleicht bin ich auch ein wenig zu sehr Fan, aber ich kann mir unter anderem diesen Song nicht anders als mit den Vocals von Martin van Drunen vorstellen. Auch das kleine Akustik-Intermezzo mitten im Song trägt sehr zu dessen schwerer Atmosphäre bei und lockert diese gleichzeitig auf. Das sind Stilmittel, die für ASPHYX eher untypisch sind, und gerade deswegen auch so gut funktionieren. Den Kontrapunkt setzt man schließlich mit „Botox implosion“, das ein kurzes und knackiges Death Metal-Geschoss ist und ein weiteres Stück Abwechslung bringt.

„In blazing oceans“ hätte man sich auch gut auf „Last one on earth“ vorstellen können: Rollendes Midtempo, Nackenbrecher-Riffs und ein wunderbar melodisches Lead bringen es einfach auf den Punkt, was an der Band so unwiderstehlich ist. Einerseits die rohe Brutalität, die niemals purer Selbstzweck, sondern stets songdienlich ist, andererseits die hohe Musikalität, die sich in ebensolchen Farbtupfern wie dem erwähnten Lead immer wieder finden lassen. Das folgende „The nameless elite“ ist da zwar ein wenig konventioneller im Death Metal verhaftet, funktioniert jedoch auch ohne die doomigen Anteile im Sound wirklich sehr gut, wie auch das sich anschließende „Yield or die“ beweist. Den Doom hat man sich also wohl für den Albumcloser und Titeltrack „Necroceros“ aufgespart, und ja, das ist so. Denn diese sieben Minuten sind eine fiese, sich windende und kriechende Lavaspur durch die Essenz dessen, was mitreißenden Death / Doom ausmacht. Kleinere Auflockerungen im Tempo verschaffen ein wenig Luft, nur um im nächsten Moment wieder alles zu verfinstern. Genauso bringt man ein Album zu Ende: Kompromisslos, genauso stark in den letzten Momenten wie in den ersten des Albums und den Hörer mit dem unbändigen Wunsch zurücklassend, das Album sofort wieder in der Anlage rotieren zu lassen. Dem Wunsch wird dann auch jeder Rechnung tragen, sobald die letzten Töne verklungen sind.

Ich muss wirklich zugeben, dass mir die Benotung extrem schwer fällt. Das Fanherz schreit natürlich nach der Höchstnote, Bauchgefühl und ein (wie ich denke) gesunder Objektivismus gehen ein klein wenig mit der Wertung nach unten. Versteht mich nicht falsch: „Necroceros“ ist ein verdammt starkes Album, muss sich allerdings auch mit den nicht weniger starken Releases der Verganngenheit messen lassen. Nach dem ersten Dutzend Durchläufen pendelt es sich auf jeden Fall im oberen Drittel der Diskographie ein; das Songwriting ist gewohnt stark und man sorgt für die eine oder andere kleinere Überraschung, die den Bandsound erfreulich bereichern. ASPHYX-Fans können sich das Album also blind kaufen, daran gibt es nicht den Hauch eines Zweifels. Allen anderen sei das Album definitiv ans Herz gelegt! PFLICHTKAUF!!! +++ 9 / 10 Punkten

Erschienen ist „Necroceros“ am 22. Januar 2021 via Century Media Records als CD, Mediabook-CD+DVD, digital, als 12″-LP in diversen Farben sowie in einer Deluxe Edition als 12″-Doppel-LP+DVD. Derzeit sind im Label-Webshop nur noch die CD sowie das schwarze Vinyl erhältlich, für einige der anderen Formate wird man hier und da, zum Beispiel noch bei High Roller Records, fündig. Ansonsten hilft die Suche auf Discogs.

ASPHYX // © 2021 Asphyx

ASPHYX – Necroceros
Death / Doom Metal from the Netherlands
Century Media Records
Running time: 50:16 minutes
Release date: January 22nd, 2019 (all formats)

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Review © 2021 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation

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