REIGN IN BLOOD – Missa pro defunctis

REIGN IN BLOOD – Missa pro defunctis // © 2019 Iron Bonehead Productions / Reign in Blood

Als der Black Metal um die Jahrtausendwende herum den nächsten Schritt in seiner Evolution vollzog – weg von dem Hype der vergangenen acht Jahre und hin zu einer neuen Ausrichtung im Underground zu den Ursprüngen des Genres – standen zwar wieder einmal Länder wie Schweden und Norwegen im Fokus des Geschehens, doch auch hier in Deutschland trennte sich die Spreu vom Weizen und brachte Bands wie zum Beispiel die in Sachsen ansässigen REIGN IN BLOOD hervor, die innerhalb kürzester Zeit eine Demo, eine Split sowie eine EP auf die willige Meute losließen und 2009 mit dem Debüt „Diabolical katharsis“ für einiges Ohrenschlackern sorgen konnten. Satte zehn Jahre hat man sich nun für den Nachfolger „Missa pro defunctis“ Zeit gelassen, der genau dort anknüpft, wo das Debüt geendet hat und zudem eine ordentliche Steigerung vorweisen kann.

Dass man in den vergangenen zehn Jahren rein atmosphärisch nichts verlernt hat, beweist man direkt mittels „Invoke the shapeless ones“: Ritualistisch und beschwörend leitet man mit diesem Intro ein Album ein, dessen Opener „Dawn of a dying soul“ den Hörer direkt in eine Zeit versetzt, in der Black Metal (wieder) roh, ursprünglich und brutal war. Doch sollte man hier nicht denken, es mit einer rückwärts gerichteten Band zu tun zu haben, ist doch gerade dieser sehr puristische Sound absolut zeitlos. Gerade die einerseits relativ melodischen und unverzerrten Leads, die auf eine komplett verzerrte Gitarrenspur treffen, sowie die variablen Vocals üben hier einen großen Reiz aus. In Zeiten, in denen relativ ähnlich gelagerte Bands wie Malakhim oder Valaraukar (beide übrigens auch bei Iron Bonehead unter Vertrag) eine ähnliche Vision verfolgen, ist das in erster Linie ein Zeichen für eine verdammt vitale, generationenübergreifende Szene. Wer es zudem fertigbringt, einen Kracher wie „Black hole“ so ungestüm aus den Boxen klingen zu lassen, hat sicher nicht nur bei mir ein Stein im Brett: Die kompromisslose Art und Weise, wie man diesen Uptempo-Track nach vorne preschen lässt, macht einfach nur diabolisch viel Spaß! Generell ist dieses Ungestüme und sich auch nicht immer auf ein bestimmtes Genre festlegende Element ein zentraler Bestandteil des Albums. Will heißen: Einen Großteil der Riffs könnte man ohne Weiteres auch auf Death-Metal-Alben der finsteren Art finden, was für mich persönlich immer ein Pluspunkt bei Black-Metal-Bands ist, zeugt das doch bei aller Passion für den Black Metal von geistiger Reife und musikalischer Offenheit, die – leider! – auch heute noch von vielen Hörern und stellenweise auch Musikern abgelehnt wird. Dabei stellt ein Song wie „Metamorphose with the universe“ einen zentralen Punkt innerhalb des Soundgefüges dar, der die gerade genannte These sehr deutlich unterstreicht: Atmosphärisch sehr dicht, mit einigen verdammt gelungenen Tempiwechseln sowie einer fantastischen Vocalarbeit setzt man sich stilistisch zwar durchaus ein wenig zwischen die Stühle, bleibt oberflächlich betrachtet jedoch immer ein wie wahnsinnig agierender Black-Metal-Act, der auch vor Elementen aus dem Occult-Black-Metal nicht zurückschreckt. Der Titeltrack „Missa pro defunctis“ ist dafür das nächste Beispiel in einer Kette aus starken Songs, die sich von Anfang bis Ende über das gesamte Album zieht. Denn das, was wir heute gerne als Occult Black Metal bezeichnen, war Anfang der Zweitausender nichts anderes, als Black Metal auf seine pure Essenz heruntergebrochen, die sich eher „De mysteriis…“ als Vorbild nahm, denn den ganzen Burzum-Schrott. Kein Wunder, dass Bands wie Ofermod, Deathspell Omega oder auch Watain in so kurzer Zeit eine regelrechte Renaissance des Genres einläuten konnten. Besagter Titeltrack steht in ebenjener Tradition und dürfte in absehbarer Zeit wohl von jedem Puristen tierisch abgefeiert werden. „Domus mortuorum“ zieht das Tempo dann wieder ordentlich an, ohne allerdings in Raserei zu verfallen, sondern agiert eher im oberen Uptempo, was dem Album einen ordentlichen Schuss Dynamik verpasst. Spätestens jetzt sollte ein jeder REIGN IN BLOOD verfallen sein, so jedenfalls ging es der Rezensentin dieses kleinen Reviews. Alleine schon das Herunterbrechen ins Midtempo samt hinzufügen eines bösen und gleichzeitig majestätischen Riffs lässt die Nackenmuskulatur anschwellen und erzeugt eine gewaltige Immersion in die Soundwelt, die man mit dem folgenden und sich fast nahtlos anschließenden „Anima“ sogar noch verstärkt, was durch das relativ langsame Tempo, in dem man den Track ansiedelt, bedingt ist und ihn somit zu dem wirklich „bösesten“ des gesamten Albums macht. Gerade die Vocals kommen hier so intensiv rüber, dass es ein purer Genuss ist. Dazu noch die weiter oben erwähnten Leads, die dem Ganzen die Krone aufsetzen, und fertig ist einer der stärksten Tracks des Duos, was wahrlich etwas heißen möchte. Mir jedenfalls hat das Teil Gänsehaut über Gänsehaut beschert. Mit dem Albumcloser „Wolfhour“ setzt man schließlich einen gewaltigen Schlusspunkt, indem man noch einmal alles aus sich herausholt: Schon das Eröffnungsriff ist wieder so majestätisch über allem angesiedelt und in Verbindung mit dem langsamen, erhabenen Tempo, das sich alsbald in purer Raserei ergeht, so punktgenau arrangiert, dass man es im Grunde gar nicht wahrhaben möchte, dass dies der Schlusspunkt unter einem fantastisches Album sein soll, den man nur noch durch das Ambient-Outro „Into nothingness“ ein wenig herauszögert. Großartig!

