Geht es um zeitgenössischen Black Metal, so fallen Ländernamen wie Frankreich, Chile, Portugal, Polen, Schweden und mit Abstrichen auch Deutschland (der Prophet im eigenen Land; ihr wisst schon). Eher selten wird in dieser Riege Italien genannt, da man hierbei in erster Linie an Bands aus dem epischen oder mit Keyboards zugekleisterten Metal denkt. Doch auch im Black Metal herrscht rege Tätigkeit, was gerne mal vergessen wird. Schaut einfach in den Metal Archives, da werdet ihr einige Zeit beschäftigt sein, euch durch die vielen Bands zu wühlen, die mal mehr, mal weniger relevant für die aktuelle Szene sind. Relevant sind auf jeden Fall die aus Pescara (gelegen in den Abruzzen) stammenden BLACK FAITH, die bereits vor gut einem Jahr ihren Zweitling „Nightscapes“ auf die schwarze Meute losgelassen haben.
Konnte man auf dem 2013 erschienenen, soliden Erstling „Jubilate diabolo“ schon ganz gut überzeugen (abgesehen hinsichtlich der Vocallines an einigen Stellen), so hat man auf dem aktuellen Silberling einen gehörigen Sprung nach vorne gemacht. Von Beginn an gibt es hier mächtig was aufs schwarze Galle sabbernde Fressbrett. Der gerade einmal zwei Minuten knappe Opener „Obsecratio“ macht direkt Druck und klopft den Hörer erbarmungslos zurück in die Niederhöllen. „Culmination of injustice“ fügt dem noch eine gehörige Portion Wahnsinn in den eh schon starken Vocals hinzu, so manisch kreischt man sich in Ekstase. Dabei ist die nicht allzu glatte, aber gut ausdifferenzierte Produktion das Sahnehäubchen, unter dem sich die jederzeit deutlich unterscheidbare Instrumentalfraktion sammelt. Der stets spürbare, pumpende Bass sticht hier vor allem heraus, da man das bei dieser Art von Black Metal nicht unbedingt gewohnt ist. Mit dem rituelle Beschwörungen deklamierenden Intermezzo „Preghiera“ kommt man ein wenig zur Ruhe, bevor der Achtminüter „Never eternal“ alles niederwalzt. Konsequent im Midtempo gehalten, führt der Track in unheilige Sphären, die alles Licht verschlingen und jeden diabolisch grinsend vor der heimischen Anlage kauern lässt. Großartig! Das hätte auch eine Band wie Setherial nicht besser hinbekommen. „Total disgust“ beginnt ebenfalls sehr schleppend, steigert sich allerdings nach wenigen Augenblicken zu einem rasenden Monster, das einen willkommenen Kontrast zum vorangegangenen Track darstellt.
Das sehr thrashige „Throwback!“ läutet die zweite Albumhälfte wieder mit einem eher kompakten und nach vorne preschenden Stück ein. Eine nette Abwechslung; jedoch merkt man an dieser Stelle, dass den Jungs die längeren Tracks eher liegen. Deutlich macht man dies sofort im Anschluss mit „The shadow line“, einer gut zehn-minütigen Fahrt die Höllenkreise hinab. Die Tempiwechsel und Breaks sind dabei so geschickt gesetzt, dass man fast vergessen könnte, es hier mit einem einzigen Track zu tun zu haben, so sehr kann man sich hierin verlieren. Da kommt man sich beim folgenden „These corridors spurt blood“ mit seinen gerade mal fünf-einhalb Minuten fast schon unterbedient vor. Der Titeltrack fügt dem ganzen dann noch einen guten Schuss atmosphärischen Riffings hinzu, was über die komplette Albumspielzeit gesehen der wohl größte Überraschungsmoment ist. Vor allem, da es funktioniert: Man gleitet nicht wie viele andere Bands in pseudo-atmosphärische Kaskaden ein, sondern zieht seine Parallelen eher nach Finnland. Und wieder einmal funktioniert es fantastisch. Hätte man mir nur diesen Track vorgespielt, ich hätte die Truppe ohne mit der Wimper zu zucken als aus dem Land der tausend Seen stammend lokalisiert. So hätte man sich irren können. Als Rausschmeißer fungiert schließlich „Consecrabor“, das sich stilistisch genau in die Mitte setzt und, bis hin zu den manischen Vocals, die ganze Bandbreite der letzten Tracks abdeckt. Schade allerdings, dass das „Outro“ dann nur noch eine Collage verschiedenster Klänge ist. Dank der zehn Haupttracks ist dies letzten Endes allerdings doch wieder zu vernachlässigen.
Was für ein Quantensprung zum Debüt! Ich muss an dieser Stelle aber eines ganz ehrlich zugeben: Als ich die lange Spielzeit sah, wurde mir zunächst Angst und Bange, da bei einer solchen Überlänge meistens viele Füller die Spielzeit strecken oder man sich in unausgegorenen Experimenten verliert. Das nichts davon zutrifft, spricht für die Klasse dieser Italiener, die, wenn man jetzt nicht wieder vier Jahre auf ein neues Album warten muss, durchaus ins Black Metal-Oberhaus aufschließen könnten. Rückblickend definitiv eine der Überraschungen 2017. Uneingeschränkte Kaufempfehlung! +++ 8,5 / 10 Punkten
Wem die Truppe bis jetzt noch kein Begriff war, der sollte nun schleunigst auf die Bandcamp-Seiten der Band oder des Labels Throats Productions wechseln, wo ihr nach wie vor das auf 500 Exemplare limitierte Digipack oder aber alternativ dazu einen Download erwerben könnt. Ebenfalls erhältlich ist „Nightscapes“ im Label-Webshop.
BLACK FAITH – Nightscapes
Black Metal from Italy
Label / Distribution: Throats Productions (Digipack) & Bandcamp (Download)
Running time: 67:13 minutes
Release date: 21.01.2017 (Digital) / 04.02.2017 (Digipack)
throatsproductions.bigcartel.com
www.bandcamp.com (Throats Productions)
www.bandcamp.com (Black Faith)