ANTIGONE’S FATE – Zum Horizont…

ANTIGONE’S FATE – Zum Horizont… // © 2019 Northern Silence Productions / Antigone’s Fate

Wahrscheinlich hat es das auf Black Salvation noch nie gegeben, aber ich muss zu Beginn doch schon einmal kurz auf das Fazit vorgreifen: Wenn eine Band (oder in diesem Fall ein Solo-Projekt) es schafft, mit seinen zum Teil wunderschönen und herzergreifenden Melodien regelrecht in die Seele der Verfasserin dieser bescheidenen Zeilen zu greifen, die ansonsten nur äußerst schwer für „schöne Klänge“ zu erwärmen ist, dann haben die Künstler etwas richtig gemacht. In den letzten beiden Jahren saß ich zwar oft genug mit großer Begeisterung vor der Anlage und freute mich ob der hohen Qualität der Alben aus den verschiedensten Stilrichtungen, aber dass mir eine Promo dann so zusetzt und regelrechte Gefühlsstürme in mir zu entfachen vermag – das gab es schon sehr lange Zeit nicht mehr. ANTIGONE’S FATE aus dem schönen Schleswig-Holstein konnten bereits mit ihrem Anfang 2018 erschienenen Debüt „Insomnia“ einen kleinen Funken davon in mich setzen: Als wäre es gestern gewesen, so erinnere ich mich, als ich in einem kurzen Post auf Facebook schrieb, dass mich das Album rein auf die Atmosphäre bezogen ein wenig an Summoning in ihren melancholischsten Momenten erinnert. Daran hat sich bis heute auch nichts geändert und ich ziehe es immer mal wieder gerne aus dem Regal (in der Tat ist es sogar eines der Lieblingsalben meiner Partnerin). „Zum Horizont…“ ist nun das zweite Album betitelt und ich glaube, noch niemals zuvor konnten Albumtitel und die dazugehörige Musik ein solch großes Fernweh in mir auslösen.

Natürlich sollte man sich von dem eben genannten Summoning-Vergleich nicht beeinflussen lassen, denn rein musikalisch sind ANTIGONE’S FATE in ganz anderen Gefilden unterwegs: Irgendwo zwischen Atmospheric Black Metal, Depressive Black Metal, Post-Black Metal, Anleihen aus Dark und Gothic Metal – die Spannbreite ist so groß, dass eine Einordnung eigentlich kaum möglich ist. Und das macht den großen Reiz aus: Schon der Opener „Abendstern“ vereint all diese Elemente und gerade die Riffs, die stets zwischen Melancholie und Atmosphäre pendeln, fühlen sich wie aus dem melodischen Gothic Rock der Neunziger entlehnt an. In Kombination mit dem fantastischen, klaren Gesang mag das für viele zwar sehr kitschig wirken, doch das Songwriting (das sich im Vergleich mit dem Debüt noch um einiges gesteigert hat) ist so dermaßen unverkrampft, dass es einfach nur tierisch viel Spaß macht, sich komplett in die Musik hineinfallen zu lassen. Black-Metal-Vocals gibt es hier nur als weitere Farbtupfer, ebenso wie einige wenige, deutlich erkennbare Spuren aus der „reinen Lehre“. Die sind jedoch so sparsam gesetzt, dass sie wirklich vernachlässigbar sind. Lediglich das Ende des Tracks macht einen Schlenker hin zum Atmospheric Black Metal – dies jedoch so unaufdringlich und so wunderbar integriert, dass es schwerfällt, den genauen Zeitpunkt abzupassen, in welchem Break dies passiert. Die wahrscheinlich schönste Melodieführung und die besten Vocals auf dem Album finden sich schon relativ früh – gleich zu Beginn in „Morgengrauen“: Die schon erwähnten Gothic-Rock-Elemente werden hier bis auf die Spitze getrieben und beweisen, wie kraftvoll dieser Stil sein kann, verzichtet man auf das leider irgendwann üblich gewordene Elfengeträller. Gerade die eingestreuten, akkustischen Passagen fügen dem Track viel Dynamik und Spannung hinzu, so dass die neun Minuten wie im Fluge vergehen. Das anschließende „Herbstnacht“ fügt sich in diesen Kontext ebenfalls sehr gut ein, ist es doch über weite Strecken wesentlich energetischer, was die Melodieführungen sowie die Leads umso abwechslungsreicher erscheinen lässt. Aus rein musikalischer Sicht ist jedoch „Der graue Block“ der große Höhepunkt: Flirrende, melodische Riffs, eine zutiefst melancholische Grundstimmung sowie herausragende Breaks, die das Tempo in so gut wie allen Midtempo-Schattierungen halten, bauen nicht nur einen 21-minütigen, epischen Longtrack auf, sondern verarbeiten gleichzeitig soviel Emotionalität und Tiefe im Songwriting, dass es äußerst schwer ist, sich wirklich davon lösen zu können, sobald man in der zweiten Hälfte komplett auf die Vocals verzichtet (von einigen Chören abgesehen). In einer langen, ausufernden Sequenz verschafft man dieser epischen Breite genügend Raum, so dass die Immersion innerhalb der Musik stets größer wird und man um sich herum kaum noch etwas anderes wahrnimmt. Der Nachhall nach den letzten Takten, nachdem das Album schließlich geendet hat, ist zudem wahnsinnig intensiv, so dass man erst einige Zeit benötigt, bis sich die Umgebung wieder bemerkbar macht. Ich bin schwer begeistert – oder besser: Ich bin verliebt!

Was kann ich im Fazit noch hinzufügen, was ich nicht schon in der Einführung zu diesem Artikel schrieb? Vielleicht das Folgende: Wem Genregrenzen völlig egal sind, wer gerne und oft über den Tellerrand schaut und keine Berührungsängste kennt, für diese Hörer ist „Zum Horizont…“ eine logische Wahl. Das Album zaubert einem regelrecht das Leuchten in die Augen, es macht das Herz weit und reinigt die Seele von allem Ballast. Ja, das hört sich kitschig an – aber (und hier muss ich mich dann doch wiederholen): Wenn eine Band wie ANTIGONE’S FATE es vermag, mit seinen zum Teil wunderschönen und herzergreifenden Melodien regelrecht in eine Seele zu greifen, die ansonsten nur äußerst schwer für „schöne Klänge“ zu erwärmen ist, dann haben die bzw. der Künstler etwas richtig gemacht. Völlig egal, unter welchem Genrelabel man das nun einordnet: Am Ende bleiben gut 53 Minuten wundervoller Musik – und das sollte man als Liebhaber ebendieser Kunstrichtung auch so annehmen, melodischer Gothic Rock hin oder Atmospheric Black Metal her. PFLICHTKAUF!!! +++ 9 / 10 Punkten

Die Erstpressung des Albums wird es als auf 500 Exemplare limitiertes Digipack geben, das schon jetzt via Bandcamp und im Webshop des Labels geordert werden kann. Alle Infos dazu gibt es wie gewohnt am Releasetag selbst auch noch einmal auf der Facebook-Seite von Black Salvation.

ANTIGONE’S FATE // © 2019 Antigone’s Fate

ANTIGONE’S FATE – Zum Horizont…
Black Metal from Germany
Northern Silence Productions
Running time: 52:56 minutes
Release date: September 20th, 2019 (all formats)

Northern Silence Productions Webshop
Northern Silence Productions Bandcamp
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Antigone’s Fate Bandcamp
Antigone’s Fate Facebook

Review © 2019 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation

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