HORN – Mohngang

HORN – Mohngang // © 2020 Iron Bonehead Productions / Horn

HORN haben sich zu einer echten Konstante im heimischen Pagan Black Metal entwickelt: Weit entfernt von bierseliger Kirmesmusik-Dudelei (Bands brauche ich wohl nicht zu nennen) oder braungefärbtem Folk-Geschrammel (Bands nenne ich auch hier nicht; hänge ja trotz allem am Leben) ist das live als echte Band agierende Soloprojekt zu einer songwriterisch anspruchsvollen, von Naturmystik und Liebe zu Mutter Erde getränkten Melange aus akustischen Ruhepolen und wilden, doch stets von einer gewissen Epik getragenen Einheit herangewachsen. Der Reifeprozess, den man seit dem 2005er Debüt „Jahreszeiten“ durchlaufen hat, ist aus jeder Note spürbar: Von den ungezügelteren Anfangstagen ab hat man sich von Release zu Release merklich gesteigert oder mindestens eingebrachte Facetten ausgebaut, so dass man im Grunde nie wirklich einen Stillstand zu verzeichnen hatte. Was man nun jedoch auf dem in Kürze erscheinenden achten Album „Mohngang“ zelebriert, ist – soviel sei schon mal vorweggenommen – alleine vom Songwriting her das Beeindruckenste, was man bisher auf Band verewigt hat.

Schon das Intro „Einleitung – Der Wettlauf zum Meer“ gibt mit seinem ruhigen Wellenrauschen und dem nach derm ersten Drittel einsetzenden einsamen Cello vor, dass man durchdringender und epischer als zuvor unterwegs ist. Von den rockigen ersten Takten des Openers „Satt scheint der Sud der Tat“ sollte man sich daher nicht irritieren lassen, denn sobald die melodischen Gitarrenläufe einsetzen, fühlt man sich direkt wieder in der HORN’schen Naturmystik heimisch. Die klaren Vocals wirken erneut eine ganze Ecke stärker und könnten das Album sogar im Großen und Ganzen alleine tragen. Die raueren Vocals stellen natürlich immer noch einen sinnvollen Kontrast dar, zumal man das Wechselspiel zwischen den Stilen gut beherrscht. Ein treibender, niemals in Raserei verfallender Rhythmus drückt das Album bereits in diesen ersten Minuten schön nach vorne, so dass man im folgenden „De står her som sletta“ die ersten ruhigeren Breaks einschiebt. Die Tempivariationen fließen äußerst gut ineinander über, was für das Songwriting an sich spricht; schließlich ist das ein Knackpunkt bei vielen anderen Bands aus dem Pagan-Bereich, bei denen diese Stilmittel oftmals eher kitschig wirken. Den rockigen Drumrhythmus holt man sich in „Wär nicht Traubhagel“ zurück, das mit seinem stampfenden Midtempo live verdammt gut knallen dürfte. Man ist geneigt, hier „klassisches HORN-Material“ zu attestieren – und liegt so falsch nicht. Das jedoch ist kein Beinbruch, schließlich kommt somit gehörig Abwechslung ins Spiel. Besser gesagt, noch mehr: Denn schon im sich anschließenden „Handkreis und Chor“ bekommt das Album einen weiteren Farbtupfer in Form melodischer, fast doomiger Leads. „Upstream canals, a ship’s bell sounds“ ist schließlich der erste große Höhepunkt. In der Tradition irischer Traditionals gehalten, kreiert man hier eine so runde Kombination aus metallischen Versatzstücken und folkigen Grundthemen, wie man sie nur sehr selten zu hören bekommt. Vor allem die Vocals stechen hervor, wird vom harschen Grollen bis zum klaren, nur im Hintergrund zu vernehmendem Gesang doch das gesamte Spektrum abgedeckt. Mit dem „Dulcimerstück“ schiebt man vor dem Schlusstriple noch ein schönes instrumentelles Interludium ein, das die aufgebaute Breitwandatmosphäre des vorigen Stückes auflockert und Platz macht für das am rockigsten intonierte „Vom Tribock hohlgeschossen“. Handwerklich gut umgesetzt ist es dennoch der schwächste Track des Albums – trotz des starken Chorus‘. Ganz anders dagegen „Ødegård und Pendelschlag“, das alten norwegischen Black Metal zitiert und dabei die eigene Note nicht vergisst. Mit diesem Paukenschlag hätte man ein erstklassiges Album schließen können, wenn man sich den – zumindest für mich – größten Höhepunkt nicht bis ganz zum Schluß aufgehoben hätte: „Die mit dem Bogen auf dem Kreuz“, den meisten Hörern wohl noch vom erst vor drei Jahren erschienenen Album „Turm am Hang“ bekannt, liegt hier in einer wunderschönen Cello-Version vor. Nicht nur wird dadurch deutlich, wie gut sich Neerath’s Songwriting auf zwei Ebenen bewegt – auch vom rein emotionalen Standpunkt aus gesehen ist dieser Schlußpunkt das Beste, was man hätte tun können. Denn das bittersüße Ausklingen des Albums weckt vor allem einen Wunsch: Bitte mehr davon! Fürs erste muss daher die Repeat-Taste reichen, die in nächster Zeit wieder viel Arbeit bekommen wird. Ich bin schwer begeistert!

Ich habe keine Ahnung, wie oft ich sämtliche Alben von HORN inzwischen gehört habe; mehrere Dutzend Durchläufe pro Release dürften es jedenfalls gewesen sein. Was Neerath jedoch mit „Mohngang“ erschaffen hat, wird alle diese Rotationen auf dem Plattenteller wohl ohne Probleme toppen: Epische Melodien und Leads, fantastische Vocals, hevorragendes Songwriting und trotz des eigenen Stils viel Abwechslung machen das Album zu einem großen Höhepunkt in der Banddiscographie. Der Black Metal ist nur noch partiell vorhanden, was nicht weiter schlimm ist, liegen die Stärken doch sowieso im traditionelleren Songwriting, was sich sowohl in den instrumentalen Stücken als auch in den oftmals sehr unmetallischen Vocals niederschlägt. Ein Narr, wer sich diesen Leckerbissen im Pagan (Black) Metal entgehen lässt! PFLICHTKAUF!!! +++ 9 / 10 Punkten

Ab dem Releasetag wird das Album im Webshop des Labels und wohl auch auf Bandcamp verfügbar sein. Erscheinen wird es als CD, als LP sowie digital. Alle Infos gibt es wie gewohnt zeitnah auch noch einmal auf der Facebook-Seite von Black Salvation.

HORN // © 2020 Horn

HORN – Mohngang
Pagan Black Metal from Germany
Iron Bonehead Productions
Running time: 48:04 minutes
Release date: May, 15th, 2020 (all formats)

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Review © 2020 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation

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