Review: BESTIALIS – Ritus (EP)

BESTIALIS – Ritus // © 2020 Vendetta Records / Bestialis

In den letzten Monaten sitze ich beim Hören von Black Metal ziemlich oft einfach nur da und lasse die letzten 28 Jahre, in denen ich mich jetzt dieser Musik widme, Revue passieren. Einiges war und ist großartig und absolut essentiell, vieles läuft unter „sollte man definitiv kennen, auch wenn es kein Klassiker ist“ – das meiste ist allerdings purer Ausschuss. Und dann überlege ich mir, ob eine Bewertung heutiger Releases überhaupt noch anhand der überragenden Qualität der Klassiker vorgenommen werden darf, entstand der damalige Black Metal doch unter ganz anderen Vorzeichen als heute. Was damals pure Rebellion gegen das Musik- und gesellschaftliche Establishment war, ist längst zu einer völlig eigenen Spielart im Metal gewachsen, mit ebenso vielen Unterschubladen, die in ihrer Anzahl sogar noch die Auswüchse der NWOBHM toppt. Natürlich ziehe auch ich immer mal wieder Vergleiche zwischen alten und neuen Bands; aber ist das überhaupt gerecht diesen Künstlern gegenüber, für die Black Metal weniger eine Form der Rebellion darstellt, sondern die ihre Musik als Kunst verstehen? Sicherlich ein schwieriges Thema, über das sich vortrefflich streiten lässt. Und doch macht es mir eine Band wie die aus dem Umfeld des Culthe Fest stammenden Bochumer BESTIALIS relativ leicht, den rein künstlerischen Ansatz zu wählen. Natürlich ist „Ritus“, die Debüt-EP des Duos in erster Linie eines: Ein starkes Stück Black Metal, das seine Wurzeln weniger in rasender nordischer Kälte sucht, sondern sich am wohlsten in Midtempo-Regionen fühlt. Allerdings gibt es dann doch mehrere Punkte, die den Release aus der Masse herausheben – und die arbeiten wir nun Stück für Stück heraus.

Das zunächst rein akustisch gehaltene Intro „Incensio (Prelude)“ gibt bereits eine erste Ahnung auf die restlichen 15 Minuten, indem nicht einfach sinnbefreit und stumpf herumgezupft, sondern eine ganz einfache und prägnante Melodie verwendet wird. Und zwar eine so einfache, dass das folgende Ungetüm in Form von „Re-Incantation“ das komplette Gegenteil darstellt. Stampfendes Midtempo, wütend herausgekotzte Vocals und eine musikalische Vielfalt, wie zumindest ich sie mir viel öfter bei dieser Art von Black Metal wünschen würde. So zieht man nicht stumpf am Hörer vorbei, sondern fordert ihn, gibt ihm mit jeder gespielten Note zu verstehen, dass die Einfachheit des Intros der Urgewalt der restlichen drei Tracks entspricht. Alleine schon das pure Nackenbrecherpotential dieser viereinhalb Minuten erreichen heute nur noch die wenigsten Bands in dieser Intensität, vor allem nicht in den mittleren Geschwindigkeitslagen. Auch die Produktion kommt diesem Umstand zugute, denn die ist äußerst gut gelungen mit ihrem Mix aus Härte und Differenz, so dass wirklich jedes Instrument herauszuhören ist und das, was da gerade passiert. Sogar der Bass!

Mit „Ur-Veneration“ fügt man dem Sound etwas mehr Düsternis hinzu. Alleine schon das akustische Break, wieder mit einem sehr dominanten Bass-Spiel, wispernden und stets intensiver werdenden Stimmen und das schließliche Entladen in ein melodisches Lead begeistern schlichtweg. Was wohl auch an den immer wieder prägnant aufblitzenden orientalischen Melodieführungen liegt, wie man sie in erster Linie mit Bands mit Melechesh in Verbindung bringen würde. Allerdings nutzen BESTIALIS diese nur als weiteren Layer im ansonsten nordisch geprägten Gesamtbild, was eine interessante Atmosphäre erschafft. Mit dem Schlusstrack „Non-Domestication: Fall of Gilgamesh“ nehmen gerade die partiell eingestreuten dissonanten Riffs schließlich endgültig die Normalität aus dem Bandsound. Was andere Bands als pures Stilmittel verwenden und nur in den allerwenigsten Fällen auch über komplette Song- geschweige denn Albumdistanzen hinweg zu interessanter und außergewöhnlicher Musik verarbeiten, dient hier lediglich dem Spannungsaufbau, um dem geradlinigen Riffing noch mehr Wucht zu verleihen. Dass der Track und damit die EP ohne Brimborium endet, mag dem einen oder anderen Hörer nicht passen; ich nenne das konsequent. Die Plattennadel ist ja außerdem schnell wieder aufgelegt.

Grundsätzlich liebe ich es, wenn Bands nicht gleich ein Album raushauen, sondern zunächst mit einer kleineren Veröffentlichung aufwarten, damit man sich als potentieller Hörer zunächst einmal ein mehr oder weniger konkretes Bild von der Band an sich, ihrem Sound und – natürlich am wichtigsten – ihren Songs machen kann. Und da machen BESTIALIS alles richtig: Diese vier Songs auf „Ritus“ machen schon jetzt soviel Spaß und wecken das Interesse auf einen Longplayer, dass man diese EP durchaus als Erfolg verstehen kann. Songwriting: Top! Produktion: Top! Gesamteindruck: Wem Black Metal in all seinen Facetten wirklich am Herzen liegt, der sollte sich unbedingt mit diesem kleinen Schmuckstück beschäftigen! KAUFEMPFEHLUNG!!! +++ 8,5 / 10 Punkten

Erschienen ist „Ritus“ am 13. November 2020 via Vendetta Records digital sowie als 12″-MLP auf schwarzem Vinyl (limitiert auf 200 Exemplare).

BESTIALIS // © 2020 Bestialis

BESTIALIS – Ritus
Black Metal from Germany
Vendetta Records
Running time: 16:42 minutes
Release date: November 13th, 2020 (all formats)

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Review © 2021 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation

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