Für den Black Metal aus Finnland gilt, was für den Death Metal aus Schweden oder Südamerika gilt: Er ist etwas ganz Besonderes. Nicht, weil er übermäßig brutal ist, sondern weil bei einem Großteil der Bands stets eine ganz spezielle Melodieführung vorhanden ist. Ein Paradebeispiel für diesen Sound sind die im Jahr 2005 gegründeten AEGRUS, die in wenigen Wochen ihr zweites Album „Thy numinous darkness“ auf die willige Zuhörerschaft loslassen. Nachdem bereits das vor zwei Jahren veröffentlichte Debüt „Devotion for the devil“ überzeugen konnte, wird mit der aktuellen Langrille der Status noch verfestigt. In den zwei Jahren, überbrückt durch eine EP („Conjuring the old echoes“, 2016), hat man spürbar weiter an der Verfeinerung des Songwritings gearbeitet und kann nun mit Fug und Recht behaupten, auf dem Weg zu einer der ‚großen‘ Bands im Black Metal aufzuschließen.
Schon der Opener „Embodiment of chaos“ lässt klar erkennen, dass die Band (zunächst) um keinen Zentimeter von der gewählten Marschrichtung abweicht. Kalt und melodisch peitscht der Track nach vorne, die raue Produktion tut ihr Übriges. Der langsame Mittelpart inkl. Solo verstärkt diese Atmosphäre sogar noch, so dass man von einem gelungenen ersten Track sprechen kann. Und was besonders geil ist: die Drums klopfen nicht in einem durch, sondern bleiben selbst in den schnellen Passagen eher im (oberen) Midtempo-Bereich. Das hebt die Gruppe schon mal über einige andere im Genre heraus. Das folgende „Call of Lucifer“ bewegt sich zwischen mittlerem und oberem Midtempo und steigert sich so in der Intensität des Songaufbaus kontinuierlich. Die fast acht Minuten werden somit nicht langweilig und bereiten tempomäßig gut auf das wieder schön schnelle „Psalms of Satan“ vor. Und ja, die Songtitel sind zwar klischeehaft, aber etwas anderes erwarte ich auch gar nicht von einer Band wie AEGRUS. Der Titeltrack nimmt das Tempo dann erstmals raus und präsentiert sich so zunächst als relativ langsames Stück, bevor nach dem ersten Drittel wieder in die typische Raserei gewechselt wird. Und nein, man zieht das dann nicht durch, sondern gönnt dem Stück zum Ende hin wieder einen langsameren und etwas ruhigeren Ausklang.
Mit dem Midtempo-Klopfer „The black stream of death“ geht es weiter voran und der hätte sich, was einen Teil des Riffings angeht, auch gut auf der aktuellen Barathrum gemacht. Richtig gelungen ist allerdings der wieder ruhig gestaltete Mittelteil, der den anschließenden Ausbruch umso intensiver erleben lässt. Meiner Meinung nach der beste Track auf „Thy numinous darkness“. „Dark essence“ kommt da erwartungsgemäß nicht ganz ran, ist aber mit seinen Tempiwechseln durchaus spannend aufgebaut und fügt sich in den Rest des Albums einwandfrei ein. Bleibt also nur noch der Album-Closer „Transcendence“: Das ist zwar ’nur‘ ein Instrumental, baut in seinen über sieben Minuten Länge allerdings so viel Spannung auf, wie manch andere Band nicht mal auf einem Album. Das ist ganz groß und lässt mich hoffen, dass sich AEGRUS in Zukunft sogar noch weiter aus dem zwar schon gelockerten, aber immer noch recht straff gespannten Korsett befreien.
Ich kann wohl guten Gewissens behaupten, dass es jede Menge innovativer Bands als AEGRUS gibt. Allerdings gibt es auch Myriaden an Bands, die um einiges schlechter sind und den Stil der Finnen einfach nur kopieren, ohne an deren Atmosphäre auch nur heranzukommen. Freunde der finnischen Black Metal-Schule kommen hier mehr als nur auf ihre Kosten. Denn besonders der Schlusstrack gehört mit zum Besten, was ich rein atmosphärisch in diesem Jahr geboten bekommen habe. Pflichtkauf!!! Punkt. +++ 8,5 / 10 Punkten
Bis zum 20. Oktober heißt es noch warten, dann kann man sich das Album endlich in die Sammlung stellen. Bereits jetzt allerdings erhaltet ihr es als Pre-order im Webshop des Labels.
AEGRUS – Thy numinous darkness
Black Metal from Finland
Label / Vertrieb: Saturnal Records
Running time: 39:22 minutes
Release date: 20.10.2017