UNAUSSPRECHLICHEN KULTEN – Teufelsbücher

UNAUSSPRECHLICHEN KULTEN – Teufelsbücher // © 2019 Iron Bonehead Productions / Unaussprechlichen Kulten

Als Fan südamerikanischen Death Metals ertappt man sich immer mal wieder beim Versuch, die dortige Szene gegen die europäische aufwiegen zu wollen: Was macht gerade die Bands jenseits des Atlantiks so unverwechselbar? Ist es das scheinbar natürliche Gespür für Aggression, bedingt durch die dortigen Lebensumstände? Oder ist es alleine die Passion, aus den Wurzeln des Genres heraus mit jeder neuen Veröffentlichung neue, aufregende Musik zelebrieren zu wollen? Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus beidem, zumal sich auch diesseits des Großen Teiches seit einigen Jahren die Erkenntnis durchsetzt (gerade bei jüngeren Bands), dass Innovation nicht zwangsläufig das Abrücken vom eigenen Stil bedeuten muss und man auch genrefremde Einflüsse hervorragend einbinden kann (siehe Chapel of Disease oder Venenum). Ein Paradebeispiel für stetige Neuausrichtung ohne Verrat an den eigenen Wurzeln sind die Chilenen UNAUSSPRECHLICHEN KULTEN, die Album für Album, Release für Release, ihren Stil immer in Nuancen verfeinerten und somit stets aufs Neue außergewöhnliche Veröffentlichungen auf den Markt gebracht haben. Mit ihrem Mitte Oktober erscheinenden fünften Album „Teufelsbücher“ setzt man diese Marschrichtung unvermindert fort, was alleine schon den ersten Hördurchlauf zu einem beeindruckenden Erlebnis macht.

Dieser erste Eindruck macht vor allem zwei Dinge fest: 1. Das Album ist fantastisch produziert, ohne die Rohheit und Aggression zu verlieren, die der Band seit jeher eigen war. 2. Im Gegensatz zum Vorgänger ist man wieder ein wenig straighter unterwegs, ohne jedoch die typischen okkulten Elemente zu vernachlässigen, die seit jeher ein wichtiges Trademark der Chilenen sind. Müßig zu erwähnen, dass sich das Riffing dabei an dieser Vorgehensweise orientiert, die einzelnen Passagen geschickt ineinander verwebt und eine Ausdiffernzierung somit schier unmöglich macht. Was jedoch nur von Vorteil ist, finden sich doch damit haufenweise interessante Breaks innerhalb der Songs, die bei allem Wechsel zwischen Highspeed und angezogenem Midtempo ein erstaunliches Gespür für logisches Songwriting beweisen. Kein Part wirkt willkürlich an den anderen gereiht, alles scheint einem übergeordneten Plan zu folgen, der selbst im größten Chaos klar zu erkennen ist. Das wird bereits im technisch recht anspruchsvollen Opener „The evil out of control“ deutlich, dessen zum Teil recht vertrackte Rhythmen sowohl Anspruch an den Hörer als auch so etwas wie Zugänglichkeit generieren. Bei aller Komplexität legt man stets Wert darauf, nachvollziehbare Songstrukturen in den Mittelpunkt zu stellen, was der düsteren und aggressiven Grundstimmung nur gut tut. Das ebenfalls sehr energetische „Keziah Lilith Medea“ sowie das stellenweise ein wenig zurückgenommenere „Cranquiluria“ sind beides Tracks, die man in ebendieser Abfolge erwarten würde, legen sie Stück für Stück doch weitere Puzzleteile über den Sound und können doch auch für sich alleine funktionieren. Spätestens an dieser Stelle sollte wohl jedem klar sein, dass man Zeit benötigt, um wirklich in das Album abtauchen zu können. Und ein weiterer Vergleich drängt sich auf: Zieht man eine Linie zwischen den Death-Metal-Alben vergleichbarer Art der letzten zwölf Monate, so fallen einem unweigerlich Sulphur Aeon und Chapel of Disease ein, die trotz stilistischer Unterschiede ebenso anspruchsvoll wie zugänglich sind und den Death Metal auf ein neues Niveau gehoben haben. Hört man die drei Alben hintereinander, stellt sich zudem kein wirklich großer Bruch hinsichtlich Atmosphäre und künstlerischer Begabung ein, die alle auf einem erstaunlich hohen Niveau liegen. Zurück bei den Chilenen, ist „A search and an evocation“ ein weiterer extrem treibender Track, während „Flapping membraneous wings“ der wohl verkopfteste Song auf dem Album ist, für den man die meiste Zeit benötigt, um Zugang zu finden. Auch sind die ruhigen Momente, die sich hier finden lassen, ein interessanter Kontrast zum üblichen Highspeed-Geballer, den man auch im Albumcloser „Necromancy and torment“ als Intro wiederfindet. Dieser prügelt zum Abschluss noch einmal unbarmherzig nach vorne, was ein ziemlich energetisches Finale bedeutet und „Teufelsbücher“ inklusive der besten Leads auf dem Album adäquat abschließt.