Verdammt Axt, mit solch einer Urgewalt hätte ich nun wirklich nicht gerechnet: Müsste ich „Missa pro defunctis“ in einem Wort beschreiben, dann wäre das wohl „Wahnsinn“ – nicht wegen irgendwelchen abgefahrenen Songstrukturen, sondern der Vielschichtigkeit wegen, die sich von Song zu Song ändert und dem Album etwas zutiefst Eigenständiges verleiht. Purer Black Metal trifft auf seinen okkulten Cousin, das Riffing würde auch auf jedem Death-Metal-Album bestehen und die variablen Vocals sind die Krönung des Ganzen. Über allem schwebt zudem die brutale Produktion sowie die wie immer erstklassige Arbeit von Patrick W. Engel für Mix und Mastering. REIGN IN BLOOD haben somit eines der puristischsten und gleichzeitig abwechslungsreichsten Black-Metal-Alben in diesem Jahr vorgelegt, das hoffentlich die ihm gebührende Aufmerksamkeit erhält. Ich bin schwer begeistert! PFLICHTKAUF!!! +++ 9 / 10 Punkten

Ab dem Releasetag ist das Album als CD sowie LP im Webshop des Labels erhältlich sowie digital in dessen Bandcamp-Shop. Alle Infos zu den verschiedenen Versionen gibt es dann natürlich auch auf der Facebook-Seite von Black Salvation.

REIGN IN BLOOD – Missa pro defunctis
Black Metal from Germany
Iron Bonehead Productions
Running time: 42:10 minutes
Release date: August 16th, 2019 (all formats)

Iron Bonehead Productions Webshop
Iron Bonehead Productions Bandcamp

Review © 2019 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation

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