Man kann es nicht oft genug erwähnen: So dankbar man auch sein muss für die Entwicklung der heimischen Black-Metal-Szene besonders in der letzten Dekade, so schwierig ist es mittlerweile geworden, hinter die Fassade so mancher Bands und Künstler zu blicken, die man in den etwas größeren Publikationen mal mehr, mal weniger vorschnell in die rechte Ecke schiebt (jedoch nur allzu oft zu Recht). Streitbare und auch extreme Inhalte waren immer und sind nach wie vor ein essentieller Bestandteil im Black Metal – der Spaß hört jedoch dann auf, wenn es eindeutige Tendenzen hin zur Verachtung einzelner Menschengruppen gibt, vor allem rassistischer Natur. Black Metal per se lehnt JEDE Form menschlicher Existenz ab und selbst wenn man in erster Linie den dunklen, okkulten Richtungen anhängt (so wie ich – ja, auch als Jüdin geht das, denn ohne Glaube gibt es keinen Nicht-Glauben) ist dies kein Grund für rechts- oder auch linksextreme Inhalte innerhalb der Szene. Natürlich haben dies auch die Bands bzw. Künstler erkannt, so dass man in der Öffentlichkeit sehr vorsichtig geworden ist mit dem, was man sagt. Letzten Endes geht es doch auch im Black Metal immer nur um eines: die Steigerung des Bekanntheitsgrades innerhalb der Szene durch gute Musik. Und solange mir keine privaten Äußerungen bekannt werden, deren Inhalte auf die eben genannten No-Go’s zu beziehen sind, wird auch eine Band bzw. ein Solo-Projekt wie MAVORIM ihren Platz auf Black Salvation haben, das von weiten Teilen der Mainstream-Metal-Presse doch relativ kritisch betrachtet wird. Mit einigen kleineren Veröffentlichungen sowie dem letztjährigen Debüt-Album konnte man im Underground bereits erste Duftmarken setzen, die man mit der vor wenigen Tagen erschienenen EP „Aasfresser“ noch ein wenig verstärken möchte.
Wobei – als EP kann man diese so vom Label deklarierte Veröffentlichung eigentlich gar nicht ansehen, ist sie wegen ihrer gut 55 Minuten Spielzeit und insgesamt 10 Tracks (darunter vier Demo-Tracks) doch eher ein Mini-Album. Mit dem Intro „Victoria“ leitet man es mittels Fanfaren und Orgelklängen ein, bevor der Titeltrack „Aasfresser“ den eigentlichen Opener bildet. Das erste, was dort auffällt, ist das zu weit nach hinten gerückte Drumming. Der Gitarrensound ist zwar ordentlich angezerrt, die keifenden Vocals passen stimmig zum Stil und generell hat man nicht das schlechteste Händchen für stimmiges Songwriting, sind die Riffs doch eine wohlgefällige Mischung aus norwegischer und finnischer Schule. Aber die Drums! Leute, wir haben 2019 und nicht mehr 1993 – es ist beileibe keine Schande mehr, den Drums zumindest so viel Druck zu verpassen, damit die Songs ordentlich nach vorne gedrückt werden. Schade ist das vor allem bei einem Track wie „Geeint im Kampf“, dessen in Grundzügen fast episches und sehr an ganz alten norwegischen Pagan Black Metal erinnerndes Riffing dadurch noch mehr unterstützt würde und die Tracks auf ein höheres Level führen würde… Die finnischen Einflüsse sind in „Missraten und verkommen“ am deutlichsten zu spüren, was allerdings sehr atmosphärisch umgesetzt wurde und weitab von einem reinen Plagiat ist. Gerade die Wechsel vom hohen, flirrenden Riffing zu den tieferen Noten ist gut umgesetzt und würde – sorry, das muss halt wieder gesagt werden – bei entsprechender Produktion ordentlich knallen. Gerade die sehr klaren und einfach gehaltenen Leads (die man in dieser Form auch jeder bodenständigen Rocktruppe hätte zusprechen können) haben es mir angetan, da man die in dieser Kombination eher selten hört. Die Riffstrukturen zum Ende hin erinnern zwar zu stark an alte Kampfar, sind durch den melancholischeren Unterton jedoch akzeptabel. „Ein hasserfüllter Geist“ ist mit seiner eher aggressiven Note der typischste Black-Metal-Track, dem man die deutsche Herkunft gerade in den ersten Hälfte anhört, bevor man auch hier wieder mit einem atmosphärischen Part einen gelungenen Gegensatz schafft. Der nahtlose Übergang ins Outro „Lux aeterna“ ist wunderbar fließend und mit seinem Mix aus Klavier und Cello (?) eine ebenso melancholisch-traurige wie hoffnungslos stimmende Endnote – passend zum Titel der EP. Deutlich aggressiver geht man anschließend in den Demotracks zugange, was nicht nur den Ersteindruck eines Mini-Albums oder auch von zwei separaten EP’s auf einer LP verstärkt, sondern auch einen ordentlichen Kontrast darstellt. So sind „Im Angesicht der Unendlichkeit“ und „Hort der Seligkeit“ zwei stark nach vorne treibende Stücke, die eine ganz andere Qualität fahren, als die Tracks der ersten Hälfte. Gerade „Hort…“ erzeugt mit seinem Einstiegsriff eine solche Wucht, dass man sich ernsthaft Gedanken darüber macht, wie geil das mit einer entsprechenden Produktion klingen würde. Mit „Verhallt in Dunkelheit“ und „Quälen zerreißen vernichten“ schiebt man zum Abschluss noch zwei Tracks hinterher, die dem in nichts nachstehen. Besonders der letzte Track atmet dabei soviel Spirit der zweiten Black-Metal-Welle, dass man sich 24 oder 25 Jahre in die Vergangenheit zurückversetzt und sich an die – wenigen! – guten Releases aus dem Hause Last Episode erinnert fühlt. Guter Abschluss – genau davon möchte zumindest ich in Zukunft mehr haben…
Zugegeben, es gibt viel, was man „Aasfresser“ negativ ankreiden kann, insbesondere die Produktion bzw. den Mix der Drums oder die manchmal etwas zu offensichtlichen Einflüsse. Dem stehen allerdings auch eine wirklich sehr gelungene Lead-Arbeit und einige tolle atmosphärische Parts gegenüber, die die EP gerade noch so aus der Mittelmäßigkeit herausreißen. Natürlich ist der Underground-Gedanke wichtig, aber den sollten MAVORIM in Zukunft doch bitte mittels einer deutlich aggressiveren Produktion weitertragen. Wie man es richtig macht, zeigen die Demo-Tracks. Dennoch: GEHEIMTIPP!!! +++ 7,5 / 10 Punkten
Erhältlich ist „Aasfresser“ sowohl als reguläre CD, als auf 100 Exemplare limitiertes A5-Digipack als auch als 12″-LP auf schwarzem Vinyl sowie ebenfalls auf 100 Exemplare limitiert auf lila-farbenem Vinyl.
MAVORIM – Aasfresser
Black Metal from Germany
Purity through Fire
Running time: 54:44 minutes
Release date: August 18th, 2019 (all formats)
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Review © 2019 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation