Für eines bin ich ja bekannt: Sobald man mir Schlagwörter wie „atmospheric“ und/oder „epic“ in Verbindung mit Black Metal präsentiert, bin ich meistens ganz schnell außer Hörweite. Erfahrungsbedingt, da mir 95 Prozent der Bands einfach zu weichgespült klingen und auch die gerne verwendeten Reverenzen zu einer bekannten österreichischen Band meistens komplett in die Irre führen und sowieso unangebracht sind. Da tut es gut, ein Album wie „The last rain“ auf den Tisch zu bekommen: Das zweite Album der Schweizer CÂN BARDD darf sich nämlich mit den eben genannten Attributen perfekt umschreiben lassen. Bereits das im vergangen Jahr erschienene Debüt „Nature stays silent“ war für einige respektvoll hochgereckte Daumen gut; mir persönlich war es mit 70 Minuten einfach zu lang, so dass viele der Ideen auf dem Album schlicht versandeten. Der aktuelle Longplayer ist mit seinen 50 Minuten im genau richtigen Bereich für diese Art Musik und alleine das wieder wunderschöne Cover rechtfertigt es, hier mal genauer reinzuhören
Habe ich eigentlich schon erwähnt, wie sehr ich lange und ausufernde Opener liebe? Wahrscheinlich mehr als einmal, dennoch ist es hier erneut angebracht: Ich liebe lange Opener! Besonders wenn sie sich, wie im Falle von „Between hope and reality“ langsam aufbauen: Zunächst rein akkustisch, dann unterstützt mit klaren Vocals tastet man sich langsam an einen Ausbruch heran, der dennoch nicht gleich in volles Tempo umschlägt, sondern sich eher noch im unteren Midtempo hält. Lediglich die Kickdrum arbeitet etwas schneller und sofort wird klar, dass „The last rain“ eine ausgezeichnete Produktion hat. Druckvoll und dennoch nuanciert in den Details hat man jedem – wirklich JEDEM – Element auf dem Album den nötigen Raum zur Entfaltung gegeben. Der einzige Punkt, der mich persönlich a bisserl stört, ist das immer mal wieder auftretende ‚tack-tack‘ der Kickdrum in den Midtempo-Parts. Das jedoch ist rein subjektiv; andere Hörer mögen das vielleicht nicht so empfinden. Aber zurück zum Opener: Der füllt seine 15 Minuten nicht mit wilden Tempiwechseln oder Breaks, sondern setzt diese in den genau richtigen Momenten ein, um Spannung aufzubauen. Überraschend ist auch, dass man sehr aggressiv vorgeht, was man in diesem Segment auch nicht allzu oft findet. Atmosphäre wird hier in erster Linie durch den Songaufbau und besonders den immer wieder eingstreuten melodischen Riffs erzeugt. „Celestial horizon“ ist dafür ebenfalls ein gutes Beispiel: Auch hier baut man den Track erst langsam und nach und nach auf, wobei besonders der Kontrast zwischen Cello (?), Klavier und Flöten ein wohltuender Kontrast zum anschließend vollverstärkten Part darstellt. Auch die keifenden Black Metal-Vocals wirken nicht aufgesetzt; sie sind fester Bestandteil neben dem klaren Gesang und beides wirkt wie eine Einheit. Vor allem, da das Keifen nicht schwachbrüstig wirkt, sondern richtig Power hat. Bei einem Titel wie „Fog of war“ im Anschluß denkt man ja an vieles; nicht aber, dass sich dahinter ein sehr ruhiges, beinahe schon verträumtes Instrumental verbirgt, das in erster Linie komplett vom Klavier getragen wird. Absolut sparsam komponiert und nur zum Ende hin im letzten Drittel noch mit Streichern unterlegt, fügt man diesem Mikrokosmos noch eine völlig neue Ebene hinzu, die sich zudem harmonisch einfügt. Auch erzeugt der nahtlose Übergang hin ins erste verzerrte Riff von „Clouds and feuds“ keinen Stimmungsabbruch. Gerade der langsame Einstieg in die Songs ist es, die das Album zu etwas Besonderem machen und auch erst mal gekonnt sein müssen. Mir fallen auf Anhieb keine Handvoll andere Bands ein, die dies mit solcher Klasse und so viel Eleganz beherrschen. Und – man kann es nicht oft genug sagen – die Wechsel der ruhigen und energischen Parts sind einfach perfekt arrangiert. Man spürt sie zwar immer irgendwie kommen, und dennoch stellt sich nicht das Gefühl ein, „ich habe es ja gewusst“. Sondern man denkt eher „das war so toll, direkt mal eine halbe Minute zurückspulen, um das noch einmal zu hören“. Zitat meiner Freundin: „So oft, wie du dir bei diesem Album einzelne Stellen immer wieder anhörst, hast du das im vergangenen Jahr insgesamt nicht gemacht.“ Stimmt. Und auch der Closer und Titeltrack „The last rain“ bleibt davon nicht verschont. CÂN BARDD zeigen hier noch einmal ihr ganzes Können hinsichtlich dem Aufbau schlüssiger Songs. Die Tempiwechsel funktionieren fantastisch und müsste ich jetzt eine Band nennen, mit der man vergleichbar wäre, dann fielen mir nur Falkenbach ein, die rein atmosphärisch ebenso aggressiv sind. Und beide Bands teilen vor allem anderen ein Attribut: EPISCH! Denn das ist es, was diese Schweizer wirklich ausmacht: Aggressiver, epischer Black Metal, der von einer wunderschönen Atmosphäre getragen wird und von dem man so schnell nicht genug haben kann. Da hilft nur ein erneuter Durchlauf des Albums. Und noch einer…
Es ist schon wirklich lange her, dass mich ein Album wie dieses so sehr mitreißen konnte. Doch von der ersten Note an erzeugt „The last rain“ eine so packende Atmosphäre, in der so viel Tiefe, Melancholie und – ja, auch das – Spielfreude steckt, dass es wirklich schwerfällt, hier negative Punkte zu finden. Wer neben den Attributen „episch“ und „atmosphärisch“ auch noch „aggressiv“ und „druckvoll“ in diesem (Sub-)Genre erfüllen kann, hat definitiv verstanden, worauf es ankommt. Nämlich kein weichgespültes Naturgedöns, bei dem der Metal nur als Ausdrucksform dient. Sondern METAL, für den Natur- und Fantasythemen als Inspiration dienen. Danke dafür! PFLICHTKAUF!!! +++ 9 / 10 Punkten
Wer richtig starken, epischen und atmosphärischen Black Metal in seiner Sammlung bevorzugt, der kann sich schon jetzt „The last rain“ als Pre-order sichern. Das Album erscheint als schicke Digipack-CD sowie als Download. Kleiner Wunsch am Rande: Bitte, Northern Silence, bitte gönnt diesem sowie dem Vorgängeralbum noch Releases auf Vinyl, damit die Cover richtig zur Geltung kommen!
CÂN BARDD – The last rain
Epic / Atmospheric Black Metal from Switzerland
Northern Silence Productions
Running time: 50:44 minutes
Release date: February 22nd, 2019 (all formats)
Northern Silence Productions Webshop
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Review © 2019 Beatrice Sophia von Siedler / Black Salvation