Zum Abschluss noch ein Wort zum Konzept hinter dem Album: Die „Teufelsbücher“ hatten ihren Höhepunkt seit ca. kurz vor dem Tod Luthers 1545 bis 1604. Während dieser Hochzeit der Verbreitung waren sie mit gerade einmal 39 Originalschriften zu einem großen Teil die Vorläufer der späteren „Hexenschriften“. Der Teufel gewinnt Schritt für Schritt an Stärke, was im 16. und 17. Jahrhundert seinen Höhepunkt erreichte, als Europa ihm eine enorme Aufmerksamkeit schenkte. Die Teufelsbücher verurteilten scharf, dass jeder Sterbliche, der eine Sünde begeht, unweigerlich unter die Macht des Herrn der Hölle fallen würde. Die Theologen und Inquisitoren, die damals mit dem Ziel betraut wurden, Laster und Sünden anzuprangern, wollten zu diesem besonderen Kampf gegen „böse Schreiberlinge“ beitragen, bei dem Natur, Wissen, List und die Macht des Satans in Frage gestellt und Mittel zur Bekämpfung von Zaubersprüchen eingesetzt wurden: Omen, Zauber, Wetterzeichen, anrüchige Künste usw. Auf Hunderten von Seiten wurden auch erstaunliche, fantastische, wundervolle und beängstigende Geschichten aufgenommen. Zusammen mit der Enthüllung ihrer eigenen Perversion, anstatt Männer zu warnen, verursachten sie jedoch Faszination und lösten krankhafte Faszinationen in Bezug auf Aberglauben und Hexerei aus. – Mir liegt zwar leider noch keine Info dazu vor, ob es wie schon beim Vorgänger ein detailiertes Booklet mit allen Infos zum Konzept selbst geben wird, ich gehe an dieser Stelle jedoch einfach mal davon aus. Spätestens am Releasetag gibt es dazu dann alle Details.

„Teufelsbücher“ ist zunächst einmal eine extrem intensive Reise in die Tiefen des Death Metal: Stets pendelnd zwischen Okkultismus und rasender Aggression, geben uns UNAUSSPRECHLICHEN KULTEN erneut einen Einblick in die finstersten Regionen menschlicher Existenz und umrahmen dies wie gewohnt mit einem interessanten Konzept. Das Album ist somit ein weiterer Beweis, wie vital und aufregend die Chilenen agieren und wie frisch und unverbraucht man sich auch nach zwanzig Jahren Bandexistenz präsentiert. Wer ein Herz für authentischen und mitreißenden Death Metal hat, wird hier bestens bedient werden. PFLICHTKAUF!!! +++ 9 / 10 Punkten

Ihr erhaltet „Teufelsbücher“ ab dem Releasetag sowohl im Webshop des Labels als auch auf Bandcamp, wo es das Album zusätzlich als digitale Version geben wird. Alle Infos zu Formaten etc. gibt es dann wie gewohnt auf der Facebook-Seite von Black Salvation.

UNAUSSPRECHLICHEN KULTEN // © 2019 Unaussprechlichen Kulten

UNAUSSPRECHLICHEN KULTEN – Teufelsbücher
Death Metal from Chile
Iron Bonehead Productions
Running time: 42:37 minutes
Release date: October 18th, 2019 (all formats)

Iron Bonehead Productions Webshop
Iron Bonehead Productions Bandcamp
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Unaussprechlichen Kulten Facebook

Review © 2019 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation

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