WANDAR – Zyklus

WANDAR – Zyklus // © 2019 Vendetta Records / Wandar

Dedicated to my eternal love Pearl Willson (1990 – 2019) – As sudden and brutal your cycle was ended, as peaceful may be your afterlife.

Dieses Album – und damit auch das Review – stellt die wahrscheinlich größte Herausforderung dar, der ich mich in den letzten Wochen in musikalischer Hinsicht stellen musste. Der Tod meiner Verlobten vor 14 Tagen hat nicht nur ihre Familie, unsere Freunde und mich hart getroffen, sondern auch ein Stück unseres Seins mitgerissen. Pearl gehörte zu dieser seltenen Art von Menschen, die trotz ihrer Offenheit, ihres freundlichen und mitreißenden Wesens auch eine sehr ernste und melancholische Seite hatte, die man jedoch nur fand, wenn man sie sehr gut kannte. Im Gegensatz zu mir war sie ein Ausbund an Fröhlichkeit – und wahrscheinlich war es genau dieser Gegensatz, der uns so eng und so tief aneinander band. Sie war ein großer Rockmusik-Fan; nicht von diesem ganzen radiotauglichen Quatsch, sondern viel eher in dem verwurzelt, was man heute Classic Rock nennt. Zudem hatte sie eine große Passion für Post-Black Metal, dessen Mix aus Aggression und Melancholie sie sehr anzog. Auch einige wenige Bands ohne den Post-Zusatz waren in ihrem Plattenregal zu finden – und hier kommen wir nun zu WANDAR, deren zweites Album „Zyklus“ sie in den letzten Monaten quasi rauf und runter gehört hat. Vergangenen Juli bereits als Independent-Release auf CD und digital erschienen, legten Vendetta Records dieses großartige Album nun auch als LP erneut auf. Grund genug für mich, dem Album endlich die nötige Zeit zu widmen – auch wenn es mir (verständlicherweise, wie ich hoffe) nicht gerade leicht fällt, meine eigenen Emotionen beim Hören der Musik von den mit der Trauer verbundenen zu lösen.

Die Energie, die bereits mit dem Opener „Winden“ über dem Hörer hereinbricht, sucht im Genre seinesgleichen: Raue, melodisch-melancholische Riffs sind der Ausgangspunkt und das große, albumüberspannende Element, welche das gesamte Songwriting trägt. Zwar geht dadurch das Drumming ein wenig unter, das ebenfalls mit großartigen Patterns aufwarten kann und mehr als nur eine solide Grundlage darstellt – doch ist dies Kritik auf hohem Niveau. Wenn eine Band innerhalb von neun Minuten ganze Welten vor dem inneren Auge aufbauen kann, ist dies mehr als einfach nur gelungen. „Tothfall“ zieht das Tempo anschließend um gleich mehrere Stufen nach unten und entfacht gerade dadurch einen tosenden Gefühlssturm. Eine von Düsternis schwangere Atmosphäre, stellenweise durchflutet von fast schon an melodischeren Doom grenzenden Riffs und dazu das klassische Black-Metal-Keifen erzeugen eine Soundwand, die Pearl gerne mit „Dein Herz krampft sich zusammen und öffnet sich weit“ umschrieb. Dem kann ich nur beipflichten. Das Piano-Outro trägt seinen Teil dazu bei, dieser Wehmut Ausdruck zu verleihen, ohne dass man dabei in einen tiefen Abgrund starrt. Mit dem klassisch arrangierten und beinahe schon Soundtrack-Qualitäten erreichenden Intro zu „Fylgia“ erklimmt die Band die nächste Sprosse auf der Atmosphäre-Leiter. Man fühlt sich hier unwillkürlich an mittlere Katatonia erinnert, relativiert diesen Eindruck allerdings sehr schnell, da man immer wieder klassischeren Black Metal einstreut. Dieses Wechselspiel aus traditionelleren Strukturen und mit Breaks und Tempiwechseln durchsetzten Parts erschafft am Ende den Soundtrack innerhalb eines Soundtracks, denn eines muss man dem Album schon nach diesen drei Songs attestieren: Jeder einzelne Track ist zwar eine eigene kleine Reise, die sich auch losgelöst aus dem Albumkontext wunderbar hören lassen. Jedoch entfaltet das Album seinen kompletten Reiz, seine komplette Magie, nur als zusammenhängendes Werk. Ein Interludium wie „Rast“ ergibt nur so einen Sinn, da man das folgende „Se(E)Hen“ nathlos anschließen lässt und das melancholische Riffing ab hier noch drückender wird. Unterstützt wird das Ganze durch eingeflochtene gesprochene Textpassagen, die nicht nur einen Kontrapunkt zu den sonstigen Vocals darstellen, sondern dem Song noch mehr Tiefe verleihen, als ihm musikalisch eh schon innewohnt. „Heimgang“ ist im Grunde die Kulmination, die Essenz dessen, was WANDAR ausmacht: Melancholie, eine unterschwellige, reflektierende Aggression, eingehüllt in Düsternis und zugleich so voller Hoffnung auf das unausweichliche Ende oder das, was da noch kommen mag. Mit „Basalt“ schließt man schließlich den Kreis und verleiht dem Album ein ebenso furioses Ende, wie sein Beginn war. Getragen von herrlichen Melodien im Mittelteil wünscht man sich, diese Reise würde nicht schon zu Ende gehen. Und dieses Gefühl auch nach dem x-ten Durchlauf noch zu erwecken, muss ein Album erst einmal schaffen…

Was WANDAR unter den aktuelleren, stets auf dem schmalen Grat zwischen Black und Post-Black Metal wandelnden Bands so einzigartig macht, ist die Symbiose aus harschen Riffs und einer von tiefster Melancholie sirrenden Atmosphäre. „Zyklus“ ist eines der wahrlich einzigartigen Meisterwerke, die zwar zwei oder drei Durchläufe mehr als gewöhnlich benötigen, bis sie sich vollends öffnen, deren Durchschlagskraft dann jedoch so gewaltig ist, dass man sich kaum noch von dieser zu lösen imstande ist. Was die Band hier zelebriert, ist Songwriting auf dem höchsten Niveau, welches man sich denken kann. Es ist mehr, als das übliche Kopfkino – es ist Film, Soundtrack und Seelentherapie zugleich, in Musik gegossene Kunst. Kurz: ein MEISTERWERK!!! +++ 10 / 10 Punkten

Im Webshop von Vendetta Records sowie in deren Bandcamp-Shop werdet ihr fündig, wenn ihr das 12″-Vinyl in scharz oder farbig (limitiert auf 130 Exemplare) erwerben wollt. Ebenfalls dort erhaltet ihr die CD, die auch von Wandar selbst vertrieben wird (ebenfalls via Bandcamp). Das Tape ist nach wie vor über den Bandcamp-Shop von Repose Records erhältlich. Digital erwerben könnt ihr „Zyklus“ ebenfalls in allen diesen BC-Shops.

WANDAR // © 2019 Wandar

WANDAR – Zyklus
Black Metal from Germany
Independent / Vendetta Records
Running time: 53:04 minutes
Release date: July 12th, 2019 (digital & CD; Independent) / September 20th, 2019 (Tape; Repose Records) / November 15th, 2019 (LP; Vendetta Records)

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Review © 2019 Beatrice Sophia von Siedler

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