UNGFELL – Tôtbringære

Copyright: Ungfell
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Aus der Schweiz kommen nicht nur leckerer Käse, noch schmackhaftere Schokolade oder CD’s mit den Daten von Steuersündern, sondern ab und an auch verdammt interessante Black Metal-Bands wie das Zürcher Duo UNGFELL, das stark 90er-Jahre-beeinflussten Black Metal in einer Mischung aus finnischer und norwegischer Raserei spielt, versetzt mit Einflüssen aus dem Folk. Dabei ist der Albumtitel „Tôtbringære“ nicht einfach nur als Aufhänger oder mehr oder weniger willkürlich gewählt. Denn die Texte beschäftigen sich auf morbide, aber künstlerische Weise fast ausschließlich mit Themen des Todes. Die Produktion ist extrem ungeschliffen und passt daher ebenfalls gut in diesen Gesamtkontext. Man kann das mögen oder auch nicht. Wer auf diesen rohen Sound steht, dem wird das Album alleine schon deswegen zusagen. Der Drumsound steht weitgehend im Hintergrund, die Snare wirkt sehr dumpf und wird meistens durch die Gitarren und die Vocals überlagert. Die Songstrukturen lassen sich jedoch überwiegend gut nachvollziehen; die Zeiten, in denen diese Art der Musikpräsentation zum Alltag gehörte und der Soundbrei irgendwann einfach in den Ohren wehtat, sind zum Glück endgültig vorbei. Roh, aber differenziert, so könnte man das heute beschreiben. UNGFELL beherrschen das große Kunststück, die Folkanteile in den Songs nicht nach Jahrmarktsmusik klingen zu lassen, sondern bewegen sich in diesen meist akustisch vorgetragenen Teilen auf den Spuren von Storm (dem Folk Metal-Projekt von Fenriz und Satyr in den 90ern) bzw. „mittelalterlich“ anmutenden Songstrukturen, die hin und wieder durchaus auch schon mal an etwas langsamere Kampfar in ihrer Anfangsphase denken lassen. Schon das einleitende Instrumental „Viures Brunst“ ist folkoristische Pestmusik, die zunächst nicht erahnen lässt, was für ein Inferno nach diesen drei Minuten losbrechen wird. „Die bleiche Göttin“ ist ein Stück rasenden Schwarzmetalls, nur sporadisch unterbrochen von wimmernden Gitarren, dass die Marschrichtung des Albums vorgibt. Hier gibt es weder liebliche Folkmelodien oder gar einen Hoffnungsschimmer. Es herrschen erhabenes Grauen und über allem der Tod, wie „Gottes Acker“ im folgenden deutlich macht. Und Tod und Teufel: Die Schweizer beherrschen auch die Midtempo-Passagen und Breaks innerhalb der Songs ausgezeichnet und steigern sich in ein wahnsinnig intensives Finale. Der „Trommler Tod“ schließt sich diesem Aufbau an, wechselt allerdings nach gut zwei Dritteln in ein rein akustisches Stück, was einen wunderschönen Kontrast ergibt. „Der Ûzsieche und sîne Grimmede“ ist das Paradebeispiel auf dem Album für sowohl rasende Parts, ruhige Momente und Midtempo-Geklopfe. Der Spannungsbogen ist hier beinahe perfekt aufgebaut und ist mein persönlicher Favorit auf dem Album. „Wechselbalg“ kommt da nicht so ganz heran, da es hier fast durchgehend auf die Fresse gibt. Man gewöhnt sich halt schnell an die akustischen Spielereien der Band, die hier immerhin noch kurz aufblitzen. Mit dem rein akustischen Instrumental „Slahtære“ beginnt man langsam in den Endspurt einzutreten und beweist erneut, dass man ein Händchen für diese Art der Instrumentierung hat. Ein spannendes und wohltuendes Finale vor dem abschließenden „Der Opfersprung“, in dem UNGFELL nochmals mächtig die Sense schwingen und zeigen, dass sie mit zu den interessantesten und stärksten Bands in dieser Spielart des Black Metal zu zählen sind.

„Tôtbringære“ ist ein richtig interessantes und starkes Album, dass mich dennoch ein wenig mit der Wertung hadern lässt. Bewerte ich es zu hoch, könnten diejenigen meckern, denen die Produktion zu „räudig“ ist. Bewerte ich es zu niedrig, tue ich mir persönlich keinen Gefallen, da ich es wirklich sehr mag. Ich habe mich daher dazu entschieden, meine persönliche Wertung anzugeben. Wer sich an den vorgetragenen Kritikpunkten stört, soll bitte einen halben oder einen Punkt abziehen. Aber eine niedriegere Wertung würde dem Album nicht gerecht werden. Und sollten die beiden Eidgenossen auf den nächsten Veröffentlichungen die Produktion wenigstens ein bisschen mehr in den Griff bekommen, dann kann ich auch ohne diesen Kompromiss eine hohe Wertung vergeben. Potential jedenfalls ist genügend vorhanden und so kann ich jedem empfehlen, der auch nur halbwegs mit den genannten Vergleichen etwas anfangen kann, hier reinzuhören!!! +++ 8 / 10 Punkten

Wer sich das Tape zulegen möchte, kann dies nur noch über das Label Graceless Recordings in den USA tun (oder man grast einfach mal auf gut Glück die einschlägigen Distros ab). Ansonsten kauft man sich den Download über die Bandcamp-Seite von UNGFELL und drückt die Daumen, dass hier schnell ein CD-Release folgt (und legt die Shirts in rot bitte noch mal auf!!!).

Copyright: Ungfell
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UNGFELL – Tôtbringære
Black Metal from Switzerland
Label / Vertrieb: Independent / Graceless Recordings (Tape) + Bandcamp (Download)
Running time: 44:38 minutes
Release date: February 1st, 2017

www.bandcamp.com
www.gracelessrecordings.shopnvy.com

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