Neben Nagelfar gibt es eine zweite Gruppe im heimischen Black Metal, die ebenso wie erstere einen immensen Einfluss auf die Szene ausübte und diesen Status bis zu ihrem Split Ende 2012 auch aufrecht erhalten konnte: die Rosenheimer LUNAR AURORA. Da ich selbst seit kurzem in unmittelbarer Nähe dieser Stadt in Oberbayern lebe, schließt sich gewissermaßen auch ein Kreis, da diese Gruppe mit zu den ersten deutschen Bands im Black Metal gehört hat, die ich ganz persönlich neben Eminenz als relevant für die Szene ansah. Ich gebe aber zu: Mir fiel es damals unheimlich schwer, mit den Keyboards fertig zu werden, da ich den Standpunkt vertrat, dass diese im extremen Metal nichts zu suchen haben. Jugendlicher Leichtsinn, ich weiß… Dass änderte sich allerdings langsam, als ich ein halbes Jahr später zum ersten Mal Bal-Sagoth hörte und sich daraufhin allmählich so etwas wie Toleranz für dieses Instrument bildete. Auf jeden Fall wurde damit das Eis endgültig für LUNAR AURORA gebrochen, die dann mit einem Schlag zu einer meiner Lieblingsbands wurden. Beim Erscheinen von „Weltengänger“ im Frühjar 1996 tobte der Underground vor Begeisterung und es gab kaum jemanden, der etwas Schlechtes über das Album sagte. Allenfalls über die allgegenwärtigen Keyboards, aber das hatten wir ja schon… Bereits der Opener „Grabgesänge“ brach mit solcher Wucht über den Hörer hinab und zerstörte in diesen wenigen Minuten den Irrglauben, dass aus Deutschland kein international konkurrenzfähiger Black Metal kommen könnte.
Am meisten beeindruckte damals das musikalische Können der Band, die sich nicht einfach darauf verließ, dass das Keyboard schon für genug Atmosphäre sorgen würde. Es wurde hier eine Soundwand aufgebaut, in der jede einzelne Komponente wichtig dafür war, etwas ganz Besonderes zu schaffen und trotzdem immer noch eindeutig als Black Metal eingeordnet werden zu können. Das macht es auch so extrem schwer, sich für irgendeinen Track als besonders repräsentativ für das Album zu entscheiden, denn jeder ist eine eigene Klangwelt voll rasender Atmosphäre, ungezügelter Wut und poetischem Schauen auf Dunkelheit, Alleinsein, Kummer und den verklärten Blick hinauf zum namensgebenden Mond. Das auf den Opener folgende „Rebirth of an ancient empire“ wirkt deutlich aggressiver, was sich bis zu einem gewissen Grade in „Flammende Male“ noch steigert. Das sorgt bereits für eine ausgezeichnete erste Hälfte des Albums. Und ebenso energisch geht es weiter: „Into the secrets of the moon“, „Schwarze Rosen“ und das abschließende „Conqueror of the ember moon“ füllen ein eh schon starkes Album noch weiter und sorgen dafür, dass hier ein absoluter Klassiker im Black Metal entsteht, den wirklich jeder kennen sollte, der sich ernsthaft mit der hiesigen Szene auseinandersetzt!!!
Auf dem 2007er Re-release über Cold Dimensions befindet sich noch ein Bonustrack, „Wanderer des Feuermondes“, der einst exklusiv für den Sampler „Nachtzauber“ des deutschen Magazins Mørkeskye aufgenommen wurde. Dieser fällt gegenüber den bisherigen Tracks vor allem dadurch auf, dass er wesentlich ruhiger und atmosphärischer ist und so einen gewissen Kontrast bildet. So ganz reißt er zwar nicht aus dem Albumfluss raus, aber man betrachtet ihn am besten als vom Album losgelöste, nette Beigabe.
Wer sich das Album heute noch zulegen möchte, der wird am ehesten auf der Bandcamp-Seite fündig, die die ehemaligen Mitglieder immer noch betreuen. Dort stehen die ersten fünf Alben in den von Cold Dimension remasterten Versionen sowie die folgenden vier Alben zum Kauf als Download bereit. Alternativ dazu wird man auch über den Grau-Mailorder fündig (der die von Cold Dimension herausgebrachten Releases vertreibt), zieht man das physische Format vor. Löblich ist, dass auch alle anderen Releases der Band dort noch verfügbar sind. Wer jedoch lieber die Originalpressung bevorzugt, der wird eventuell über ebay, aber auf jeden Fall über Discogs fündig (Stand der Suche: 03.03.2017).
LUNAR AURORA – Weltengänger
Black Metal from Germany
Label / Vertrieb: Voices Productions (Originalrelease, CD) / Cold Dimensions (Re-release)
Running time: 46:44 minutes (Originalrelease) / 52:36 minutes (Re-release)
Release date: November 1996 / May 2007
www.bandcamp.com
www.cold-dimensions.de
www.grau-mailorder.de