Es ist schlichtweg bemerkenswert, in welch hohem Ausmaß das weißrussische Ein-Mann-Projekt PA VESH EN seine Releases herausfeuert: Gerade erst hat man sich von der letzten EP erholt, die sich unwiderstehlich ins Hirn gefräst hat, und schon steht in wenigen Wochen der Release des zweiten Albums an: „Pyrefication“ ist dieses betitelt und bereits der erste Höreindruck macht deutlich, dass man diesmal den goldenen Mittelweg zwischen den düsteren Anfängen sowie den etwas raueren und aggressiveren Klängen des Debüts gefunden hat. Diese Marschrichtung war bereits auf der vorangegangenen EP zu spüren, jedoch hat man nun noch einmal an genau den richtigen Stellschrauben gedreht um den Eindruck noch intensiver werden zu lassen.
Um den offensichtlichsten Punkt auch direkt abzuarbeiten: Ja, am Sound hat sich im Grunde nichts verändert. Nach wie vor fährt man das für das Genre so typisch verwaschene Klangbild, das man entweder mag oder nicht, auch wenn man noch ein ganzes Stück von der ebenfalls von vielen Bands gefahrenen Beinahe-Unhörbarkeit entfernt ist. Und dies ist auch der Punkt, der PA VESH EN neben dem großartigen Gespür für Songs so attraktiv macht: Unter diesem Schleier aus Ablehnung einer ordentlichen Produktion hört und spürt man jederzeit, wie kraftvoll die eigentlichen Songs sind. Denn bereits das Intro „…In the ghostly haze“ fährt eine Soundwand auf, die den Hörer direkt in eine Welt aus Düsternis, Bitterkeit und Schmerz hinabzieht, dessen Intensität durch den Opener „Wastelands of plague“ noch verstärkt wird. Und ein ums andere Mal fährt einem der altbekannte Gedanke durch den Sinn, wie verflucht groß dieses Projekt sein könnte, würde man auch nur eine annehmbare Produktion fahren. Denn gerade die Melodieführung ist wieder atemberaubend schön und stellt inmitten der rasenden Drums einen fast schon perfekten Kontrast dar. Eine weitere große Stärke spielt man aus, indem man das Tempo wie in „Call of the dead“ weitestgehend herausnimmt und einen fast schon doomigen Sound auffährt, der sich ins Bandkonzept wunderbar einfügt und eine ganz eigene Stimmung kreiert, an die so gut wie kein Genrevertreter herankommt (außer einer Handvoll isländischer Bands vielleicht). Man kann von diesem Subgenre ja halten, was man will: Jedoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass es einen großen Unterschied macht, wenn man alle Facetten dieser Nischenmusik ausschöpft und sich nicht auf „Pseudotrveness“ beruft (ich weiß, ich wiederhole mich, aber Hallo, Portugal!). Ein wie ein ausgedehntes Intermezzo wirkender Track wie „A cacophony of spiritual transition“ wirkt stellenweise eher wie zwar völlig unterproduzierter, aber in seinem Aufbau sehr spannender Atmospheric Black Metal, während „Grotesque abomination“ nicht nur des Titels wegen einen Hauch von Death-Metal-Flair versprüht. Eigentlich sollte man diesen hohen Grad an Abwechslung nicht auf einem Raw-Black-Metal-Album erwarten und dennoch ist er vorhanden. „With splendor of the night“ beispielsweise wirkt ansatzweise wie extrem schlecht produzierte Emperor zu ihren frühesten Demo-Zeiten (und wer die noch miterlebt hat, weiß, wie gut die Norweger selbst da schon geklungen haben), was schlicht und ergreifend am Songaufbau liegt und dass man nie weiß, ob der eine oder andere Part nun Gitarrenspuren oder Synths sind. Überhaupt ist dieses letzte Drittel des Albums verdammt stark ausgefallen, knüpft das folgende „Fog of death“ (ein Schelm, wer an eine andere große norwegische Band denkt) direkt an die Intensität des vorigen Tracks an und zaubert – was man nicht für möglich gehalten hätte bei diesem Stil – zumindest der Rezensentin ein debiles Grinsen ins Gesicht. Mit dem Schlusstrack „Pyre of the forgotten“ nimmt man das Tempo abschließend noch einmal fast komplett raus, was das Album stimmungstechnisch nicht nur abrundet, sondern beim Hörer auch ein nicht zu verachtendes Gefühl von Leere und Verlassenheit hinterlässt, was einen großartigen Abschluss eines großartigen Albums darstellt.
Wenn ich in den letzten beiden Jahren eines gelernt habe, dann ist das ganz sicher die Art und Weise, mit der ich an die verschiedenen Subgenres herangehe. Und obwohl ich ganz sicher keine große Freundin von Raw Black Metal mehr werde, nötigt mir ein Projekt wie PA VESH EN doch ziemlichen Respekt ab: Sei es der Kompromisslosigkeit wegen, mit der man seine Vision verfolgt, sei es des Songwritings wegen, das trotz der engen Grenzen des Genres doch ziemlich abwechslungsreich ausfällt. Natürlich könnte ich jetzt wieder des Sounds wegen herummäkeln, doch dieses verwaschene Klangbild gehört hier nunmal einfach dazu. „Pyrefication“ ist somit ein weiterer Schritt in die richtige Richtung, die in erster Linie an die Spitze des Raw Black Metal führt – da können die Kollegen gerade aus Portugal noch so sehr auf ihre Trveness pochen… KAUFEMPFEHLUNG!!! +++ 8,5 / 10 Punkten
„Pyrefication“ wird ab dem Releasetag als CD, 12″-LP sowie digital erhältlich sein. Alle Infos dazu gibt es dann wie gehabt auch auf der Facebook-Seite von Black Salvation.
PA VESH EN – Pyrefication
Raw Black Metal from Belarus
Iron Bonehead Productions
Running time: 39:10 minutes
Release date: August 23rd, 2019 (all formats)
Iron Bonehead Productions Webshop
Iron Bonehead Productions Bandcamp
Review © 2019 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation