Bands der vierten Black Metal Welle machen es einem beileibe nicht immer einfach: Sei es der enormen Aggression und Kälte wegen, die man aus der zweiten Welle schöpft, sei es des enormen okkulten Potentials wegen, das aus der dritten Welle stammt. Anstrengend wird es, liegt die Gründung einer Band relativ im Übergang von der dritten zur vierten Welle, so dass sich die verschiedenen Einflüsse nicht immer leicht abgrenzen lassen und man oftmals vorschnell „Plagiat!“ schreit. So wie bei den Schweden PATRONYMICON, deren pfeilschneller Sound in Verbindung mit okkulten Themen recht schnell den Verdacht aufkeimen ließ, dass man es hier nicht gerade mit einem Ausbund an Kreativität zu tun hätte. Die Feinheiten liegen jedoch immer verborgen unter der Oberfläche, so dass eine intensive Beschäftigung mit dem Backcatalog der Band all jenen empfohlen wird, die oben genanntem Vorurteil aufgesessen sind. Denn auch beim Ende September erscheinenden dritten Album „Ushered forth by cloven tongue“ muss man zwar nicht sonderlicht tief nach der Essenz der Band graben – jedoch sind einige intensive Hördurchläufe notwendig, um sie in vollem Umfang in sich aufnehmen zu können.
So scheint der Opener „Haissem“ auf den ersten Blick ein straighter, nach vorne treibender Track zu sein, dessen Midtempo-Ausrichtung an vielen Stellen jedoch schon zeigt, dass man durchaus weiß, wie man Breaks richtig einsetzt. Ein weiterer Hinweis auf das songwriterische Potential geben die vielen melodischen Leads ab der zweiten Songhälfte, die man als Stilelement auch in den restlichen Tracks beibehält, was diese ungemein auflockert. „The funeral of a passive god“ zieht das Tempo beinahe unmerklich an, jedoch schimmern hier auch relativ deutlich die zahlreichen Einflüsse verschiedener schwedischer Black-Metal-Bands hindurch, ohne dass man dabei auf bewusstes Namedropping verfallen müsste. Mit „XI kings XI curses“ steigert man die Intensität sogar noch und kommt langsam in Regionen an, die zwar noch nicht zu höchsten Weihen gereichen, jedoch im Hörer selbst ein ungeheures Aggressionsgefühl freisetzen, was dem unmerklichen Eintauchen in die Atmosphäre des Albums geschuldet ist. Bei vielen Bands macht sich normalerweise relativ schnell Langeweile breit, drücken diese so kompromisslos aufs Gas, wie dies hier geschieht. Jedoch sind es die immer wieder zu findenden Breaks ins Midtempo, die das Album spannend halten, so dass auch „Lightless flames“ zu keiner Sekunde das Gefühl aufkommen lässt, man soll zum Ende kommen. Ganz im Gegenteil: Nach einem wüsten und infernalischen Beginn, dem etwas langsameren Mittelteil und schließlich dem kurzzeitigen Ausetzen jeglicher Geschwindigkeit mündet man in das bitterböse „Womb of rejection“, das man einfach nur noch unbarmherzig nennen kann: Unbarmherzig im durchgezogenen Midtempo sowie unbarmherzig für die Nackenmuskulatur, die hier extremst beansprucht wird. Gerade der Übergang von der ersten zur zweiten Songhälfte bietet beinahe schon Black/Thrash der Marke Desaster, was dem kompletten Album von jetzt auf gleich einen völlig anderen Touch gibt. Denn hört man genauer hin, findet sich auch in einigen anderen Tracks hin und wieder eine kleinere Thrash-Anspielung, ohne dass man diese ausreizen würde. Am offensichtlichsten noch in „From the depths of damnation“, das zu den stärksten Songs des Albums gehört und all die Facetten in sich vereint, die man in den vorigen Tracks bereits gezeigt hat. Überhaupt ist gerade das letzte Albumdrittel sehr ausdrucksstark ausgefallen: So finden sich in „A star that shineth not“ die wahrscheinlich besten Leads auf dem Album (gerade der ganz leichten epischen Unternote wegen), was auch dem für die Band eher langsameren Midtempo geschuldet ist. Den absoluten Höhepunkt hat man sich allerdings für den Albumcloser „Death itself“ aufgehoben: Extrem zähflüssiges und erneut bitterböses Riffing wandelt sich nur allzu schnell wieder in oberes Midtempo, behält den düsteren Sound jedoch ungebrochen bei, den man hier zum ersten mal findet. Die siebeneinhalb Minuten bilden nicht nur der großartig performten Parts im unteren Tempobereich wegen die Ausnahme auf dem Album, sondern zeigen endgültig, zu welcher Klasse an Songwritern man eigentlich gehört: Zur Oberklasse! Ein wahnsinnig intensiver Abschluss eines eh schon starken Albums…
Es ist schon mehr als bedenklich, wenn man auch im Jahr 2019 immer noch von „Bands aus der zweiten Reihe“ spricht. Entweder ist es noch nicht bis zu jedem vorgedrungen oder aber es ist völlige Ignoranz, dass man den Fakt verkennt, dass die große Trendanbiederei der Neunziger heutzutage nicht mehr stattfindet. Zwar gibt es natürlich immer noch Bands, die den einfachsten Weg gehen und kopieren, was das Zeug hält – die übergroße Mehrheit der Künstler jedoch agiert aus purer Leidenschaft und Passion heraus. Und das merkt man eben auch einem Album wie „Usher forth by cloven tongue“ an, dem diese Attribute aus jeder Note und Textzeile entgegenspringen. PATRONYMICON haben somit erneut ein verdammt starkes Album vorgelegt, das sich jeder, der aggressiven Black Metal mit einer okkulten Note liebt, zulegen sollte. KAUFEMPFEHLUNG!!! +++ 8,5 / 10 Punkten
Bereits jetzt ist das Album als Pre-order erhältlich – sowohl als CD, als auf 300 Exemplare limitierte 12″-LP auf schwarzem Vinyl sowie digital. Käuflich zu erwerben sind die physischen Formate dabei im Webshop des Labels, die digitale Version auf deren Bandcamp-Seite. Am Releasetag selbst wird es alle Infos dazu natürlich auch noch einmal auf der Facebook-Seite von Black Salvation geben.
PATRONYMICON – Ushered forth by cloven tongue
Black Metal from Sweden
Osmose Productions
Running time: 47:32 minutes
Release date: September 27th, 2019 (all formats)
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Review © 2019 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation